In den letzten Jahren sind die Werbeausgaben für Online-Werbung kontinuierlich gestiegen. Während bei klassischen Werbekanälen, wie Print-Medien, die Umsätze sinken, steigen weiterhin die Ausgaben für den TV-Kanal. [1]
Im heutigen digitalen Zeitalter nimmt TV-Werbung immer noch mit Abstand den größten Anteil der Werbespendings im Media-Mix ein. Etwa die Hälfte aller Werbeausgaben in Deutschland entfallen auf TV-Werbung und nur etwa 7% auf Online-Werbemittel. [2] Es stellt sich die Frage, ob diese Verteilung noch zeitgemäß ist. Nahezu jeder Haushalt in Deutschland verfügt über einen Internet-Anschluss (93%), hat somit Zugang zu digitalen Medien und kann theoretisch über Video-Werbung adressiert werden. [3]
Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob es Unterschiede in den einzelnen Phasen der Consumer Journey gibt, die Einfluss auf die Budget-Verteilung und Zielgruppenbildung haben. Nicht zuletzt findet heute ein großer Teil der Consumer Journey in digitalen Medien statt – sei es durch Produktrecherche bei amazon und co. oder letztlich der Kaufabschluss.
Hohe Komplexität bei der Planung von Cross-Media Video-Kampagnen
Durch die zugenommene Anzahl an Mediengeräten und den sich stetig weiterentwickelnden technologischen Möglichkeiten, stellen sich Marketer im Rahmen der Mediaplanung einer immer größer werden Komplexität gegenüber. Gleichzeitig ermöglicht die digitale Transformation mit Hilfe von Tools und Algorithmen Marketing-Maßnahmen effizienter und effektiver umzusetzen.
Eine große Herausforderung ist es immer noch, Kampagnen medien-übergreifend zu planen und die gesetzten Ziele bestmöglich zu erreichen. Da der Fernseher ein analoges Medium ist, werden Online-Video-Kampagnen heute noch sehr differenziert betrachtet, obwohl das einzusetzende Werbemittel in Form des Online-Videos in beiden Fällen das gleiche ist. Letztlich werden beim Vergleich TV- vs. Online-Video zum einen Nutzungssituationen und das Nutzungsverhalten von Endgeräten gegenübergestellt. Zum anderen werden technologische Voraussetzungen, wie z.B. Targeting- und Tracking-Möglichkeiten, verglichen.
Der Fernseher hat gute Voraussetzung für die Werbewirkung
Fakt ist, dass Video-Werbung mit einem Anteil von 91% überwiegend zu Hause konsumiert wird und der Fernseher immer noch in vielen deutschen Wohnzimmern ein zentrales Element ist. [4] [5] Smartphones und Laptops haben zu neuen Nutzungssituationen im Wohnzimmer geführt. Jeder Dritte nutzt während des TV-Konsums mobile Endgeräte – den so genannten „Second Screen“. Dabei greifen 65% zum Smartphone und 33% zum Laptop. [6] Ausgehend davon, dass Video-Werbung sowohl im TV als auch Online überwiegend peripher konsumiert wird, kann der Fernseher in Bezug auf die Werbewirkung im Vorteil gegenüber Online-Videos sein. [7] Studien belegen, dass exklusive Werbeplatzierungen einen positiven Einfluss auf die Werbewirkung haben – dabei gilt, je größer der Bildschirm, desto effektiver. [8] Außerdem genießt Fernseh-Werbung ein größeres Vertrauen bei den Konsumenten und wird als Premium-Werbefläche wahrgenommen. [9]
Die Consumer Journey hilft Komplexität zu reduzieren und Werbeziele festzulegen
Die hohe Komplexität bei der Planung und Aussteuerung von Video-Kampagnen lässt sich mit Hilfe der Consumer Journey eingrenzen. Zwar durchläuft der Konsument keinen linearen Prozess, dennoch unterstützt die Phasen-Einteilung bei der Einordnung der Kampagnen-Ziele und Auswahl der richtigen Touchpoints. Für die Betrachtung von Video-Werbung macht es Sinn, die Consumer Journey in drei Phasen einzuteilen: Awareness, Consideration und Action. [10]
In allen drei Phasen ist es bei Video-Werbung von Bedeutung, eine hohe Reichweite zu erzielen, um möglichst viele Nettokontakte zu generieren. Besonders in der Awareness-Phase ist Video-Werbung relevant, in der Aufmerksamkeit erzeugt und Bedürfnisse bei dem Konsumenten geweckt werden. Dabei profitieren weitere Marketing-Kanäle von Video-Werbung in Form von Abstrahleffekten, was positive Auswirkungen auf das Consumer-Engagement und den ROI hat. Studien belegen, dass ein Verzicht auf Video-Werbung im TV, den Online-ROI um etwa 20% senken kann. [11]
TV ist DAS Reichweiten-Medium in Deutschland
Obwohl heute nahezu jeder Deutsche täglich mit digitalen Medien interagiert, ist unter dem Ziel der Reichweiten-Maximierung TV-Werbung immer noch der wichtigste Marketing-Kanal. 80% der Gesamt-Reichweite lässt sich grundsätzlich über den Fernseher abdecken, wohingegen nur 46% über Online-Medien erreicht werden können. [12]
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Insbesondere bei Kampagnen mit hohem Budget-Volumen bietet es sich an, Online-Videos als Ergänzung zu TV-Werbung einzusetzen und die TV-Reichweite inkrementell zu erweitern.
