Website-Icon WebSpotting

Welchen Einfluss hat der Antwortstil bei Beschwerden in Social Media auf Beobachter?

Conversational Human Voice

Welchen Einfluss hat der Einsatz einer Conversational Human Voice auf Beobachter einer Beschwerde?

Im Journal of Interactive Marketing veröffentlichten Ana Javornik, Raffaele Filieri und Ralph Gumann 2020 einen Beitrag mit dem Titel „Don´t Forget that Others Are Watching, Too! The Effect of Conversational Human Voice and Reply Length on Observers` Perceptions of Complaint Handling in Social Media”.[1] Die Forscher haben also untersucht, welchen Einfluss die Verwendung von Conversational Human Voice und die Länge der Antwort auf eine Beschwerde in Social Media auf die Wahrnehmung von Beobachtern dieser Konversation haben.

CHV und verschiedene Dimensionen der Gerechtigkeit

Einen Text mit der Conversational Human Voice (kurz: CHV) zu schreiben, bedeutet für Unternehmen eine eher informale Sprache zu verwenden, welche sich zu Beispiel durch umgangssprachliche Elemente, eine einladende Rhetorik und Personalisierung auszeichnet. Das Gegenteil von CHV ist die Corporate Voice, welche als offizielle Unternehmenssprache bezeichnet werden kann und somit einen formalen Stil aufweist.

Eine weitere wichtige Grundlage, um den Journal Beitrag zu verstehen, ist die Unterteilung von Gerechtigkeit in drei Dimensionen, welche sich alle auf einen Reklamationsprozess beziehen und aus der Sicht des Beobachters zu interpretieren sind. Die erste Dimension ist die Verteilungsgerechtigkeit, welche die Fairness der angebotenen Entschädigung beschreibt. Die Interaktionsgerechtigkeit umfasst die Wahrnehmung des Kontaktes zwischen Kunde und Unternehmen, während die Verfahrensgerechtigkeit die Fairness der Vorgehensweise des Unternehmens beschreibt.

Gerechtigkeit unterteilt sich in drei Dimensionen.

Aufbau der Studie: Hypothesen, Teilnehmer und eingesetzte Stimuli

Die oben beschriebenen Effekte von CHV und der Antwortlänge wurden mit Hilfe von 5 Hypothesen überprüft: Ein hoher Einsatz von CHV führt unter Beobachtern zu höherer Zufriedenheit mit dem Beschwerdemanagement als der geringe Einsatz von CHV (H1). Dieser Effekt wird über die drei Gerechtigkeitsdimensionen vermittelt (H2). Dabei hat die Interaktionsgerechtigkeit einen direkten, positiven Effekt auf die beiden anderen Gerechtigkeitsdimensionen (H3). Zusätzlich moderiert CHV den Effekt der Antwortlänge, sodass diese bei hohem CHV keinen Einfluss auf die Gerechtigkeitsdimensionen hat, und bei geringem CHV lange Antworten zu höheren Gerechtigkeitsdimensionen führen (H4). Schlussendlich hat die Zufriedenheit mit dem Beschwerdemanagement einen positiven Einfluss auf das Unternehmensimage und die Absichten zur Mundpropaganda (H5).

Die Hypothesen lassen sich in einem Schaubild gemeinsam darstellen.

Für die erste Studie wurde eine Einladung zur Teilnahme über die Social Media Seiten der Forscher geteilt. Insgesamt konnten die Antworten von 366 Befragten verwendet werden. Diese waren auf 3 Gruppen verteilt und haben entsprechend drei verschiedenen Stimuli gesehen. Unter einem fiktiven Post von Fly Emirates hat sich ein Nutzer öffentlich beschwert. Gruppe eins hat diese Beschwerde mit einer Antwort des Unternehmens mit niedrigem CHV gesehen, während Gruppe zwei eine Antwort mit hohem CHV vorliegen hatte. In beiden Antworten hat Fly Emirates auf das offizielle Kontaktformular verwiesen. Gruppe drei hat die Beschwerde ohne eine Antwort des Unternehmens gesehen. Die zweite Studie war ähnlich aufgebaut. Als Unternehmen für den fiktiven Post wurde Hertz gewählt und die Teilnehmer waren auf vier Gruppen verteilt: Hoher und niedriger CHV, jeweils als lange und als kurze Antwort. Eine Einladung zur Teilnahme wurde an Studenten und Mitarbeiter an einer Universität in England gesendet. Die Antworten von 254 Teilnehmern konnten verwendet werden.

Die Ergebnisse: Beeinflusst der Einsatz von CHV tatsächlich die Wahrnehmung der Beobachter?

