Dynamic Pricing – mit differenzierten Preisen Chancen am Markt nutzen

Einleitung

Im Zuge der zunehmenden Nutzung von digitalen Medien von Konsumenten gibt es immer mehr personenspezifische Daten, die bei der Preisgestaltung berücksichtigt werden können. Mithilfe von Software-Tools wie das Dynamic Pricing werden in den Unternehmen Preise berechnet und an Nachfragegegebenheiten angepasst.[1]

Jeder Kunde hat eine unterschiedliche Zahlungsbereitschaft und unterschiedliche Nutzenpräferenzen. Beispielsweise hat ein Student in der Regel weniger Budget zur Verfügung als ein Berufstätiger in höherer Position. Ein Unternehmen erreicht beim Setzen eines einheitlichen Preises keine Konsumenten mit einer niedrigeren Zahlungsbereitschaft als die des Preises. Das Unternehmen gibt bei Konsumenten mit einer höheren Zahlungsbereitschaft als des Einheitspreises mehr Konsumentenrente her, als es zusätzlich abschöpft. Somit bieten die verschiedenen Zahlungsbereitschaften strategische Ansatzpunkte zur Optimierung.
Ein preispolitisches Instrument für das Ausschöpfen der unterschiedlichen Zahlungsbereitschaften ist das Dynamic Pricing.

Dynamic Pricing

Beim Dynamic Pricing werden viele verschiedene Faktoren berücksichtigt. Laut einer Studie der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien gehören zu diesen Faktoren beispielsweise der Kaufzeitpunkt, die Dringlichkeit, der Standort, der Vertriebskanal und die Endgeräte. Aufgrund dessen, dass viele Marktfaktoren bei der Kalkulation des Preises berücksichtigt werden, ist eine Berechnung ohne eine unterstützende Computer-Software nur schwer möglich.[2]

Der Anbieter prudsys unterteilt dabei die Dynamic Pricing Software Arten in drei Kategorien [3]: Repricing, Predictive-Analytics und Dynamic Pricing, laut prudsys ist die niedrigste Stufe von Dynamic Pricing das Repricing.

Beim Repricing werden Repricing Roboter eingesetzt, die permanent die Preise im Bezug zu den Wettbewerbern überprüfen und dementsprechend dynamisch anpassen.
Das Ziel vom Repricing ist eine möglichst hohe Platzierung auf Marktplätzen wie zum Beispiel Amazon und Ebay und in Produktsuchmaschinen. Die zweite Kategorie umfasst die „systemgestützten regelbasierten Tools“. Im Vergleich zum Repricing werden bei dieser Art von Software eine Vielzahl an unternehmenseigenen Regeln bei der Preiskalkulation verwendet. Eine beispielhafte Unternehmensregel könnte die Berücksichtigung der Markenbekanntheit im Markt sein. Mit steigender Anzahl von Regeln steigt der manuelle Pflegeaufwand und diese werden hingegen des dynamischen Pricings statisch umgesetzt. Auch eine Vorhersage des Kundenverhaltens, ein sogenannter Predictive-Analytics-Ansatz, wird mit Hilfe von „Shopper Insights“ entwickelt.[4]

