Insbesondere durch die Corona Pandemie stehen stationäre Händler vor den Herausforderungen einer rückläufigen Anzahl von Kunden und stagnierenden Umsätzen.[1] Doch was können stationäre Händler tun, um weiterhin auf dem Markt bestehen zu bleiben? Wie können sie auch im Wandel der Digitalisierung die Bedürfnisse der Kunden weiterhin befriedigen und deren Zufriedenheit sicherstellen?
Eine Methode, welche die stationären Geschäfte anwenden können, um sich dem Wandel anzupassen, ist Design Thinking.
Design Thinking ist eine Methode zur Lösungsfindung bei komplexen Problemstellungen, die mit Hilfe einer systematischen Herangehensweise in einem interdisziplinären Team gelöst werden. Nähere Informationen zu Design Thinking in diesem Blogbeitrag.
Interview Ergebnisse
Die Experten, die sich für die halbstrukturierten Interviews in der Vorweihnachtszeit bereiterklärt hatten, sind bei deutschen Baumärkten, Sportmarken und Handelsunternehmen für Hörgeräte angestellt. Im Rahmen der Interviews wurden diese Erkenntnisse gewonnen:
- Die Interviewpartner arbeiten nicht im Geschäft, sondern in der Zentrale der Unternehmen und haben daher einen anderen Blick auf die Situation als die Angestellten auf der Verkaufsfläche.
- Agile Methoden werden in Teilen bereits zur Lösungsfindung in den Unternehmen verwendet. Diese sind vergleichbar mit dem Design Thinking Prozess.
- Die Kunden im stationären Handel sind im Laufe der letzten Jahre zunehmend ungeduldiger geworden und haben höhere Ansprüche entwickelt. Dies ist auf den wachsenden Marktanteil des Onlinehandels zurückzuführen.
- Stationäre Händler versuchen ihre Position im Markt zu erhalten, indem sie zusätzliche Services entwickeln und im Geschäft anbieten.
- Zu beachte ist, dass das Interesse am Shoppen und Bummeln in der Innenstadt als Freizeitbeschäftigung irrelevanter geworden ist.
- Die Kunden wollen heutzutage mehr Informationen zu Produkten und Unternehmen erhalten. Deshalb ist es wichtig die Angestellten im Geschäft mit Informationen zu versorgen, die für sie und die Kunden relevant sind.
- Die Corona Pandemie hat Einschnitte in das Tagesgeschäft gebracht, aber auch die Augen für neue Möglichkeiten geöffnet.
Erkenntnisse aus den Interviews
Basierend auf diesen Erkenntnissen konnten die zuvor entwickelten Forschungsfragen wie folgt beantwortet werden:
- Wie unterscheidet sich Design Thinking in der Theorie zu der Anwendung im stationären Handel?Der Design Thinking Prozess findet zwar bei den Unternehmen Anwendung, ist aber eine interne Adaption der Methode, ohne sich dieser bewusst zu sein.
- Wie relevant ist die Einbindung des Design Thinking für die Zukunft / Erfolg des stationären Handels?Design Thinking ermöglicht den Angestellten des stationären Handels einen tiefergehenden Blick auf die Kundenbedürfnisse und -wünsche. Basierend auf diesen Erkenntnissen können neue kundenorientierte Services und Features entwickelt werden.
- Welche Vorteile können stationäre Händler unter der Berücksichtigung der Customer Journey in der Design Thinking Methode erzielen?
Die Verstehen und Beobachten Phase des Design Thinking findet vor allem in den Phasen Research on my Phone, Go to Store, Purchase und Usage der Retail Customer Journey statt. Somit zielt sie wie auch die Design Thinking Methode darauf ab ein „Einfühlungsvermögen für die Kunden zu entwickeln und ihre Gefühle auf Schritt und Tritt zu erkennen“[4].
Handlungsempfehlungen
Herleitend aus den Erkenntnissen können folgende Handlungsempfehlungen in Kombination mit Beispielen aus der Praxis aufgeführt werden:
- Besonderer Service im Geschäft
Die Geschäfte sollten den Verkauf von Produkten, sowie die Beratung um Services erweitern, die der Kunden in Anspruch nehmen kann. Ein Beispiel für einen Service ist das Anmischen von Farbe im Baumarkt oder die Laufanalyse im Sportgeschäft. - Effiziente Geschäftsflächennutzung
Die Geschäftsfläche ist eine begrenzte und teure Ressource, daher solltediese bedacht mit Produkten ausgestattet werden. - Einkaufserlebnis
Die Kunden wenden im Rahmen einer An- und Abfahrtszeit auf, um ein Geschäft zu besuchen. Damit sich dieser Aufwand für die Kunden lohnt, kann ein Einkauferlebnis geboten werden, das zu dem stationären Geschäft passt. Dies kann eine besondere Beratung oder das Ausprobieren von Produkten, beispielsweise dem Testen von einem Tennisschläger an einer Tennis Wand im Geschäft, sein.[5] Eine sehr aufwendiges Erlebnis kann die komplette Umgestaltung des Geschäfts in gewissen Zeitintervallen, wie einem Kollektionswechsel, sein, wodurch die Produkte besonders in Szene gesetzt werden.[6] - Digitalisierung
Die Digitalisierung ist heute ein zentraler Bestandteil in den Geschäften. Eine sehr fortgeschrittene Form der Digitalisierung sind kassenlose Geschäfte wie Amazon Go oder Carrefour Flash[7], in denen Mitarbeiter lediglich Kunden begrüßen, Ware auffüllen oder beraten. Die Kassierer werden hierbei durch ein System aus Kameras, Sensoren und Deep Learning ersetzt.[8] Diese Geschäfte können ebenfalls mit anderen Geschäften kombiniert werden, wie das Beispiel von Starbucks und Amazon Go zeigt.[9] - Hoher Self Service
Um dem Kunden ein schnelles und einfaches Einkaufen zu ermöglichen istdie Einbindung eines Self Service sowie Self Checkout zu empfehlen. - Benchmarking
Nachdem die Kundenbedürfnisse verstanden wurden, wird eine Lösung entwickelt, die getestet und weiter ausgearbeitet wird. Sollten sich die Kundenbedürfnisse im Laufe der Zeit verändern, gilt es den Prozess erneut anzustoßen. So kann überprüft werden, ob Annahmen oder Lösungen aus der Vergangenheit noch zutreffen. - Kanalübergreifende Maßnahmen
Bei kanalübergreifenden Maßnahmen handelt es sich um die Verschmelzung vom stationären Handel mit den digitalen Möglichkeiten. Beispiele hierfür sind ein vereinheitlichtes Marketing für den Onlineshop sowie den stationären Handel, als auch eine Erweiterung des Sortiments im Geschäft mit einer Onlineshop- oder App-Lösungen.
Fazit
Die oben aufgeführten Handlungsempfehlungen stellen nur einen Teil der Möglichkeiten dar, welche von stationären Geschäften und den Mitarbeitern in den Zentralen evaluiert werden sollten. Eine direkte Übernahme der diversen verfügbaren Services und Features sowie Lösungen, ohne eine Analyse für die individuelle Situation des stationären Händlers in seiner Micro Lage, ist nicht ratsam. Geschäfte können sich der Design Thinking Methode bedienen, um eigenständig die Ausgangslage der Kundenbedürfnisse und -wünsche herauszuarbeiten. Anschließend sollten geeignete Prototypen entwickelt werden, die in iterativ angelegten Testphasen überprüft werden.