Was treibt den Menschen an? Was sind seine Bedürfnisse, Wünsche und Entscheidungsgrundlagen? Diese Fragen sind nicht nur Bestandteil psychologischer Forschung, sie sind auch maßgeblich für die Umsatzerzielung eines Unternehmens und die positive Beeinflussung eines Kaufabschlusses.[1] Entscheidungen eines Menschen werden nur bedingt rational getroffen, vielmehr sind verschiedene, automatisch vom Gehirn ausgelöste kognitive Prozesse für die positive oder negative Kaufentscheidung grundlegend. An dieser Stelle ist das Neuromarketing von Bedeutung, welches Erkenntnisse zu psychologischen Verhaltensmustern, etablierten Marketingtechniken und der Hirnforschung verbindet, um den Konsumenten positiv bezüglich eines Kaufabschlusses zu beeinflussen.[2]
Im Rahmen des E-Commerce Projektes wurden Konzepte für die bonprix App entwickelt, welche durch die Anwendung von Neuromarketing (in diesem Fall: Behavior Patterns) eine Conversion-Steigerung erzielen sollen. Die tatsächliche Wirkung soll im Nachgang durch bonprix mit Hilfe eines A/B-Testings geprüft werden. Im Folgenden werden die wichtigsten Grundlagen dieses Themengebiets dargelegt und beispielhaft ein Ergebnis des Projektes aufgezeigt.
Conversion Optimierung & das Sieben-Ebenen-Modell
Die Ziele einer Webseite, wie z. B. der Kauf eines Produkts, das Anmelden zu Newslettern o. ä. werden als Conversion bezeichnet.[3] Da die gewünschte Aktion zur Conversion von einem Menschen, dem Nutzer der Webseite (“Nutzer” wird hier geschlechtsneutral verwendet), durchgeführt wird, steht dieser im Mittelpunkt der Conversion Optimierung. Es gilt daher, die Intention und Motivation sowie den Entscheidungsprozess des Nutzers zu verstehen.[4]
Das Sieben-Ebenen-Modell von konversionskraft ermöglicht es, eine Website auf Schwachstellen aus Nutzersicht zu analysieren, sodass Ansätze zur Optimierung deutlich werden.[5] Es besteht aus sieben Faktoren, welche den Entscheidungsprozess von Kunden und ihren inneren Dialog darin berücksichtigen.[6]
Abbildung 1: Sieben-Ebenen-Modell
Nach der Anwendung dieses Modells auf die bonprix App wurde anhand der ermittelten Schwachstellen die bonprix Zielgruppe “die Preisorientierte” ausgewählt, da für diese die meisten Schwachstellen identifiziert wurden und sie somit das größte Verbesserungspotenzial aufweist.
Behavior Patterns
Behavior Patterns sind durch die Neurowissenschaft identifizierte kognitive Verhaltensmuster von Menschen. Laut wissenschaftlichen Erkenntnissen denken und entscheiden Menschen mit Hilfe von zwei verschiedenen Systemen, die im Folgenden abgebildet sind:[7]
Abbildung 2: Menschliche Denksysteme[8]
Die Verteilung der beiden Systeme ist jedoch nicht ausgeglichen, es werden bis zu 95% aller Entscheidungen unbewusst im System 1 getroffen.[9] Dieser Denkmodus operiert automatisch und kann nicht willentlich abgestellt werden.[10] Dort werden sogenannte Heuristiken, also einfache Denkstrategien für effizientere Urteile und Problemlösungen[11], genutzt, um das Nachdenken zu vereinfachen und so möglichst viel Energie einzusparen.
Das System 1 ist nicht nur schneller, sondern auch deutlich fehleranfälliger für Missinterpretationen. Die auftretenden Fehlinterpretationen sind häufig gefolgt von bestimmten Verhaltensweisen, den Behavior Patterns.
