Das Online-Marketing ist ein sehr datengetriebener Bereich, da durch die technischen Möglichkeiten der Datensammlung das Verhalten von Nutzern in Online Shops analysiert und Optimierungspotentiale abgeleitet werden können. Die Customer Journey Analyse ermöglicht es dabei zu messen, welche Marketing-Kanäle für Kunden innerhalb welcher Phase im Kaufprozess besonders relevant sind. Die Interaktion mit einem Werbemittel wird dabei Kontaktpunkt genannt. Ein wichtiger Marketing-Kanal ist das Affiliate Marketing. Von zentraler Bedeutung ist hierbei das vom Unternehmen genutzte Vergütungsmodell: Wie wird ein Publisher für das Schalten von Werbemitteln vergütet? Welche zusätzlichen Incentives kann ein Advertiser setzen? Diesen Fragen bin ich innerhalb meiner Seminararbeit in Kooperation mit OTTO nachgegangen.
Was ist Affiliate Marketing?
Hauptakteure im Affiliate Marketing sind werbetreibende Unternehmen – auch Advertiser oder Merchant genannt – und Affiliate Partner, die Werbemittel des Advertisers auf ihrer Seite integrieren. Affiliate Partner werden auch Publisher genannt. Wie die Abbildung 1 zeigt, muss der Advertiser – z. B. OTTO – zunächst Werbemittel zur Verfügung stellen, die der Publisher – z. B. ein Blog-Betreiber – auf seiner Webseite einbinden kann (Schritt 1). Im zweiten Schritt liest sich ein Nutzer einen Blogbeitrag des Publishers durch und klickt auf eine Werbeanzeige. Der Nutzer wird dann auf die Seite des Advertisers weitergeleitet (Schritt 3). Im Optimalfall findet anschließend eine Transaktion zwischen Nutzer und Advertiser statt (Schritt 4). In diesem Fall hat die Werbeanzeige des Publishers zum Kauf beigetragen und wird entsprechend vom Advertiser vergütet (Schritt 5).[1] In dieser vereinfachten Darstellung finden Affiliate-Netzwerke keine Berücksichtigung. Diese sind aber von besonderer Bedeutung, da viele große Unternehmen – so auch OTTO – mit einem oder mehreren Netzwerkbetreibern kooperieren. Ein solches Netzwerk ist von Vorteil, da es neben den technischen Grundvoraussetzungen auch Zugang zu einer großen Zahl an Publishern ermöglicht und juristisch geprüfte Verträge zur Verfügung stellt.[2]
Attributionsmodelle
Die Vergütung von Publishern wird innerhalb von Vergütungsmodellen festgelegt. Darin ist zu finden, ob zum Beispiel nach dem Last-Cookie-Wins Prinzip vergütet wird, oder ob die Vergütung einer Customer Journey Analyse zugrunde liegt. In einem Attributionsmodell wird genau definiert, wie die Vergütung, die pro Sale ausgeschüttet wird, auf unterschiedliche Kontaktpunkte prozentual verteilt wird. Hierbei kann zwischen statischen und dynamischen Modellen unterschieden werden.[4] Auf Basis des Attributionsmodells errechnet sich für Publisher ihre jeweilige Provision.
Statische Attributionsmodelle
Statische Attributionsmodelle basieren auf vorab festgelegten Verteilungen und spiegeln meist nicht den genauen Ursache-Wirkungszusammenhang wider, da Kaufentscheidungsprozesse nicht realitätsgetreu abgebildet werden. Allerdings bilden diese Modelle häufig einen Startpunkt für die individuelle Modellanpassung.[5] Die folgende Tabelle erläutert die häufigsten Modelle.