Eine aktuelle Studie, die ein Modell zur Berechnung der inkrementellen Reichweite auf Grundlage von 26.000 TV- und Youtube-Kampagnen aufgestellt hat, belegt, dass zur optimalen Budget-Verteilung der Marginal Cost per Effective Reach Point (CpERP) als Berechnungsgrundlage herangezogen werden sollte. [14] Dieser Wert setzt sich aus dem Verhältnis von Kosten und Nettoreichweite in % zusammen und drückt also die Durchschnittskosten aus, die nötig sind, um einen zusätzlichen Prozentpunkt an Nettoreichweite zu erreichen. [15] Dabei wird berücksichtigt, dass TV ab einem bestimmten Budget-Volumen eine Sättigungsgrenze erreicht, gleichzeitig wird jeder weitere Prozentpunkt an Nettoreichweite zunehmend teurer. Sobald über Online-Kanäle ein niedrigerer CpERP zu erreichen ist, sollte das Budget auf Online-Medien verteilt werden. Als Richtwert nennt die Studie hierbei 300.000 US Dollar für einen weiteren Prozentpunkt an Nettoreichweite. Im Durchschnitt lassen sich durch eine entsprechende Budget-Verteilung etwa 7% an Reichweite bei konstantem Budget dazu gewinnen. [16]
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Zielgruppenbildung unterstützt Online-Video-Kampagnen
Um mit Hilfe von Online-Video-Werbung tatsächlich die Reichweite von TV-Kampagnen steigern zu können, ist es notwendig, über digitale Medien Personen zu erreichen, die man im TV nicht erreichen kann. [18]
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Dazu bietet es sich an, Zielgruppen zu bilden, die mit hoher Wahrscheinlichkeit schwer über TV und primär über Online-Video-Werbung in den einzelnen Phasen der Consumer Journey zu erreichen sind.
Eine aktuelle Umfrage der Unruly Media GmbH, bei der 1019 Personen in den Regionen Asien-Pazifik, den USA, Deutschland und dem Vereinigten Königreich auf den Einfluss von Video-Werbung befragt wurden, hat ergeben, dass der durchschnittliche Online-Video-Nutzer 33 Jahre alt, gebildet und markenorientiert ist sowie ein mittleres bis hohes Einkommen hat.
Die Consumer Journey Phasen haben einen großen Einfluss auf die Zielgruppenbildung. Online-Video-Nutzer lassen sich besonders gut in der ersten und letzten Phase des Kaufprozesses erreichen. Hierbei sind regionsspezifische Unterschiede festzustellen. Während in den USA und den UK Online-Video-Werbung in der Consideration-Phase eine untergeordnete Rolle spielt, sind Deutsche und Asiaten durchaus auch in dieser Phase exklusiv zu erreichen.
Fazit und Ausblick: TV geht online
Insgesamt lässt sich festhalten, dass auf TV-Werbung auch im digitalen Zeitalter nicht zu verzichten ist. Durch die guten Voraussetzungen in der Werbewirkung und die hohe erzielbare Reichweite hat TV-Werbung zurecht einen großen Anteil im Medien-Mix. Über eine regionsspezifische Zielgruppenbildung in den einzelnen Consumer Journey Phasen lassen sich Personen erreichen, die schwer über TV und gut über Online-Videos anzusprechen sind.
Zukünftig ist davon auszugehen, dass zunehmend die Planung und Aussteuerung von TV- und Video-Kampagnen digitalisiert und cross-medial gesteuert werden. Mit Hilfe von Addressable TV sind heute bereits 16 Millionen Haushalte über digitale Werbeformate am Fernsehgerät erreichbar. [20] Aktuell beschränken sich die Werbemöglichkeiten noch auf Banner-Flächen, jedoch arbeiten die führenden Medienunternehmen am Ausbau dieser Formate und der Möglichkeit, TV-Spots via Addressable TV auszusteuern. [21]
Es ist denkbar, dass zukünftig ein großer Anteil von Video-Kampagnen über diverse Endgeräte programmatisch gesteuert wird, was die Werbe-Effizienz und -Effektivität steigern wird. [22] Erst durch die totale Vernetzung der TV-Geräte und der einhergehenden Messbarkeit wird sich zeigen, ob aktuelle Studien und Hochrechnung Recht behalten und der Fernseher weiter eine solche dominante Rolle im Medien-Mix spielen wird. Ganz egal auf welchem Endgerät – Video-Werbung wird von der digitalen Transformation weiter profitieren und die verbesserte Kampagnen-Effizienz wird dazu führen, dass Video-Werbung in den nächsten Jahren weiter an Relevanz zunimmt.