Wenn Nutzer sich mit einem Online-Shop beschäftigen, denken sie also nur in 5% der Fälle rational. Die restlichen 95% können Webseiten-Betreiber zu ihren Gunsten nutzen, indem sie die Nutzer durch ihren Shop führen, ohne dass diese das anstrengende System 2 nutzen müssen.
Eine typische Wirkungskette für die Anwendung von Behavior Patterns ist z.B.
- eine entscheidungsunsichere Zielgruppe agiert in einem Online-Shop
→ Grundangst des Menschen, dass etwas nicht mehr zur Verfügung stehen könnte
→ Anwendung Behavior Pattern “Scarcity” (deutsch: Knappheit/Verknappung)
→ Motivation zum Kauf steigt
Gehen Webseiten-Betreiber fundiert auf die Behavior Patterns ein, können diese als effektive Marketinginstrumente genutzt werden.
Überführung der Behavior Patterns in ein Konzept
Mithilfe eines Scoring Modells, welches die Bedürfnisse der fokussierten Zielgruppe sowie die ermittelten Schwachstellen berücksichtigt, wurden insgesamt sieben Behavior Patterns für die bonprix App als relevant und umsetzbar identifiziert: Cheering, Commitment & Consistency, Inner Dialogue, Order & Harmony, Paradox of Choice, Reason Why und Trust. Jedes dieser Patterns wurde detailliert beschrieben und anschließend in ein Konzept überführt. Beispielhaft wird das Vorgehen im Folgenden an einem Pattern verdeutlicht.
Reason Why
Wie im oberen Abschnitt bereits erwähnt, wird die Rationalität des menschlichen Handelns und Entscheidens mittlerweile in Frage gestellt. In dieser Richtung ist das Behavior Pattern “Reason Why” einzuordnen.
Nach einer Studie aus dem Jahr 1978 sowie Replikationen dieser, wird einer Bitte eher nachgekommen, wenn sie mit einer Begründung verbunden wird. Die Begründung muss dabei keine weiteren Informationen liefern, sodass es ausreicht, eine Begründung mit dem Wort „weil“ einzuleiten und einen Pseudo-/Placebo-Grund zu nennen.[12] Es scheint, dass Menschen gewisse Informationen nicht immer zunächst rational bewerten und anschließend handeln, sondern, dass die Struktur der Informationen (z. B. einer Begründung mit „weil“) bzw. die persönlichen Erfahrungen zu ähnlichen Abläufen dafür sorgen, dass relevante Informationen zur Entscheidung fehlen können.[13]
Im E-Commerce kann dieses Prinzip angewandt werden, um einen Nutzer und somit potenziellen Kunden von einer Handlung, z. B. einem Kauf, zu überzeugen. Es ist sinnvoll, dem Nutzer Argumente zu präsentieren, die einen Kauf rechtfertigen. Dies kann beispielsweise bei der Vorteilsargumentation oder für Buttons eingesetzt werden.[14] Des Weiteren können Empfehlungen stärker wirken, wenn erklärt wird, warum diese relevant für den Nutzer sind (z. B. auf Basis vorherigen Kaufverhaltens) und auch für die Eingabe von sensiblen Daten in Formularen bietet es sich an, durch die Angabe von Gründen weniger Unsicherheit beim Nutzer hervorzurufen.[15]
Konzept
Beispielhaft folgt eines der erstellten Konzepte:
Auf der Prüfen & Bestellen-Seite wurde das Pattern “Reason Why” eingesetzt, indem eine UVP-Box (Vorteile eines Kaufs bei bonprix, Begründungen mit “weil”) eingefügt wurde. Die Icons für die Vorteile vereinfachen das Verständnis und bieten einen Wiedererkennungswert. Sie liefern dem Nutzer Gründe, um ihn von bonprix zu überzeugen und zum Kauf zu motivieren.