Dynamische Attributionsmodelle
Dynamische Attributionsmodelle basieren auf Daten-Analysen, wodurch tatsächliche Wirkungszusammenhänge ermittelt werden können und somit eine verursachungsgerechtere Vergütung möglich ist.[7] Die Customer Journey Analyse unterstützt dabei, alle messbaren Kontaktpunkte zu berücksichtigen und somit auch bei der Ausschüttung der Provisionen mit einzubeziehen. Das Thema Customer Journey betrifft alle Marketing Kanäle. Für das Affiliate Marketing ist relevant, welche Publisher an einem Sale beteiligt waren und zu welchem Zeitpunkt dieser einen Wertbeitrag liefern konnten. In einem dynamischen Attributionsmodell sind verschiedene Parameter relevant, die eine flexible Verteilung beeinflussen. Dazu können zum Beispiel die Anzahl der Kontakte oder auch die zeitliche Länge der Customer Journey gehören.
Das Vergütungsmodell von OTTO
Das Vergütungsmodell von OTTO basiert auf einer Customer Journey Analyse. Somit gehört OTTO zu einem der wenigen Unternehmen, welches nicht mehr auf Basis des Last-Cookie-Wins Prinzip vergütet und einer verursachungsrechteren Vergütung nachkommt. OTTO unterteilt die Publisher in zwei Segmente (Stand 07/2014).[8] 1. Standardsegment:
- Zielgruppe: Publisher, die aktiv keine Vertriebshebel, wie z. B. Gutscheine, kommunizieren und kein Bonus- oder Cashbacksystem betreiben. Dazu gehören u.a. Content Publisher.
- Vergütung: 12 Euro pro Bestellung + 3% vom Netto-Umsatz
2. Specialsegment:
- Zielgruppe: Publisher, die aktiv Vertriebshebel ausloben, sowie Betreiber von Cashback- oder Bonussystemen.
- Vergütung: 5% vom Nettoumsatz + 9 Euro pro Neukunde
Die Vergütung stellt 100% der Provision dar, die pro Sale ausgeschüttet werden kann. Ein Publisher hat aber in den meisten Fällen nur einen Anteil an der Provision. Der prozentuale Anteil muss entsprechend in der Berechnung der Provision berücksichtigt werden. Dieser errechnet sich dynamisch auf Basis festgelegter Parameter, sodass sich für jeden Sale eine individuelle Attribution ergibt. Von OTTO wurden die folgenden Parameter innerhalb ihres Attributionsmodells definiert (siehe Abb. 2):
Die folgenden zwei Beispielrechnungen zeigen, wie sich die Provision errechnen lässt. Die Rechnung basiert auf der Annahme, dass ein Publisher 20% Anteil an einem Sale hat. Neukunde | Netto-Bestellwert: 100 Euro | Publisher: 20% ProvisionsanteilBestandskunde | Netto-Bestellwert: 100 Euro | Publisher: 20% Provisionsanteil
Im Standardsegment gibt es keinen Unterschied der Vergütungshöhe zwischen Neukunde oder Bestandskunde. Für das Specialsegment ist das Neukundengeschäft hingegen deutlich attraktiver. Das zeigt, dass Gutschein-Publisher für OTTO gerade in Bezug auf die Neukundengewinnung wichtig sind. Für das Bestandskundengeschäft ist es für Affiliates attraktiver, dem Standardsegment zuzugehören.
Das Vergütungsmodell von DocMorris
Ein weiterer Advertiser, der im Affiliate Marketing ein Vergütungsmodell auf Basis der Customer Journey Analyse anbietet ist die Versandapotheke DocMorris. DocMorris gehört zwar nicht zu den Wettbewerbern von OTTO, wenn man das Sortiment betrachtet. Jedoch wollen beide Advertiser die besten Affiliate Partner für sich gewinnen, daher ist diese Betrachtung für OTTO relevant. Dem Vergütungsmodell von DocMorris liegt ein statisches U-Modell für die Attribution zugrunde. Vergütet werden maximal sechs Kontaktpunkte. Dazu gehören der erste und der letzte Kontaktpunkt, sowie der zweit- bis fünftletzte Kontakt. Bei mehr als fünf Kontaktpunkten werden der zweite bis inklusive sechstletzte Kontakt nicht vergütet. Der erste Kontakt erhält immer 16% der Vergütung, die Kontakte zwischen dem ersten und letzten erhalten immer 1% und der letzte Kontaktpunkt erhält den gesamten Rest der Vergütung, siehe dazu auch Abbildung 3.