Die Ergebnisse haben gezeigt, dass es tatsächlich einen positiven Gesamteffekt von der Verwendung der Conversational Human Voice auf die Zufriedenheit mit dem Beschwerdemanagement unter Beobachtern gibt (H1). Dieser Effekt wird über die Interaktions- und Verfahrensgerechtigkeit als Mediatoren vermittelt. Die Verteilungsgerechtigkeit hat allerdings keinen signifikanten Einfluss auf die Zufriedenheit mit dem Beschwerdemanagement (H2). Das kann daran liegen, dass in der Antwort von Fly Emirates keine Entschädigung angeboten wurde und die Beobachter somit deren Fairness nicht beurteilen konnten. Interessanterweise hat die Verwendung von CHV einen negativen Einfluss auf die Verfahrensgerechtigkeit. Die Forscher hatten einen positiven Effekt erwartet und begründen das gegenteilige Ergebnis damit, dass der informale Ton möglicherweise Zweifel über das Verfolgen von fairen Mitteln zur Lösungsfindung aufwirft. Die zentrale Rolle der Interaktionsgerechtigkeit konnte bestätigt werden, da diese einen positiven Effekt auf die beiden anderen Gerechtigkeitsdimensionen hat (H3). Da die Beobachter vor allem die Interaktion des Beschwerde-Prozesses beobachten können, ergibt die zentrale Rolle dieser Gerechtigkeitsdimension auch durchaus Sinn.

Das Zusammenspiel von CHV und der Antwortlänge führte zu folgenden Ergebnissen: Verwendet ein Unternehmen eine hohe CHV, hat die Antwortlänge keinen Einfluss auf die Gerechtigkeitsdimensionen. Bei geringem CHV führte eine lange Antwort – im Gegensatz zu einer kurzen Antwort – nur zu einer höheren Wahrnehmung der Interaktionsgerechtigkeit, da ein höherer Grad der Auseinandersetzung mit dem Kunden transportiert wird. Der Effekt auf die beiden anderen Gerechtigkeitsdimensionen war negativ (H4). Dieser negative Effekt bei der Verfahrens- und Verteilungsgerechtigkeit ist damit zu begründen, dass lange Antworten einen höheren Schwierigkeitsgrad und eine höhere Komplexität auf den Beobachter vermitteln.

Auswirkungen auf KPIs und Empfehlungen für das Management

In Bezug auf die für Unternehmen relevanten KPIs haben die Forscher festgestellt, dass die Zufriedenheit mit dem Beschwerdemanagement das Unternehmensimage positiv beeinflusst. Auf die Absichten zur Mundpropaganda wurde hingegen kein signifikanter Effekt festgestellt (H5). Dass es an dieser Stelle keinen Effekt gibt, könnte daran liegen, dass die Beobachter nicht direkt von der Beschwerde betroffen sind, somit ein geringeres Involvement haben und ihre Meinung nicht unbedingt teilen. In Bezug auf die Ergebnisse ist hervorzuheben, dass es einen positiven Einfluss vom Unternehmensimage auf die Absichten zur Mundpropaganda gibt. Somit werden diese insgesamt, durch den indirekten Effekt, ebenfalls beeinflusst.

Abschließend stellt sich die Frage, welche Handlungsempfehlungen sich für das Management von Unternehmen ableiten lassen. Antworten mit hohem CHV zu verfassen, bedeutet für die Service-Mitarbeiter mehr Zeit und Aufwand (Kosten), da die Nachrichten individuell für die sich beschwerende Person geschrieben werden. Dafür reduzieren Antworten mit hohem CHV den Schaden auf das Unternehmensimage, welchen die Beschwerde ursprünglich verursacht hat. Die Forscher empfehlen daher, kurze Antworten mit hohem CHV als Antworten auf Beschwerden zu verwenden, da die Länge der Antwort bei der Verwendung von CHV nach den Ergebnissen der Studie keinen Unterschied ausmacht. Diese Kombination stellt somit die effizienteste Lösung dar. Allerdings dürfen Unternehmen neben den Beobachtern nicht die Beschwerer außer Acht lassen und sollten bei der Wahl des Antwortstils beide Parteien berücksichtigen.

Unternehmen sollten unbedingt beachten, dass sich die Ergebnisse nicht auf alle Branchen übertragen lassen. So wären Antworten mit hohem CHV zum Beispiel bei Luxusmarken nicht förderlich für das Image und die Positionierung einer Marke. Leider wurde in der Studie nicht berücksichtigt, dass sich Beobachter oftmals mehrere Kommentare und somit auch viele Antworten durchlesen. Das könnte Gegenstand zukünftiger Forschung sein.


[1] https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S1094996820300761?via%3Dihub

Die mobile Version verlassen