„Durch Nutzung neuester Technologien […] sind wir in der Lage, die Performance Ihrer Display Kampagnen auf ein neues Level zu heben.“ [1]
Real Time Advertising
Funktionsweise des Real Time Advertisings/ Real Time Biddings
Das obige Zitat bezieht sich auf das sogenannte Real Time Advertising (RTA). Das RTA ist ein Konzept des automatisierten Handels von freien Werbeflächen innerhalb des Display Advertisings. Der Begriff Real Time Bidding (RTB) beschreibt die dafür notwendige technische Plattform. Das Display Advertising ist die Werbeeinblendung von Bannern im Internet, welche sich an Internetnutzer mit dem Ziel der bestmöglichen Vermarktung bestimmter Produkte oder Dienstleistungen richtet. Im Display Advertising wird mit der Kennzahl TKP ein bestimmter Geldbetrag festgelegt, durch den ein Werbetreibender mit seiner Werbemaßnahme 1.000 Kontakte (Ad Impressions) erreicht. In diesem klassischen Media-Einkauf werden Umfelder mit einem fixen Abnahmevolumen eingekauft. Die Werbung wird auf fachbezogenen Webseiten platziert mit der Annahme, dass sich auf diesen Webseiten potenzielle Interessenten befinden. Aufgrund der fehlenden Transparenz wird jedoch eine breite und unbekannte Masse der User angesprochen. Dieser Umstand führt zu Streuverlusten der Werbewirkung. Das RTA versucht der Ineffizienz des Display Advertisings mithilfe der zielgruppenspezifische Ansprache entgegen zu wirken. Eine Zielgruppe soll unabhängig von der Webseite überall dort angesprochen werden, wo sie sich momentan befindet. [2], [3] Dabei stellt der eTKP (effektiver Tausender Kontakt Preis) den Preis für die Werbekontaktchance dar. [4], [5] Vergleichbar mit dem Auktionsverfahren wie z.B. bei ebay.com sind auch hier Anbieter und Nachfrager eines bestimmten Produktes vertreten. Beispielsweise ist die Online-Zeitschrift Bild.de ein Anbieter einer freien Werbefläche und demnach ein Publisher. Ein beliebiger Shop x ist der Advertiser und repräsentiert einen der Nachfrager im RTB. Das zu versteigernde Produkt ist die freie Werbefläche. Mit der folgenden Abbildung wird der Prozess im RTB erklärt. Im ersten Schritt befindet sich ein User auf der Webseite von Bild.de. Daraufhin erfolgt die Versteigerung bzw. Ersteigerung der Werbefläche im Hintergrund, da Advertiser und Publisher über die technische Plattform miteinander verbunden sind. Im dritten Schritt wird der Werbebanner von Shop x optimalerweise in weniger als 100 Millisekunden (angenommen Shop x ist der Höchstbietende) auf Bild.de dem User eingeblendet.
Akteure und ihre Aufgaben im Real Time Advertising
Im RTB existieren verschiedene Agenturen, die sowohl mit Publishern als auch mit Advertisern zusammen arbeiten. Im Folgenden werden mit dem wiederholten Hinweis auf die nächste Abbildung lediglich die drei wichtigsten Akteure vorgestellt.
Das Ökosystem Supply Side Platform (SSP)
Mit dem Publisher, dem Ad Exchange und gegebenenfalls dem Ad Network, bildet die SSP das Ökosystem der Sell Side (auch Supply Side genannt). Eine SSP fungiert als Servicedienstleister für den Publisher und gewährleistet den optimalen Verkauf seines Werbeinventars. Durch das Programmatic Selling (automatisiertes Buchungssystem) spart der Publisher Personal- sowie Materialkosten. Zudem verkauft die SSP die freie Werbefläche nach dem Prinzip der Vickrey-Auktion dem Höchstbietenden und verantwortet somit das Yield Management des Publishers. [8]
Das Ökosystem Demand Side Platform (DSP)
Die DSP als Dienstleister für den Advertiser auf der Buy Side ist an die SSP angeschlossen. Eine Kampagne ist in Eigenregie oder mit dem Managed Service DSP möglich. Die DSP prognostiziert welches Werbemittel der Kampagnen des Advertisers sich am besten für die Platzierung auf der angebotenen Werbefläche eignet. Im deutschen Markt ist RTA noch ein vergleichsweise junges Thema mit entsprechend viel Potenzial. Advertiser müssen daher genau prüfen, ob eine DSP über die notwendigen Funktionalitäten in Bezug auf technische Infrastruktur, Inventarspektrum, Datenmanagement und einem effizienten Algorithmus für maschinelles Lernen verfügt. [9]
