Dynamic Pricing – Fluch oder Segen für den Kunden?

Viele Händler im E-Commerce nutzen die Möglichkeit zur dynamischen Preisgestaltung
Viele Händler im E-Commerce nutzen die Möglichkeit zur dynamischen Preisgestaltung. Quelle: https://www.linkedin.com/pulse/20140814193544-49814607-dynamic-pricing-the-future-of-ecommerce-in-india

Wer heutzutage im Internet nach dem Preis für ein bestimmtes Produkt sucht, wird mit vielen verschiedenen Preisen konfrontiert. Ausgelöst wird dies durch eine Vielzahl von Anbietern, die versuchen den größtmöglichen Profit zu machen. Doch bleibt der Kunde dabei auf der Strecke oder schafft er es, einen Vorteil aus der Lage zu ziehen?

Was ist Dynamic Pricing?

Diese Frage stellt sich so mancher Nutzer, der noch nie von diesem Wort gehört hat. Dabei nutzen laut einer Studie des deutschen E-Commerce Verbandes bereits 40 Prozent der befragten Unternehmen die Möglichkeit zum Dynamic Pricing, Tendenz steigend[1]. Doch wieso gerade jetzt?

Zunächst einmal gibt es Dynamic Pricing schon seit vielen Jahren[2]. Mit dem Erstarken des Internet Handels hat sich die Anzahl der E-Commerce Anbieter jedoch stark erhöht, wodurch es zu mehr Wettbewerb gekommen ist. Mithilfe der dynamischen Preisgestaltung versuchen die einzelnen Händler, mehr Gewinn als ihre Konkurrenten zu machen, um somit wettbewerbsfähig zu bleiben. Das heißt, sie nutzen Software von externen Anbietern, die es ihnen ermöglicht, den Preis dynamisch zu ändern. Dieser wird anhand verschiedener Regeln bestimmt. Einer der Hauptfaktoren ist dabei das Preisverhalten der Wettbewerber, da diese mit ihrer Preissetzung versuchen, den Kunden zu erreichen[3]. So kommt es, dass viele Preise für ein und dasselbe Produkt im Internet zu finden sind. Auf dem nachfolgenden Bild ist diese Preisvielfalt anhand von einer Waschmaschine exemplarisch dargestellt.

Beispielhafter Preisverlauf einer Waschmaschine. Quelle: module.zdf.de/wiso-dynamische-preise-im-netz/
Beispielhafter Preisverlauf einer Waschmaschine. Quelle: module.zdf.de/wiso-dynamische-preise-im-netz/

Der Kunde ist im Zeitalter von steigender Transparenz durch das Internet daran gewöhnt, dass der nächste Anbieter immer nur ein Klick weit entfernt ist. Das führt allerdings dazu, dass die jeweiligen Verkaufsplätze an Relevanz verlieren, da sie austauschbar geworden sind. Im Fokus des Kunden steht heutzutage der Preis. Deshalb ist es für den Online Händler sehr wichtig, diesen zu optimieren und wenn möglich genau auf den Kunden zuzuschneiden.

Höhere Preise für Apple Nutzer?

Um diese Individualisierung zu ermöglichen, gibt es verschiedene Faktoren, nach denen die Unternehmen den Preis im Online Handel differenzieren: Zeitpunkt, Standort und Endgerät.

Betrachtet man zunächst den Zeitpunkt, so lässt sich ein Anstieg der Preise zu Tageszeiten feststellen, an denen viele Nutzer online sind. Genauso verhält es sich, laut eines Berichtes des Preisbeobachtungsdienstes Spottster, mit den Tagen in der Woche. Demnach ist das Online-Shoppen am Wochenende eher teurer[4].

Aber nicht nur der Zeitpunkt spielt eine Rolle, sondern auch der Standort. So wird beispielsweise an Orten mit einer höheren Kaufkraft der Kunden der Preis erhöht, um dadurch die größere Zahlungsbereitschaft auszunutzen. Bei mobilen Endgeräten wird dazu das GPS benutzt, auf stationären Geräten hingegen meist die IP.

Der dritte wichtige Faktor ist das Endgerät mit dem jeweiligen Betriebssystem. Oft hört man davon, dass Apple Nutzer einen höheren Preis angezeigt bekommen. Dies wird auch teilweise durchgeführt, da diesen Nutzern eine höhere Kaufkraft unterstellt wird. Des Weiteren kann man zum Beispiel niedrigere Preise auf dem Desktop PC im Vergleich zum Handy beobachten[5]. Diese sollen dazu dienen den Kunden anzusprechen, da er auf einem Desktop PC potentiell näher an der Kaufentscheidung ist als am Handy.

