Die rasante Verbreitung von Smart Speakern zeigt, dass die Sprache als Interaktionsmedium relevanter denn je ist.1 Allein in Deutschland gibt es mittlerweile mehr als 10 Millionen Nutzer von Amazon Echo, Google Home und co.2 Diese Entwicklung ist insbesondere für den Bereich der Suchmaschinenoptimierung interessant. Bereits 2020 sollen laut Prognosen mindestens die Hälfte aller Suchanfragen über Bild oder Sprache, also frei von der textbasierten Eingabeform getätigt werden.3 Für SEO-Marketer stellt sich folglich die Frage, ob die zunehmende Nutzung der Spracheingabe bei Suchmaschinen eine Auswirkung auf die Formulierung von Suchanfragen hat. Denn sollte dies der Fall sein, so müssen sich womöglich bestehende SEO-Maßnahmen an das veränderte Suchverhalten der Nutzer anpassen, um auch bei Voice Search gute Rankings zu erzielen.
Empirische Untersuchung: Verändert die Sprachsuche das Suchverhalten?
Dieser Beitrag basiert auf einer empirischen Untersuchung, die die Formulierung von sprach- und textbasierten Suchanfragen analysiert hat, um darauf aufbauend Empfehlungen geben zu können, wie Webseitenbetreiber ihre Inhalte für die Suche per Spracheingabe optimieren können (sog. Voice Search Engine Optimization).
Hypothesen
Die gegenwärtige Annahme ist, dass sich mit dem zunehmenden Anteil an gesprochenen Suchanfragen das Suchverhalten der Nutzer mehr und mehr einer natürlichen Sprache annähert.4 Wer bei der Sprachsuche relevant sein möchte, sollte sich von kurzen, knappen Schlagwörtern, wie man sie von der Textsuche kennt, verabschieden, heißt es.5 In dieser Studie wurden auf Basis dieser allgemein vorherrschenden Meinung und ersten wissenschaftlichen Untersuchungen zu diesem Thema Hypothesen gebildet, die zwei Teilbereiche der Suchanfragen-Formulierung untersuchen sollten.
Hypothese I
Sprachsuchanfragen werden im Vergleich zu Textsuchanfragen häufiger als Satz formuliert.
Hypothese II
Sprachsuchanfragen enthalten im Vergleich zu Textsuchanfragen häufiger ein Fragewort (W-Wort).
Untersuchungsaufbau und -ablauf
Im Zeitraum vom 27.11 – 05.12.2018 wurde eine experimentelle Felduntersuchung durchgeführt. Insgesamt 60 Probanden im Alter von 16 – 38 Jahren wurden gedanklich in zwei Szenarien versetzt, in denen sie entweder per Sprach- oder Texteingabe nach Informationen über eine Internet-Suchmaschine suchen sollten. Das erste Szenario umfasste dabei eine Suche nach einem italienischen Restaurant im Hamburger Stadtteil Barmbek zum Pizza essen. Im zweiten Szenario befanden sich die Probanden zu Hause und mussten beim Backen in der Küche nach einer Maß-Umrechnung (Gramm in Teelöffel) suchen. Insgesamt ließen sich so 120 Suchanfragen (60 Suchanfragen per Text; 60 Suchanfragen per Sprache) evaluieren, welche anschließend ausgewertet und analysiert wurden. Darüber hinaus wurden von jedem Probanden im Zuge einer Vor- und Nachbefragung weitere Daten, wie demografische Informationen oder bisher gesammelte Erfahrungen mit dem Thema Voice Search, erhoben, welche im Forschungsdesign als Kovariablen aufgenommen werden sollten.
Schon die erhobene Datenbasis zeigte eine erste Tendenz, welche in der nachgelagerten Auswertung noch einmal genauer untersucht werden sollte.
Die folgende Abbildung erklärt die angewendete statistische Methodik und zeigt die definierten unabhängigen und abhängigen Variablen sowie die zusätzlich erhobenen Kovariablen.
Auswertung und Hypothesenprüfung
Die erhobenen Daten wurden mit einer binären logistischen Regression statistisch ausgewertet, um die im Modell signifikant wirkenden Variablen zu identifizieren. Dabei wurde für jede abhängige Variable, welche ausgehend von der jeweiligen Hypothese gebildet wurde, ein Regressionsmodell erstellt und damit die Wirkung der unabhängigen Variablen und Kovariablen auf jene abhängige Variable analysiert. Die erhaltenen Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Hypothese I
Das Regressionsmodell zeigte, dass sowohl bei der Eingabeform Sprache als auch bei dem Szenario Maß-Umrechnung eine Formulierung der Suchanfrage als Satz häufiger zu erwarten ist. Auch bei dem Geschlecht Weiblich wurde dieses Verhalten nachgewiesen. Die Hypothese I kann somit angenommen werden. Auf Basis der Studiendaten lässt sich prognostizieren: Sprachsuchanfragen werden mit einer Wahrscheinlichkeit von 70% als Satz formuliert. Bei Textsuchanfragen liegt diese Wahrscheinlichkeit bei 5%.
Hypothese II
Im zweiten Regressionsmodell konnte nachgewiesen werden, dass die Eingabeform Sprache und das Szenario Maß-Umrechnung eine häufigere Verwendung von Fragewörtern in Suchanfragen hervorrufen. Somit kann auch die zweite Hypothese angenommen werden. Hier zeigt sich: Sprachsuchanfragen enthalten mit einer Wahrscheinlichkeit von 60% ein Fragewort. Bei Textsuchanfragen liegt diese Wahrscheinlichkeit bei 12%.