Predictive-Analytics-Verfahren basieren auf einer Vielzahl von Daten (Big Data) und identifizieren auf Grundlage statistischer Modelle und Algorithmen Beziehungen in den historischen Daten, diese werden auf zukünftige Entwicklungen übertragen.
Die dritte Kategorie ist das Dynamic Pricing und verwendet das Algorithmic Machine Learning sowie das Prescriptive Automatic Pricing. Dynamic Pricing in dieser Stufe ist laut prudsys noch nicht sehr stark auf dem Markt verbreitet. In meiner Auseinandersetzung mit dem Thema Dynamic Pricing am deutschen Markt kann ich diese Aussage bestätigen. Der Algorithmus, der sich hinter dieser Art von Software verbirgt, lernt anhand der Business Rules der Händler und der Zielvorgabe wie z.B. Umsatzmaximierung, Bestandsoptimierung oder Gewinnmaximierung selbstständig dazu. Um exakte Prognosen über die Preisakzeptanz für jeden Artikel zu treffen, berechnet der Dynamic-Pricing- Algorithmus die Preiselastizität der Nachfrager, die im Zuge des Machine Learnings ermittelt wurde. Zusätzlich wird der Wettbewerberpreis, aber im Gegensatz zum Repricing nur als gewichteter Faktor bei der Kalkulation des optimalen Preises berücksichtigt. Weitere Preisbildungsfaktoren können beispielsweise das Wetter, Saisonzeiten, Bestandsinformationen und die eigene Markenstärke des Anbieters sein. Am meisten analysiert diese Technologie auf Basis von Real-Time-Traffic-Data im Reinforcement Learning. Beim Reinforcement Learning lernt die künstliche Intelligenz des Algorithmus durch Messen einer Absatzänderung, einer selbstständigen Anpassung des Preises und dem Austesten von Preisakzeptanzschwellen. Es ist ein permanenter Kreislauf aus Preisaktion und Analyse der daraus resultierenden Kundenreaktionen. Parallel zum Predictive-Analytics-Ansatz gibt ein Algorithmus im Prescriptive-Automatic-Ansatz auf Basis von Prognosen nicht nur Vorschläge, sondern setzt diese auch direkt und automatisiert um.[5]

Bei dem Anbieter blue yonder basiert die Software ebenfalls auf dem Prinzip des Algorithmic Machine Learnings. Der NeuroBayes Algorithmus arbeitet dabei wie folgt: [6]

Abbildung 1: NeroBayes Algorithmus von blue yonder21
Abbildung 1: NeroBayes Algorithmus von blue yonder21

Wie in Abbildung 1 zu sehen ist, werden als erstes die historischen und aktuellen Daten unter Berücksichtigung der strategischen Ziele, der Preispolitik, der geltenden Preisbildungsregeln, der Verkaufshistorie und externe Faktoren wie Wettbewerbspreise analysiert. Anhand dieser Informationen werden verschieden Preise getestet und die damit verbundene Preiselastizität gemessen. Der daraus als optimal resultierender Preis wird daraufhin angepasst und integriert. Täglich werden somit automatisierte Preisentscheidungen getroffen und umgesetzt.

Dynamic Pricing in der Praxis

Rudimentäre Ansätze von Dynamic Pricing speziell im E-Commerce lassen sich zum Beispiel bei dem Auktionshaus 1-2-3.tv wiederfinden. Bei dem Auktionshaus gibt sogenannte Holländische Aktionen, Preisdifferenzierungen 1.Grades. Bei einer holländischen Aktion sinkt der Preis mit zunehmenden Käufen bis der Lagerbestand abverkauft ist. Bei einer Live Auktion nach diesem Prinzip konnte ich diesen Effekt beobachten.[7]

Abbildung 2 Preisveränderungen bei einer Liveauktion auf 1-2-3.tv
Abbildung 2 Preisveränderungen bei einer Liveauktion auf 1-2-3.tv

Mit abnehmendem Lagerbestand sank der Preis und mit den animierten Pfeilen wurde die Veränderung des Preises und Bestands angedeutet, um vermutlich bei dem Kunden eine gewisse Spannung zu erzeugen. Fraglich ist jedoch bei der Verwendung dieser Aktion auf 1-2-3.tv, weshalb letztendlich jeder Käufer die Ware zu dem günstigsten Preis erhält. Aus der Sicht des Unternehmens werden nun alle Artikel zur reduzierten Marge verkauft, anstatt dass durch die verschiedenen Preise, die mit der individuellen Zahlungsbereitschaft verbundene Konsumentenrente des Kunden, abgeschöpft wird. Die Spannung wird durch das Prinzip der Angebotsverknappung erzeugt, so dass der Kunde bei zu langer Gedenkzeit eventuell kein Produkt mehr erhält.
Neben dem konkurrenzbasierten Pricing gibt es noch viele weitere Ansätze, die im Markt verbreitet sind.