DocMorris kommuniziert das Attributionsmodell sowie unterschiedliche Customer Journey Beispiele sehr transparent. Das erzeugt Akzeptanz und Verständnis bei Publishern. Hier sind die unterschiedlichen Customer Journey Beispiele von DocMorris zu finden.Incentivierungsmöglichkeiten
Bei Incentives geht es darum, in wiefern man für Publisher innerhalb des Vergütungsmodells zusätzliche Anreize setzen kann, um das Affiliate Programm von OTTO attraktiv zu gestalten. Es geht hierbei nicht um die Optimierung der prozentualen Anteile innerhalb des Attributionsmodells. Herausgearbeitet wurden die folgenden Incentivierungsmöglichkeiten:
- Transparenz
- Basket Tracking
- Ad Impressions
- Mobile Affiliate Marketing
- Warenkorbsperre
Transparenz
Es ist von zentraler Bedeutung, das angewandte Vergütungsmodell transparent zu kommunizieren. Da es sich bei dem von OTTO genutzten Vergütungsmodell um einen sehr fortschrittlichen Ansatz handelt, der noch nicht weit verbreitet ist, ist es umso wichtiger, bei Publishern Verständnis und Akzeptanz zu erzeugen.[11] Nur wenn ein Publisher weiß, an welcher Position er innerhalb der Customer Journey einen Wertbeitrag liefern konnte, kann dieser sein Angebot auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse optimieren. Hierbei handelt es sich nicht um eine direkte monetäre Incentivierung. Führt aber die gewonnene Information eines Publishers dazu, dass er sein Angebot so optimieren kann, dass daraus erhöhte Warenkorbwerte resultieren, so hat dies doch einen indirekten monetären Einfluss – sowohl für Publisher als auch für Advertiser. Da es sich bei OTTO um ein dynamisches Attributionsmodell handelt, ist das Thema Transparenz deutlich komplizierter, als zum Beispiel bei DocMorris, wo ein statisches Attributionsmodell im Einsatz ist. Dennoch sollte geprüft werden, inwiefern es möglich ist, den Publishern weitere Insights zur Verfügung zu stellen.
Basket Tracking
Beim Basket Tracking werden die einzelnen Posten des Warenkorbs differenziert getrackt. Die Posten können unterschiedlichen Kategorien angehören, auf die wiederum Margen unterschiedlicher Höhe erzielt werden können. So kann auch die Provisionshöhe für jede Kategorie individuell und für bestimmte Zeiträume festgelegt werden.[12] Bei GALERIA Kaufhof wird Basket Tracking zwar genutzt, ist allerdings nicht im Vergütungsmodell implementiert.[13] In Bezug auf das Affiliate Marketing kann die Einführung von Basket Tracking in zwei Schritte unterteilt werden:
- Implementierung der Technik und Informationen den Publishern zur Verfügung stellen: So können Publisher Insights über die von ihnen generierten Warenkörbe erhalten und ihre Affiliate-Aktivitäten optimieren.
- Verankerung des Basket Trackings im Vergütungsmodell: Auf unterschiedliche Produktkategorien werden Provisionen unterschiedlicher Höhe ausgeschüttet. Das könnte zum Beispiel den Abverkauf von Produkten mit hohen Margen fördern.
OTTO müsste zunächst die technische Umsetzbarkeit der individuellen Anforderungen mit affilinet, dem exklusiven Affiliate-Netzwerkpartner abklären. Im Anschluss daran könnte diese Maßnahme in den oben genannten zwei Schritten erfolgen.