Data Management Platform (DMP) und die zentrale Rolle von Big Data
Die DMP ist entweder als externe Plattform an die DSP angebunden oder sie ist bereits in der DSP integriert. Daten von Usern in Form von unternehmenseigenen First-Party-Data oder auch zugekaufte Third-Party-Data werden in der DMP gesammelt, aggregiert und schließlich segmentiert. Die DMP stellt diese Daten der DSP zur Verfügung. [10] Damit kann die DSP seine Algorithmen für die Bieterstrategie optimieren und die Gebotspreisbildung zur Erreichung der Kampagnenziele des Advertisers präzisieren. Die Bewertung des Gebotspreises muss tiefgründig durch die Kombination unterschiedlichster Einzeldaten erfolgen. Es ist wichtig zu wissen, welcher User zu welcher Zeit, auf welcher Werbefläche, mit welchem Werbemittel und zu welchem Preis kontaktiert werden soll. Dafür ist die Verfügbarkeit enorm großer Datenmengen notwendig. Big Dataist mittlerweile nicht nur ein Buzz-Word für unermesslich große Datenmengen. Sogar in den Financial Times wird Big Data als eines der aktuell beachtlichsten Innovationen erklärt, weil Daten in der gegenwärtigen Wirtschaft eine dominierende Stellung einnehmen. In den USA hat sich Big Data bereits etabliert. Auch die deutsche Zeitschrift, Die Welt, berichtet, dass sich der Datenbestand weltweit alle zwei Jahre verdoppelt. Bisher wurde Big Data mit den 4 V`s charakterisiert. Mittlerweile wird aufgrund eines zusätzlichen Merkmals „Value“ von den 5 V`s des Big Datas gesprochen (siehe folgende Abbildung), weil nicht nur die große Datenmenge wichtig ist, sondern dessen intelligente Verknüpfung mit mathematisch- statistischen Verfahren für die Mustererkennung. [11]
Targeting-Methoden im Real Time Advertising
Neben unterschiedlichen Targeting-Methoden liegt der Fokus im Folgenden nur auf dem Retargeting sowie dem Look-alike Targeting. Der Grund dafür ist, dass für das Preisvergleichsportal shopping24 diese beiden Verfahren relevant sind. Das Retargeting ist die wiederholte Ansprache der User, damit die aus dem Customer Journey abgesprungenen Kunden in den Customer Funnel wieder aufgenommen werden können. Der Nachteil ist die fehlende Möglichkeit auf Neukundengewinnung und die mögliche Belästigung der User aufgrund der wiederholten Einblendungen der Werbebanner. [13] Das Look-alike Targeting zielt darauf ab, statistische Zwillinge zu identifizieren (vergleichbar wie mit den Kaufempfehlungen von amazon.com). [14], [15] Angenommen das bereits bekannte Nutzerprofil von Angela in der folgenden Abbildung ähnelt zu 80% dem neuen Nutzerprofil von Maria. Demnach wird Maria als der statistische Zwilling von Angela festgelegt. Maria werden die gleichen Werbebanner eingeblendet wie Angela, da diese Banner Angela zu einer Transaktion inspiriert haben.
Der Vorteil im Look-alike Targeting ist die Neukundengewinnung und der mögliche Einsatz preiswerter First-Party-Data. Die Herausforderung ist, dass für die der Zwillingsbildung die gleichen Daten verglichen werden müssen. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass scheinbar statistische Zwillinge festgelegt werden. [17] Es ist möglich, dass der Werbebanner trotz der großen Ähnlichkeit beider Profildaten dem User Angela gefällt und im Gegenzug die Werbewirksamkeit bei dem User Maria verfehlt wird. Dieses kann daran liegen, dass Angela eine modeorientierte Frau ist und großen Wert auf hochpreisige Schuhe legt. Demgegenüber trägt Maria nur alltagstaugliche Bekleidung und fühlt sich durch die modeorientierten Werbebanner belästigt. Aus diesem Grund könnte Big Data zu einer genaueren Zwillingsbildung beitragen und die Streuverluste der Werbewirkung reduzieren.
Effiziente Kampagnenplanung im Real Time Advertising für shopping24
Unternehmensprofil von shopping24
Als Preisvergleichsportal bündelt shopping24 das Sortiment seiner Partner-Shops auf der eigenen Webseite. Die Ertragsquelle ist somit die Weiterleitung des generierten Traffics an seine Partner-Shops mit dem Ziel der Performance. Demnach lassen sich die KPIs in der Tabelle ableiten.