Das amerikanische Unternehmen Orbitz bestätigte 2012 dem Wall Street Journal gegenüber, dass sie ihre Preise anhand der verschiedenen Endgeräte variieren. Orbitz hatte die verschiedenen Benutzerkonten der Kunden analysiert und daraus abgeleitet, dass Apple-Benutzer Luxushotels vorziehen und bis zu 30 Prozent mehr für eine Übernachtung zahlen als Windows Nutzer. Resultierend aus den Erkenntnissen wurde daraufhin den Apple-Nutzern höhere Preise beim Buchen eines Hotelzimmers angeboten, als den Windows Nutzern.[8]

Ein weiteres Beispiel für dynamisches Pricing ist der Verkauf von Google Adwords Anzeigen in Auktionen. Innerhalb von Millisekunden werden von dem Kunden über vorher festgelegte Strategien Gebote abgegeben, um die beste Platzierung der Anzeige zu erzielen.

Fazit

Dynamische Preisanpassungen bilden sowohl für die Unternehmen als auch für den Verbraucher gewisse Chancen und Risiken. Mit einer besseren Abschöpfung der Zahlungsbereitschaft der Kunden können bei Unternehmen die Erlöse maximiert werden. Außerdem kann mit Hilfe einer intelligenten Softwareunterstützung die Preispolitik im Vergleich zur Konkurrenz optimiert werden. Besitzt ein Unternehmen beispielsweise keine umfangreiche Kenntnis über die aktuellen Preise der Wettbewerber im Markt, kann es passieren, dass das Unternehmen die Produkte im Vergleich zur Konkurrenz oftmals günstiger verkauft, obwohl die höheren Preise des identischen Produkts bei den Wettbewerbern ebenfalls nachgefragt werden. Somit hätte das Unternehmen im Vergleich zur Konkurrenz weniger von der Konsumentenrente als Gewinn abgeschöpft.
Neben der Bestands- und Gewinnoptimierung besteht bei Unternehmen dank Dynamic Pricing auch Potential bei der Neukunden Generierung. Durch individuelle Preise können auch neue Kundengruppen angesprochen werden, deren Zahlungsbereitschaft normalerweise unterhalb des Marktpreises liegen würde. Nicht nur das Unternehmen profitiert dabei von einem Mehrkonsum, sondern auch die Kundengruppe, die sonst keinen ansprechenden Preis bei dem Anbieter erhalten hätte. Hierbei ist jedoch zu betonen, dass es wichtig ist, dass die Zahlungsbereitschaft der Kunden richtig eingeschätzt wird. Sollte die Zahlungsbereitschaft falsch eingeschätzt werden, profitieren am Ende mehr Kunden davon. Dies ist aus Unternehmenssicht ärgerlich und das Unternehmen verliert letztendlich Anteile der Produzentenrente.

Quellen

[1] Vgl. Diller, Hermann (2008) Preispolitik, 4.Auflage, Stuttgart: W. Kohlhammer
[2] Vgl. Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien (2015) Studie: Dynamic Pricing- Die Individualisierung von Preisen im E-Commerce, Wien: Eigenvervielfältigung (Abruf 24.10.2016)
[3] Vgl. Schuler, Boris (2016) „Pricing-Software: Dynamic Pricing vs. Repricing und andere Tools“ (Abruf 24.10.2016)
[4] Vgl. Schuler, Boris (2016) „Pricing-Software: Dynamic Pricing vs. Repricing und andere Tools“ (Abruf 24.10.2016)
[5] Vgl. Schuler, Boris (2016) „Pricing-Software: Dynamic Pricing vs. Repricing und andere Tools“ (Abruf 24.10.2016)
[6] Fischer Dr., David (2016) „How Big Data Drives Supply Chain Optimization“ im Rahmen eines Gastvortrages an der Fachhochschule Wedel im Fach Category Management
[7] Abruf 26.10.16 https://www.1-2-3.tv/tv-auktion/ 14.00 Uhr
[8] Spiegel-Online (2011) „Datenauswertung im Web: Apple-Nutzer zahlen mehr für Hotelzimmer“ (Abruf 30.10.2016)

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