Ad Impressions
Statische Attributionsmodelle, wie z. B. das U-Modell spiegeln nicht zwingend den realen Erfolgsbeitrag einzelner Kontaktpunkte wider. Es besteht die Möglichkeit, aus der Vielzahl von Ad Impressions die auszufiltern, die für den Abverkauf besonders relevant sind. Ad Impressions sind die Anzeigen, die ein Nutzer sieht, wenn er sich auf einer Seite befindet, diese aber nicht anklickt. Die Relevanz kann unter anderem dadurch festgestellt werden, wie viel Zeit nach Ansicht der Anzeige vergeht, bis der Nutzer über einen anderen Werbekanal auf die Seite des Advertisers gelangt, um dort z. B. eine Bestellung durchzuführen. Vergehen nur wenige Minuten, so könnte die Anzeige als relevant eingestuft werden. Im Gegensatz dazu sind Ad Impressions nicht relevant, bei denen eine Woche vergeht, bis der nächste Kontakt mit einem Werbemittel stattfindet.[14]
Mobile Affiliate Marketing
Dieses Thema ist eigentlich viel zu umfangreich für diesen Beitrag, soll aber an dieser Stelle in aller Kürze erläutert werden. Die Nutzung mobiler Geräte innerhalb des Kaufprozesses ist laut einer Studie aus 2014 vom Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland (bevh) von 2012 auf 2013 um 10 Prozentpunkte auf insgesamt 47% gestiegen (2012: 37%).[15] Da eine große Begeisterung bei Nutzern herrscht, mehrere mobile Geräte für die Online-Recherche zu nutzen, entstehen neue Zielgruppen für Webseiten die Gutscheincodes, Treueprogramme und ähnliche Services anbieten.[16] Daraus ergibt sich die Chance für Advertiser, direkt oder über Publisher, rund um die Uhr mit dem Verbraucher in Kontakt zu treten. Voraussetzungen für Mobile Affiliate Marketing sind u.a.:
- Mobile Shopseite oder App
- Gut aufbereitete Produktlisten für Publisher
- Sicherstellung von Mobile Tracking
- Mobil optimierte Werbemittel (Format 6:1)
Da das mobile Affiliate Marketing in den kommenden Jahren aller Voraussicht nach weiter wachsen wird, sollten Advertiser, die die genannten Voraussetzungen erfüllen, diesen Bereich so schnell wie möglich bedienen.
Warenkorbsperre
Bei einer Warenkorb-Sperre geht es darum, eine Provisionierung von Gutschein Publishern zu verhindern, die aufgerufen werden, wenn der Warenkorb bereits gefüllt ist und der Kunde kurz vor dem Kaufabschluss steht. Hintergrund dafür ist, dass die Werbeleistung dieser Gutschein Publisher als eher gering eingeschätzt wird. Sie überzeugen Kunden nicht davon, bestimmte Produkte zu kaufen, sondern fördern den Mitnahmeeffekt. Die Werbeleistung der Publisher, die in einer früheren Phase des Kaufprozesses aufgesucht werden, wird damit als relevanter eingestuft. Die Warenkorbsperre soll das sogenannte Gutschein-Spamming eindämmen. Content Publisher, aber auch Gutschein-Portale mit einer relevanten Werbeleistung profitieren von dieser Maßnahme.[17] Eines der Ziele von OTTO ist es, Publisher fair ihrem tatsächlich geleisteten Werbebeitrag entsprechend zu vergüten. Diese Maßnahme würde das Ziel unterstützen.[18]
Fazit
Die aufgeführten Incentivierungsmöglichkeiten können dazu führen, das Vergütungsmodell von OTTO für Publisher attraktiver zu gestalten. Die behandelten Themen – u. a. Transparenz oder Basket Tracking – fördern das Ziel, die beteiligten Kontaktpunkte ihrem Erfolgsbeitrag entsprechend fair zu vergüten. Nur Publisher, die im Kaufprozess eine tatsächliche Werbeleistung beitragen können, sollen in Zukunft von den Affiliate-Provisionen profitieren können. Die Customer Journey Analyse ist trotz technischer Möglichkeiten des Trackings nach wie vor mit Einschränkungen behaftet. Eine der größten Herausforderungen besteht darin, dass Device-übergreifendes Tracking zwar notwendig wäre, aber in der Regel noch nicht komplett abgebildet werden kann.[19]