Grundsätzlich muss jedes Unternehmen selber wissen, nach welchen Faktoren es seine Preise differenziert oder ob es sich nur nach den Preisen der Wettbewerber richtet. Die Differenzierung kann eine bessere Ausschöpfung der Zahlungsbereitschaften bieten. Fällt diese Art der Preissetzung allerdings dem Kunden negativ auf, so können die Folgen wesentlich schwer wiegender sein[6].

Chance oder Risiko?

Wie am Beispiel der Apple Kunden zu erkennen ist, besteht die Gefahr, dass einigen Nutzern höhere Preise angezeigt werden als anderen Personen. So kann es sein, dass diese einen höheren Preis zahlen müssen, ohne das überhaupt mitzubekommen oder aktiv etwas dagegen unternehmen zu können. Zusätzlich besteht das Problem, dass selbst bei Bewusstsein von Dynamic Pricing die Kunden nicht wissen, wonach das Unternehmen seine Preise differenziert. Somit ist es für sie nicht möglich, einen niedrigeren Preis zu erzielen. Des Weiteren ergibt sich das Problem, dass Stammkunden durch die dynamische Preisgestaltung benachteiligt werden[7]. Viele Unternehmen versuchen mithilfe von Sonderangeboten Neukunden zu gewinnen, ohne hierbei zu beachten, dass Stammkunden diese Angebote meist nicht nutzen können oder nicht einmal angezeigt bekommen. Somit kann es schnell zu Verärgerung auf Seiten des Kunden kommen.

Auf der anderen Seiten können sich dem Kunden auch viele Vorteile bieten. So ist die Preislage im Internet durch die hohe Transparenz und den starken Konkurrenzkampf generell auf einem niedrigen Niveau. Dies ermöglicht es Kunden zu niedrigeren Preisen einzukaufen als beispielsweise im stationären Handel. Zusätzlich besteht  die Chance auf Schnäppchen, da sich die verschiedenen Unternehmen teilweise gegenseitig unterbieten, wodurch es zu starken Schwankungen kommt.

Generell müssen Kunden Zeit und Geduld mit sich bringen, um im Online-Geschäft konstant zu niedrigen Preisen einkaufen zu können. So ist zum Beispiel ein Vergleich des Preises eines bestimmten Produktes essentiell, um einen guten Preis zu erzielen. Dies kann mit verschiedenen Preisvergleichsseiten erreicht werden. Weiterhin ist ein Beobachten der Preise über einen längeren Zeitraum wichtig, da so zum einen ein Gefühl für den Preis entwickelt wird und zum anderen gute Angebote nicht verpasst werden. Für Kunden, die alle Möglichkeiten ausschöpfen wollen, besteht zudem die Option, das Endgerät zu wechseln oder die Cookies zu löschen. Allerdings ist hierbei zu beachten, dass der Preis nach diesen Aktionen auch höher sein kann als vorher.

Der Kunde ist entscheidend

Fasst man die Ergebnisse zusammen, lässt sich weder ein klarer Vorteil, noch ein klarer Nachteil für den Kunden ableiten. Vielmehr kommt es auf jede einzelne Person an, was sie aus ihren gegebenen Möglichkeiten macht. So kann Dynamic Pricing für viele Kunden, die sich mit diesem Thema nicht auseinandersetzen, zu einem höheren Preis im Online-Geschäft führen. Für preissensible Kunden kann die dynamische Preisgestaltung hingegen eine Möglichkeit zu besseren Angeboten und niedrigeren Preisen sein. Allerdings ist hierfür ein gewisser Aufwand erforderlich. Ob ein Kunde bereit ist, diesen Schritt zu gehen, entscheidet dann letztendlich, in welcher Form er einen Nutzen aus Dynamic Pricing ziehen kann.


Quellen:

[1] Vgl. Pressemitteilung BEVH (2016): Positiv-Trend hält an: Konjunkturelle Lage des Interaktiven Handel weiterhin auf hohem Niveau

[2] Vgl. Benning, Maria (2000): Amazon.com verwirrt mit browserabhängigen Verkaufspreisen

[3] Vgl. Händlerstudie BEVH (2016, S. 27): Die Wirtschaftslage im deutschen Interaktiven Handel B2C 2015/2016

[4] Vgl. Gassmann, Michael; Reimann, Erich (2015): Wann Sie im Internet am billigsten einkaufen

[5] Vgl. Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen (2014): Warnung vor Onlineshopping mit Handy, Tablet und iPad: Ärgernisse und falsche Preise

[6] Vgl. Kalka, Regine; Krämer, Andreas (2016): Dynamic Pricing: Verspielt Amazon das Vertrauen seiner Kunden?

[7] Vgl. Kolbrück, Olaf (2015): Dynamic Pricing im Graubereich: Wenn der Stammkunde der Dumme ist

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