Wie die Follower-Anzahl die Interaktionsrate beeinflusst

In diesem Beitrag wollen wir euch einen Einblick in den Artikel „Finding Goldilocks Influencers – How Follower Count Drives Social Media Engagement geben, welcher im Jahre 2022 von der American Marketing Association veröffentlicht wurde. Das Paper wurde von Simone Wies, Alexander Bleier und Alexander Edeling erarbeitet und behandelt den Zusammenhang von der Reichweite eine Influencers und der Interaktionsrate mit gesponserten Inhalten.

Einführung

Influencer Marketing wird immer Relevanter, der Trend legt ein starkes Wachstum des Sektors nahe. Wurden 2016 weltweit noch 1,7 Milliarden USD in Influencer Marketing investiert, so waren es laut Statista im Jahre 2022 bereits 16,4 Milliarden USD. Für das Jahr 2023 ist ein weiteres Wachstum bis 21,1 Milliarden USD prognostiziert worden. Es ist schnell festzustellen, dass sich die Ausgaben in nur 8 Jahren mehr als verzwölfacht haben. Allerdings wissen meisten Unternehmen nicht, in welche Influencer sie zu investieren haben, der generelle Konsens ist aber, dass Influencer mit möglichst hoher Reichweite bevorzugt werden sollten. Der Artikel nimmt sich zum Ziel, diese Vermutung zu überprüfen.

Hypothese

Im generellen stellen die Autoren drei Hypothesen auf:

  • Hypothese 1: Die Interaktionsrate auf Inhalte bildet in Beziehung zur Reichweite die Form eines invertierten U ab. Das bedeutet, dass die Interaktionsrate zunächst mit steigender Reichweite steigt, aber ab einer gewissen Reichweite wieder abnimmt.
  • Hypothese 2: Mehr Freiheit bei der Ausgestaltung flacht den Effekt des invertierten U ab.
  • Hypothese 3: Niedrigere Markenbekanntheit schwächt den U-Effekt ab.

Um diese zu prüfen wurden folgende Experimente gemacht:

Experimente

Zur Überprüfung der Thesen wurden eine eingehende Datenanalyse, eine Eye-Tracking-Studie und ein Laborexperiment durchgeführt.

Im Zuge der Datenanalyse wurde ein eigenes Datenset erstellt. Hierfür wurden Daten aus Kampagnen von fünf unabhänigen Agenturen verwendet, die sich eigens auf Social-Media-Marketing fokussiert haben. Insgesamt beliefen sich die ausgewerteten Daten auf 6422 Posts und 6178 Stories. Interaktionen wurden hierbei zwischen Post- und Story-Interaktionen unterschieden.

Dabei konnte ein U-Effekt für sowohl Post- als auch Story-Interaktionen bestätigt werden. Somit konnte die erste Hypothese verifiziert werden. Außerdem wurde ein abschwächender Effekt der Markenbekanntheit und des Individualisierungsgrad festgestellt. Lediglich für Story-Interaktionen konnten diese nicht gemessen werden.

Um Hypothese 1 weiter zu festigen wurde im Zuge des zweiten Experimentes eine Eye-Tracking-Studie mithilfe von Labvanced 2022 durchgeführt. Labvanced 2022 ermöglichte es die Studie mithilfe der Webcams von 87 Probanden, alle aktive Instagramm-Nutzer, durchzuführen. Alle Teilnehmer wurden entweder in eine Control- und Treatment-Group eingeteilt und den Probanden in der Control-Group wurden vier Instagram-Profile präsentiert. Der Treatment-Group hingegen nicht. Ihnen wurde eine Frage gestellt, nämlich ob sie mit dem Profil interagieren würden. Gemessen wurde daraufhin die Frequenz und die Dauer der Blicke auf die Follower-Anzahl.

Schlussendlich konnte festgestellt werden, dass die Treatment-Group deutlich häufiger und länger auf die Follower-Anzahl schaute. Daraus ist abzuleiten, dass die Reichweite eines Influencers ein relevantes Entscheidungskriterium für die Interaktionswahrscheinlichkeit ist.

Das dritte Experiment kombinierte ein Interview (3a) mit einer Feldvalidierung (3b) und vertiefte die Erkenntnisse durch statistische Analysen (3c und 3d). Die strukturierte Methodik ermöglichte eine ganzheitliche Betrachtung der Interaktionsdynamik. So entstand eine wissenschaftliche Grundlage für fundierte Einsichten in die Wechselwirkungen zwischen Influencer-Merkmalen und Nutzerinteraktionen.