Handlungsempfehlungen für shopping24
Targeting-Metoden
In Zusammenarbeit mit shopping24 wurden das Retargeting und das Look-alike Targeting in dem folgenden Scoring- Modell gegenübergestellt. Die drei wichtigsten Zielkriterien sowie deren Gewichtung (G) und die Bewertung des Realisierungspotenzials (R) der zwei Targeting-Methoden wurden mit shopping24 festgelegt. Für jedes dieser Zielkriterien wird mit der (R) gekennzeichnete Spalte das Realisierungspotenzial in Form eines Punktwertes bestimmt, wobei zum Beispiel (R= 1) bedeutet, dass das Zielkriterium nicht erfüllt wird und bei (R=5) wird das Zielkriterium vollständig realisiert. Der Nutzwert (N) lässt sich errechnen, indem die Gewichtung (G) der einzelnen Schwerpunkte mit dem jeweiligen Realisierungspotenzial (R) multipliziert werden. Am Beispiel des ersten Zielkriteriums ist abzulesen, dass die minimalen Kosten mit (G=5) neben der Neukundengewinnung eines der wichtigsten Ziele für shopping24 darstellt. Die Methode des Retargetings kann dieses Ziel mit (R=1) erreichen. Aufgrund der Multiplikation von (G=5) × (R=1) errechnet sich der Nutzwert (N=5). Für jede Targeting-Methode werden die jeweiligen Nutzwerte (N) addiert und zu einem gesamten Nutzwert aggregiert.
Aus dem obigen Scoring-Modell ist abzuleiten, dass statt Retargeting eher das Look-alike Targeting aus der Sicht der Performance für shopping24 zu empfehlen ist, da das Look-alike Targeting einen gesamten Nutzwert von 41 Punkten erreicht und das Retargeting wird nur mit 29 Punkte bewertet. Das Retargeting sollte bei shopping24 generell keine Anwendung finden, da shopping24 mit dieser Methode mehrmals für den gleichen User einen CPC-in bezahlt. Ein erstes Mal muss die Werbekontaktchance über den herkömmlichen Weg im RTB eingekauft werden und mindestens noch ein weiteres Mal über das Retargeting. Demnach würde shopping24 ggf. die eigene Gewinnmarge schmälern und gegen sein Hauptziel der Performance agieren. Den bedingten und situationsabhängigen Einsatz des Retargetings könnte shopping24 nur dann in Erwägung ziehen, wenn seine Partner-Shops mit der von shopping24 generierten Traffic-Qualität unzufrieden sind. Denn das Retargeting eignet sich optimal für die zielgrupenspezifische Werbeeinblendung, da ein User bereist Interesse über ein Produkt bekundet hat.
Managed Service DSP statt Eigenregie
Desweiteren wird das RTB nicht in Eigenregie empfohlen, da das Data Warehouse von shopping24 ausschließlich aus rudimentären Daten besteht und der Zukauf von kostenintensiven Third-Party-Data nicht zu empfehlen ist. Bei der Wahl eines Managed Service DSPs sollte jeder Advertiser darauf achten, dass die DSP in der Lage ist Reichweitenüberschneidungen herauszurechnen. Angenommen der Advertiser bekommt jeweils von zwei unterschiedlichen Data Providern 100.000 Profildaten und hätte insgesamt 200.000 Profildaten. Allerdings kann eine Schnittmenge zwischen diesen Profildaten herrschen, sodass shopping24 eine Nettoreichweite nur von zum Beispiel 120.000 Profildaten hätte. [20]
Empfehlung eines DSP-Anbieters
Beispielsweise ist es möglich mit dem DSP-Anbieter Quantcast.com eine Testkampagne zu starten. Das Tool Quantcast Measure wird von 100 Mio. Webseiten weltweit genutzt. Quantcast sieht zum Beispiel 55 Mio. User in Deutschland über 600 Mal im Monat und ermittelt deren Alter, Geschlecht und Surfverhalten. Die Datananalyse erfolgt in Echtzeit und beantwortet die Frage: „Welcher User interessiert sich wofür in dem Moment, wenn er online ist?“. Dabei wird nur First-Party-Data genutzt. Third-Party-Data findet nicht nur wegen der hohen Kosten keine Anwendung, sondern auch aus dem Grund, dass diese zugekauften Daten schnell veralten. Wenn sich ein User vor zwei Wochen für rote Schuhe interessiert hat, besteht die große Wahrscheinlichkeit, dass er dieses Produkt bereits gekauft hat und sich sein Kaufinteresse schnell geändert hat. [21] „Üblicherweise verrechnen die DSPs für ihren Service die Mediakosten 1:1 weiter und schlagen darauf jeweils eine Gebühr von 10 bis 30 Prozent„. [22]
Fazit
Innerhalb dieser Analyse kann keine aussagekräftige Empfehlung darüber getroffen werden, ob shopping24 am RTB teilnehmen sollte oder nicht. Es wurden lediglich Wege und Denkansätze für eine konkrete Entscheidung aufgezeigt. Im ersten Schritt sind mit den Erkenntnissen Testkampagnen, und zwar nicht nur mit einem, sondern mit unterschiedlichen DSP-Anbietern zu empfehlen. Dabei sollte eine Kosten-Leistungs-Rechnung mit unternehmensinternen Zahlen und den Preismodellen der DSPs erfolgen. Generell etabliert sich das RTA auch in Deutschland, da die Display-Ausgaben im RTB in 2012 noch bei 8 % lagen und Prognosen zufolge in 2014 auf 15% ansteigen. In Westeuropa erhöhen sich auch die Umsätze sowie Ausgaben im RTB wie in der folgenden Tabelle dargestellt. [23]
Sollte die Teilnehmerzahl im RTA wachsen, muss darauf geachtet werden, ob auch die eTKPs steigen, da Nachfrage generell den Preis erhöht. Nichtsdestotrotz sprechen immer mehr Experten über das Aufkommen des RTA in Deutschland, so auch Harald Fortmann, ehemaliger Vizepräsident des BVDW und aktueller Director einer auf E-Commerce spezialisierten Personalberatung.