Unsere Empfehlungen: Suchmaschinenoptimierung für Voice Search
Mit der empirischen Untersuchung wurde nachgewiesen, dass gesprochene Suchanfragen weitaus häufiger als Satz formuliert werden und zudem in vielen Fällen ein Fragewort enthalten. Diese Ergebnisse stehen also im Einklang mit der allgemein gegenwärtigen Meinung, dass die Sprachsuche und damit auch die daraus resultierenden Suchanfragen einer natürlichen Sprache folgen.6 Für den Bereich der Suchmaschinenoptimierung ergibt sich somit ein Handlungsbedarf. Da sich sprach- und textbasierte Suchanfragen voneinander unterscheiden, müssen bestehende SEO-Maßnahmen auf die Suche per Sprache angepasst werden. Nur so können Webseiten ihr Ranking bei Voice Search-Anfragen verbessern. Folgende Maßnahmen empfehlen wir auf Basis der Untersuchungsergebnisse:
Ganze Sätze oder Satzteile in den Fokus der Optimierung stellen
Keywords bestehen fortan nicht mehr nur aus wenigen, aneinandergereihten Schlagwörtern. Bei der Sprachsuche bilden ganze Sätze oder zumindest Satzteile die Keywords. Daher sollten diese auch ins Zentrum der Optimierung rücken. Es bietet sich an, herkömmliche On-Page-Maßnahmen, wie Anpassen der Metadaten und Gestalten der textuellen Inhalte der Seite, auf Keywords auszurichten, die einer natürlichen Sprache folgen. Wichtig ist es hierbei, insbesondere den Kontext und die Intention des Nutzers zu beachten. Seit dem Hummingbird Update im Jahr 2013 nutzt Google eine semantische Suche.7 Damit kann die Suchmaschine Wortgruppen und deren Beziehungen zueinander besser interpretieren und verarbeiten.8 Für SEO-Marketer bedeutet dies, sich nicht vor langen Keywords, die einer grammatikalischen Satzstruktur folgen, zu scheuen, sondern diese ganz bewusst als Basis für Optimierungsmaßnahmen zu nutzen.
Informative Inhalte als Frage-und-Antwort-Szenario abbilden
Es wurde nicht nur nachgewiesen, dass gesprochene Suchanfragen häufiger als Satz formuliert werden, sondern auch, dass diese häufiger ein Fragewort beinhalten. Dies deutet darauf hin, dass bei der Sprachsuche das Frage-und-Antwort-Szenario in den Vordergrund rückt. Wer als Webseitenbetreiber bei informationslastigen Suchanfragen künftig eine der Top-Positionen im Ranking erreichen möchte, muss sich dieser veränderten Form der Fragestellungen bewusst sein. Es wird folglich nicht mehr ausreichen, Fragestellungen des Nutzers allein durch themenverwandte Keywords abzudecken. Viel mehr müssen diese als eigenständige Phrasen betrachtet und mittels On-Page-Maßnahmen in die Seite integriert werden. Eine klar strukturierte Frage-Antwort-Sektion eignet sich hier als ideale Darstellungsform. Diese folgt dem konversations-zentriertem Ansatz der Sprachassistenten und macht die Informationen einfach für Suchmaschinen erfassbar. Außerdem lässt sich auf Basis der Ergebnisse ableiten, dass sofern Fragestellungen verwendet werden, diese mit einem entsprechenden W-Wort zu formulieren sind, um eine möglichst hohe Übereinstimmung mit der vom Nutzer formulierten Suchanfrage zu gewährleisten.
Anmerkung: Die gesamten Untersuchungsergebnisse in Form der wissenschaftlichen Ausarbeitung können bei Interesse bei der Fachhochschule Wedel angefragt werden. Nutzen Sie hierzu bitte das Kontaktformular dieses Blogs.
Literatur
[1] Koetsier, John (2018) „Smart Speaker Users Growing 48% Annually, To Hit 90M In USA This Year”, URL: https://www.forbes.com/sites/johnkoetsier/2018/05/29/smart-speaker-users-growing-48-annually-will-outnumber-wearable-tech-users-this-year/#75ef493b5dde (Letzter Abruf: 18.01.2019).
[2] McNair, Corey (2019) „Global Smart Speaker Users 2019: Trends for Canada, China, France, Germany, the UK and the US”, URL: https://www.emarketer.com/content/global-smart-speaker-users-2019 (Letzter Abruf: 18.01.2019).
[3] Dormehl, Luke (2014) „Inside Baidu’s Plan To Beat Google By Taking Search Out Of The Text Era”, URL: https://www.fastcompany.com/3035721/baidu-is-taking-search-out-of- text-era-and-taking-on-google-with-deep-learning (Letzter Abruf: 18.01.2019).
[4], [5], [6] May, Bernard (2018) „Hey Google, How Do I Optimize For Voice Search?”, URL: https://www.forbes.com/sites/forbesagencycouncil/2018/08/20/hey-google-how-do-i-optimize-for-voice-search/#7916b8fd3800 (Letzter Abruf: 18.01.2019).
[7], [8] Gesenhues, Amy (2013) „Google’s Hummingbird Takes Flight: SEOs Give Insight On Google’s New Algorithm”, URL: https://searchengineland.com/hummingbird-has-the-industry-flapping-its-wings-in-excitement-reactions-from-seo-experts-on-googles-new-algorithm-173030 (Letzter Abruf: 18.01.2019).