Im Konkreten wurden in 3a 151 Instagram-Nutzer interviewed. Der Ablauf war wie folgt:

Nach einer kurzen thematischen Einführung in das Thema Influencer-Marketing wurden den Probanden die Profilbilder zweier fiktiver Influencerinnen (its.-me.sophie und lea.la.vida) gezeigt, von denen sie jeweils einer folgen sollten. Anschließend wurde den Teilnehmern ein manipulierter Ausschnitt, mit entweder einer niedrigen, mittelhohen oder hohen Follower-Anzahl, der Profile gezeigt.

Im Anschluss sollten die Teilnehmer auf einer Skala von 1-7 bewerten, wie hoch ihre Bereitschaft sei, mit gesponsertem Content auf diesen Profilen zu interagieren und wie hoch ihre empfundene Bindungsstärke auf selbiger Skala sei. Die Ergebnisse wurden dann mithilfe einer Varianzanalyse ausgewertet.

Dies brachte folgende Erkenntnisse:

  1. Die Interaktionsbereitschaft nimmt mit abnehmender Follower-Anzahl zu.
  2. Die empfundene Bindungsstärke nimmt mit abnehmender Follower-Anzahl ebenfalls zu.

Zusätzlich wurden weitere Mediatoren (beeinflussender Faktor für eine Beziehung zwischen zwei Variablen), wie Sympathie, sozialer Status oder Expertise, ermittelt. Dennoch ergab das Laborexperiment, dass die Bindungsstärke als dominantester Mediator fungiert.

In 3b wurden Labordaten aus der Eye-tracking Studie und den Interviews (3a) sorgfältig mit den Felddaten der Datenanalyse abgeglichen, Interaktionsraten prognostiziert und durch Varianz-analysen die Rolle von Individualisierungsgrad und Markenbekanntheit entschlüsselt.

Anhand dieses Vergleichs konnte die Hypothese 1, welche die Beziehung von Follower-Anzahl und Interaktionsrate als invertierte U-Kurve vermutet, weiter gefestigt werden.

In Experiment 3c wurde der Einfluss des Anpassungsgrades auf die Wahrscheinlichkeit der Nutzerinteraktion gemessen. Dazu wurden 502 Instagram Nutzer in zwei Gruppen eingeteilt. Der einen Gruppe wurden Inhalte mit hohem Anpassungsgrad gezeigt und der anderen Gruppe Inhalte mit niedrigem Grad an Anpassung. Daraufhin wurden beiden Gruppen jeweils die Profile aus 3a mit niedriger und hoher Reichweite gezeigt und die Ergebnisse mithilfe einer Varianzanalyse ausgewertet.

Die Ergebnisse zeigten, dass in der niedrigen Anpassungsgruppe die Wahrscheinlichkeit der Interaktion mit einem Influencer mit kleiner Anzahl an Followern signifikant höher war als mit einem Influencer mit hoher Anzahl. In der hohen Anpassungsgruppe berichteten Teilnehmer in beiden Reichweiten-Bedingungen über ähnliche Interaktionswahrscheinlichkeiten. Dies deutet darauf hin, dass eine höhere Anpassung des Inhalts den negativen Effekt der Reichweite auf die Interaktionswahrscheinlichkeit abschwächen kann und stützt somit die zweite These.

In Experiment 3d wurde der Einfluss der Markenbekanntheit auf die Beziehung zwischen Reichweite und Interaktionswahrscheinlichkeit untersucht. Durchgeführt mit 484 Instagram-Nutzern zeigte sich, dass in der Gruppe mit hoher Markenbekanntheit die Interaktionswahrscheinlichkeit mit einem Influencer niedriger Reichweite signifikant höher war als mit einem Influencer hoher Reichweite. In der Gruppe mit geringer Markenbekanntheit berichteten die Teilnehmer in beiden Reichweite-Bedingungen über ähnliche Interaktionswahrscheinlichkeiten. Dies verdeutlicht, dass geringere Markenbekanntheit den negativen Effekt der Reichweite auf die Interaktionswahrscheinlichkeit abschwächen kann.

Beide Studien tragen dazu bei zu verstehen, wie Faktoren wie Inhaltsanpassung und Markenbekanntheit den Einfluss des Influencer-Status auf die Interaktion der Nutzer mit gesponserten Inhalten beeinflussen können.