„Das Thema RTA ist mittlerweile auch aus dem deutschen Markt nicht mehr weg zu denken. Wir haben, wie so oft, einer technologischen Innovation aus Angst und Skepsis um die Aufrechterhaltung von hohen TKPs die Tore verschlossen und sehen uns jetzt durch den europäischen und amerikanischen Markt in die Pflicht gedrängt. Die Umsätze in dem Bereich werden überproportional steigen und die ersten Erfahrungen bei Publishern und Agenturen/ Werbetreibende sind durchweg positiv. Retargeting war der Einstieg in das Thema, aber sowohl klassisches Performance Marketing wie Branding werden nach und nach erschlossen“. [25]
Quellen
[1] http://d3media.de/data-driven-display.html[2] http://rtb-buch.de/rtb_fibel.pdf
[3] http://www.netzeffekt.de/wp-content/uploads/2013/08/BVDW-Realtime-Advertising-Kompass_pdf.pdf
[4] http://digiday.com/platforms/what-is-an-ad-exchange/
[5] http://www.jaron.de/online-marketing-glossar/etkp/
[6] In Anlehnung an: http://metrigo.com/wp-content/themes/metrigo/download/real-time-advertising-rtb.pdf
[7] Entnommen aus: http://rtb-buch.de/rtb_fibel.pdf
[8] http://metrigo.com/wp-content/themes/metrigo/download/real-time-advertising-rtb.pdf
[9] http://metrigo.com/wp-content/themes/metrigo/download/real-time-advertising-rtb.pdf
[10] http://semasio.com/de/
[11] http://video.ft.com/2719863888001/Big-data-and-credit-agency/Editors-Choice
[12] In Anlehnung an: http://davebeulke.com/big-data-impacts-data-management-the-five-vs-of-big-data/
[13] http://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-dienstleister/retargeting-wenn-produkte-die-kunden-verfolgen/4617122.html
[14] http://t3n.de/news/lookalikes-audiences-451649/
[15] http://www.ebayenterprise.com/marketing_solutions/display_retargeting/look_alike_targeting.php
[16] In Anlehnung an: http://semasio.com/de/
[17] Winkler, Hans-Martin, 2014: Geschäftsführer, small things GmbH München, Kommunikation via xing über das Look-alike Targeting, 2014-06-05
[18] In Anlehnung an: Miachel Stanke, Performance Marketing Manager bei shopping24 internetgroup in Hamburg, Kommunikation über E-Mail, Stand 2014-06-02
[19] In Anlehnung an: Miachel Stanke, Performance Marketing Manager bei shopping24 internetgroup in Hamburg, Kommunikation über E-Mail, Stand 2014-06-02
[20] http://www.adzine.de/de/site/artikel/10095/display-advertising/2014/04/hohe-nachfrage-nach-technologie-fuer-datengetriebenes-advertising-
[21] https://www.quantcast.com/
[22] http://www.intelliad.de/blog/8-tipps-fuer-rtb.html
[23] http://info.pubmatic.com/rs/pubmatic/images/IDC_Real-Time%20Bidding_US_Western%20Europe_Oct2011.pdf
[24] In Anlehnung an: http://info.pubmatic.com/rs/pubmatic/images/IDC_Real-Time%20Bidding_US_Western%20Europe_Oct2011.pdf
[25] Fortmann, Harald, 2014: Vizepräsident des BVDW und Direktor der auf E-Commerce spezialisierten Dwight Cribb Personalberatung GmbH, Kommunikation via xing über das zukünftige Potenzial von Real Time Advertising in Deutschland, 2014-06-18