Quellen
[1] Zenith (2017) „Prognose der Werbeumsätze in Deutschland in den Jahren 2017 bis 2020 (gegenüber dem Vorjahr).“
[2] Seven One Media (2017) „Seven One Media Business Intelligence 2017 – Einblick in die aktuelle Wirtschafts- und Werbemarktlage“, Abgerufen am 05.04.2018 von https://www.sevenonemedia.de/documents/924471/1111508/Business+Intelligence+II+2017/a0ebcaad-33a4-4a91-eb7c-55d06c33f7f0?versi on=1.1.
[3] Eurostat (2017) „Anteil der Haushalte in Deutschland mit Internetzugang von 2002 bis 2017“.
[4] IP Deutschland (2016) „TV-Nutzung: Primär exklusiv statt parallel“, Abgerufen am 18.03.2018 von https://www.ip.de/fakten_und_trends/studienfinder/studiensteckbrief.cfm?studyId=97.
[5] Rigby, Jacob M. et al. (2017) „Media Multitasking at Home: A Video Observation Study of Concurrent TV and Mobile Device Usage“, in: TVX ’17, S. 3-8.
[6] IP Deutschland (2016) „TV-Nutzung: Primär exklusiv statt parallel“, Abgerufen am 18.03.2018 von https://www.ip.de/fakten_und_trends/studienfinder/studiensteckbrief.cfm?studyId=97.
[7] Petty, Richard E. Cacioppo, John T. (1986) „The Elaboration Likelihood Model of Persuasion”, New York: Springer.
[8] United Internet Media (2013) Creative Insights – Leitlinien für die wirksame Kreation von Online-Werbung, Karlsruhe.
[9] „Media Activity Guide 2017“, Abgerufen am 17.03.2018 von https://www.sevenonemedia.de/documents/924471/1111769/Media+Activity+Guide+2017/391d3f41-165c-af7d-6709-7b75cd22810b.
[10] Google (2016a) „Die richtigen KPIs für Onlinevideowerbung: Erkenntnisse aus dem Google BrandLab“, Abgerufen am 24.03.2018 von https://www.thinkwithgoogle.com/intl/de-de/marketingkanäle/youtube/die-richtigen-kpis-fur-onlinevideowerbung-erkenntnisse-von-google-brandlab/.
[11] „Media Activity Guide 2017“, Abgerufen am 17.03.2018 von https://www.sevenonemedia.de/documents/924471/1111769/Media+Activity+Guide+2017/391d3f41-165c-af7d-6709-7b75cd22810b.
[12] ARD (2015) „Langzeitstudie Massenkommunikation“, Abgerufen am 2.04.2018 von http://www.ard-werbung.de/media-perspektiven/studien/langzeitstudie-massenkommunikation.
[13] ARD (2015) „Langzeitstudie Massenkommunikation“, Abgerufen am 2.04.2018 von http://www.ard-werbung.de/media-perspektiven/studien/langzeitstudie-massenkommunikation.
[14] Georg, Georg et al. (2017) „When to Combine Television With Online Campaigns – Cost Savings Versus Extended Reach”, in: Journal of Advertising Research, 57, S. 283-304.
[15] Rossiter, John R. Danaher, Peter J. (1998) „Advanced Media Planning“, Band 1, Norwell: Kluwer Academic Publishers.
[16] Georg, Georg et al. (2017) „When to Combine Television With Online Campaigns – Cost Savings Versus Extended Reach”, in: Journal of Advertising Research, 57, S. 283-304.
[17] Georg, Georg et al. (2017) „When to Combine Television With Online Campaigns – Cost Savings Versus Extended Reach”, in: Journal of Advertising Research, 57, S. 283-304.
[18] „Werbekampagnen crossmedial auf den Abverkauf optimieren – Crossmediale Werbewirkungs-Analysen auf Basis von realem Kaufverhalten“, Abgerufen am 17.04.2018 von https://www.gfk.com/fileadmin/user_upload/dyna_content/DE/images/Webinars/Marketing_Mix_Evaluator__MME__Webinar_final.pdf.
[19] „Werbekampagnen crossmedial auf den Abverkauf optimieren – Crossmediale Werbewirkungs-Analysen auf Basis von realem Kaufverhalten“, Abgerufen am 17.04.2018 von https://www.gfk.com/fileadmin/user_upload/dyna_content/DE/images/Webinars/Marketing_Mix_Evaluator__MME__Webinar_final.pdf.
[20] IP Deutschland (2018) „TV-Reichweite nutzen: Schnell und Addressable“, Abgerufen am 24.03.2018 von https://www.ip.de/addressable_tv/news/tv-reichweite_nutzen_schnell_.cfm.
[21] Seven One Media (2018) „Planungsdaten 2018-Digital“, Abgerufen am 24.03.2018 von https://www.sevenonemedia.de/documents/924471/953679/Digitale+ Planungsdaten+2018/3004f8aa-4232-3cbb-29bd-0e1f8982f45d.
[22] Fulgoni, Gian M. Lipsman, Andrew (2016) „Measuring Television In the Programmatic Age – Why Television Measurement Methods are Shifting toward Digital”, in: Journal of Advertising Research, 56, S. 122-125.