Fazit

Die durchgeführten Studien (1 bis 3a-d) liefern umfassende Einblicke in die komplexen Dynamiken der Nutzerinteraktion mit gesponserten Inhalten auf Social-Media-Plattformen. Zentral für das Nutzerverhalten ist die Reichweite von Influencern, gemessen an ihrer Followeranzahl.

Die erste Studie offenbarte, dass Nutzer mit Influencern höherer Reichweite tendenziell weniger interagieren, was als „Ungleichheitsaversion“ interpretiert wurde. Dies legt nahe, dass eine signifikante Followeranzahl eine Hemmschwelle für Interaktionen schaffen kann.

Die zweite Studie erweiterte diese Erkenntnis, indem sie zeigte, dass die Interaktion nicht allein durch die Reichweite bestimmt wird. Faktoren wie Inhaltsanpassung und Markenfamiliarität wirken als entscheidende Moderatoren. Individuelle Vorlieben und die Bekanntheit der beworbenen Marke formen somit die Kontextabhängigkeit der Interaktion.

Die nachfolgenden Studien (3a-d) vertieften diese Erkenntnisse weiter. Sie betonten, dass die Anpassung des Inhalts ein entscheidender Faktor ist, der den negativen Einfluss der Reichweite auf die Interaktionswahrscheinlichkeit abschwächen kann. Ebenso spielt die Markenbekanntheit eine Rolle, indem sie den Einfluss der Reichweite je nach Bekanntheitsgrad der beworbenen Marke moduliert.

Zusammengefasst verdeutlichen die Studien, dass der Einfluss der Reichweite auf die Nutzerinteraktion nicht isoliert betrachtet werden kann. Es ist entscheidend, die individuellen Präferenzen der Nutzer, die Anpassung des Inhalts und die Bekanntheit der beworbenen Marke zu berücksichtigen. Die Kunst besteht darin, eine ausgewogene Strategie zu finden, die nicht nur den Einfluss der Reichweite maximiert, sondern auch die dynamischen Wechselwirkungen mit Inhalten und Markenberühmtheit nutzt. Marketer können diese Erkenntnisse nutzen, um wirkungsvolle Influencer-Marketingkampagnen zu entwickeln, die die Vielschichtigkeit des Nutzerverhaltens auf Social-Media-Plattformen berücksichtigen.

Limitationen und Ausblick für künftige Forschung

Die vorliegende Studie weist einige Einschränkungen auf, die Anregungen für zukünftige Forschung bieten. Erstens ist es in den vorliegenden Felddaten nicht möglich zu ermitteln, ob dieselben oder unterschiedliche Nutzer für die Interaktion mit gesponserten Inhalten verantwortlich sind. Auch wenn keine Anzeichen darauf hindeuten, dass Nutzer ihr Interaktionsverhalten systematisch auf verschiedene Metriken verteilen, könnten zukünftige Studien individuelle Daten nutzen, um diese Frage genauer zu untersuchen.

Zweitens stützt sich der Rahmen der Studie auf der Annahme, dass Follower aktiv am Geschehen teilnehmen. Es gibt jedoch Nutzergruppen, die soziale Medien lediglich passiv nutzen, ohne die Absicht zur Interaktion. Wie sich diese Gruppen in Bezug auf die Influencer-Reichweite verhalten, bedarf weiterer Untersuchungen.

Drittens erfolgt die gemessene Interaktion innerhalb von 24 Stunden für Stories und 48 Stunden für Posts. Der genaue Zeitpunkt der Interaktion bleibt dabei unklar. Künftige Forschung könnte die Geschwindigkeit der Interaktion genauer untersuchen, um ein detaillierteres Bild zu erhalten.

Viertens sollte fortlaufende Forschung die Rolle der Influencer-Reichweite auf anderen Social-Media-Plattformen mit unterschiedlichen Zielen, wie geschäftsorientierten Netzwerken (z. B. LinkedIn), analysieren.

Fünftens, während die Influencer-Reichweite als ein Signal betrachtet wird, das Follower nutzen, um die Stärke ihrer Bindung zu beurteilen, könnten einige Follower auch persönlich mit einem Influencer interagiert haben. Daher wäre es interessant zu untersuchen, wie solche persönlichen Interaktionen die Wirksamkeit die Influencer-Reichweite als Signal beeinflussen.

Quelle: https://www.researchgate.net/publication/362956735_EXPRESS_Finding_Goldilocks_Influencers_How_Follower_Count_Drives_Social_Media_Engagement

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