Fazit
Ziel dieses Projekts war es, Methoden des Neuromarketings auf die bonprix App anzuwenden. Dies wurde durch die Anwendung von Behavior Patterns erreicht. Im Zuge der Konzepterstellung fiel auf, dass es sich als schwierig darstellt, verschiedene Behavior Patterns innerhalb eines Konzepts klar voneinander zu trennen. Ein Nutzerproblem kann sowohl durch ein (einziges) Behavior Pattern, als auch durch eine Kombination von Behavior Patterns innerhalb eines Konzepts gelöst werden. Die Kombination kann hierbei die Wirkung verstärken. Die erarbeiteten Konzepte, welche hier lediglich beispielhaft an einem Pattern gezeigt wurden, bieten Potenzial, die Conversionrate zu steigern und somit mehr Umsatz für bonprix zu generieren. Der tatsächliche Erfolg muss im Anschluss an das Projekt von bonprix in A/B-Tests überprüft werden.
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Quellen:
[1] Vgl. Häusel, Hans-Georg (2016): Brain View: Warum Kunden kaufen, 4. Auflage, Freiburg/München/Hamburg: Haufe Gruppe, S. 17.
[2] Vgl. Peters, Mirko (2013): Neuromarketing im E-Commerce; https://digital-magazin.de/neuromarketing-im-e-commerce/ (Aufruf: 28.12.2018)
[3] Vgl. Suszka, Michael (2015): Conversion Optimierung; http://www.digitalwiki.de/conversion-optimierung (Aufruf: 29.12.2018)
[5] Vgl. Morys, André (2011): Conversion-Optimierung: Praxismethoden für mehr Markterfolg im Web, 1. Auflage, Frankfurt am Main: entwickler.press
[6] Vgl. Morys, André (2011): Conversion-Optimierung: Praxismethoden für mehr Markterfolg im Web, 1. Auflage, Frankfurt am Main: entwickler.press, S. 82.
[7] Vgl. Kahnemann, Daniel (2018): Schnelles Denken, langsames Denken, 1. Auflage, München: Penguin Verlag, S. 32 ff.
[8] Spreer, Philipp, Dr. (2018): PsyConversion: 101 Behavior Patterns für eine bessere User Experience und höhere Conversion-Rate im E-Commerce, https://www.psyconversion.de (Aufruf: 17.12.2018)
[9] Vgl. Baumeister, Roy F. / Bratslavsky, Ellen / Muraven, Mark / Tice, Dianne M. (1998): Ego depletion: Is the active self a limited resource? Journal of Personality and Social Psychology, 74, 1252-1265
[10] Vgl. Kahnemann, Daniel (2017): Schnelles Denken, langsames Denken, 1. Auflage, München: Penguin Verlag, S. 42.
[11] Vgl. Stangl, Werner (2018): Stichwort: „Heuristik&“. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik; http://lexikon.stangl.eu/1963/heuristik (Aufruf: 29.12.2018)
[12] Vgl. Langer, Ellen / Blank, Arthur / Chanowitz, Benzion (1978): The Mindlessness of Ostensibly Thoughtful Action: The Role of „Placebic“; Information in Interpersonal Interaction, Journal of Personality and Social Psychology, Vol. 36, No. 6, 635-642, S. 638; Key, M. Scott / Edlund, John E. / Sagarin, Brad J. / Bizer, George Y. (2009): Individual differences in susceptibility to mindlessness, Journal Personality and Individual Differences, Vol. 46, 261–264, S. 263.
[13] Vgl. Langer, Ellen / Blank, Arthur / Chanowitz, Benzion (1978): The Mindlessness of Ostensibly Thoughtful Action: The Role of „Placebic“; Information in Interpersonal Interaction, Journal of Personality and Social Psychology, Vol. 36, No. 6, 635-642, S. 641.
[14] Vgl. Spreer, Philipp (2018): PsyConversion – 101 Behavior Patterns für eine bessere User Experience und höhere Conversion-Rate im E-Commerce, Wiesbaden: Springer Gabler, S. 183.
[15] Vgl. Morys, Jenny (o. J.): Nachgewiesen: Mit dem „Reason Why“ werden Menschen überzeugt; https://www.konversionskraft.de/ueberzeugungskraft/behavior-pattern-reason-why.html (Aufruf: 10.02.19)