Strategien zur Revitalisierung der Innenstädte: Maßnahmen und Fallbeispiele 

Die fortschreitende Verödung der Innenstädte ist ein Phänomen, das nicht nur die wirtschaftliche Vitalität bedroht, sondern ihren weiteren Zweck als wichtige soziale Treffpunkte gefährdet. Es stellt sich also die Frage, wie Städte ihre Innenbereiche neu beleben können, um diesem Trend des Verfalls entgegenzuwirken.   

Socializen statt Konsum? 

Wir nehmen Innenstädte als ein Ausdruck urbaner Lebensqualität wahr. Sie sind nicht nur Orte des Konsums, sondern auch Treffpunkte für soziale Interaktionen, Freizeitaktivitäten und kulturelle Erlebnisse. Seit den 1990er Jahren hat sich die Anzahl der großen Kaufhausunternehmen in Deutschland jedoch drastisch reduziert. Die Ursachen dafür sind multikausal: Gesellschaftliche Veränderungen, Konsumgewohnheiten und, als maßgeblicher Treiber, der E-Commerce. Studien zeigen, dass die Umsätze im stationären Einzelhandel stagnieren, während der E-Commerce stetig wächst. Diese Verschiebung führt dazu, dass immer mehr Einzelhändler ihre physischen Geschäfte schließen müssen. Die COVID-19-Pandemie hat diese Entwicklung noch weiter beschleunigt. Lockdowns und die verstärkte Nutzung von Homeoffice. Das offensichtliche Resultat: ein signifikanter Rückgang der Besucherzahlen in den Stadtzentren. Viele Menschen verbrachten mehr Zeit in ihren Wohngebieten und verlagern ihren Konsum dorthin. Das hatte zur Folge, dass der Einzelhandel und die Gastronomie in den Innenstädten stark zurückgingen.

Räumliche Konsumveränderung in der Metropolregion München in den Sommern 2020, 2021 und 2022 im Vergleich zu 2019
Abbildung 2: Alipour, J.-V., Falck, O., Krause, S., Krolage, C., & Wichert, S. (2016.). Die Innenstadt als Konsumzentrum: Ein Opfer von Corona und Homeoffice?*.

Untersuchungen in Städten wie Augsburg zeigen außerdem eine Veränderung des Konsumverhaltens. Immer mehr Menschen besuchen die Innenstadt nicht primär zum Einkaufen, sondern für Freizeitaktivitäten wie den Besuch von Restaurants oder kulturellen Veranstaltungen. Der Konsum steht immer seltener im Vordergrund; Aktivitäten wie „Socializen“, das Treffen mit Freunden und das Erleben gemeinschaftlicher Veranstaltungen, gewinnen immer mehr an Bedeutung. Doch wie bringen wir die Menschen wieder dazu, in der Innenstadt Geld auszugeben und ihre Zahlungsbereitschaft zu erhöhen? 

Veränderung der Motive für den Innenstadtbesuch der Online-Shopper
Abbildung 3: Veränderung der Motive für den Innenstadtbesuch der Online-Shopper (2012 ́bis 2016)
(Hilpert & Völkening, 2020a, S. 12)

Maßnahmen zur Belebung der Innenstädte 

Eine erfolgreiche Belebung der Innenstädte erfordert eine Kombination verschiedener Maßnahmen, die auf die spezifischen Bedürfnisse und Gegebenheiten der jeweiligen Stadt abgestimmt sind. Die wichtigsten:  

Leerstandsmanagement  

Das Leerstandsmanagement ist ein zentrales Instrument zur Bekämpfung der fortschreitenden Verödung. Dabei geht es darum, leerstehende Immobilien temporär oder dauerhaft einer neuen Nutzung zuzuführen. Beispiele für erfolgreiche Zwischennutzungen sind Pop-Up-Stores, Kunstateliers und Coworking-Spaces. Das fördert nicht nur die lokale Wirtschaft und das soziale Leben, sondern sind ein Schritt zur langfristigen Attraktivitätssteigerung der Innenstadt. In Städten wie Bad Bergzabern hat sich gezeigt, dass die temporäre Nutzung leerstehender Ladenlokale als Ausstellungsräume für Künstler die Attraktivität der Fußgängerzonen erheblich steigern kann​​.  

Events  

Veranstaltungen sind eine vielversprechende Möglichkeit, nicht nur Besucherzahlen in den Innenstädten zu erhöhen, sondern primär die Verweildauer zu erhöhen und dadurch die Konsumlust zu fördern. Regelmäßige Events wie Wochenmärkte, Stadtfeste oder kulturelle Veranstaltungen locken viele Menschen an und sorgen dafür, dass die Innenstädte lebendig bleiben. Sie bieten die Gelegenheiten für Einzelhändler und Gastronomen, ihre Produkte und Dienstleistungen zu präsentieren und neue Kunden zu gewinnen. Wichtig ist jedoch, dass die Einzelhändler selbst aktiv werden und eigene Aktionen planen, um von den erhöhten Besucherzahlen zu profitieren​​.  

Stadtmarketing und Place Branding

Eine gezielte Marketingstrategie ist entscheidend: Durch professionelles Stadtmarketing können Städte ihre Stärken hervorheben und ein positives Image aufbauen. Klassische Werbemaßnahmen wie Plakate und Flyer sollten durch moderne digitale Schnittstellen ergänzt werden, um eine breite Zielgruppe zu erreichen. Soziale Medien und eine gut gestaltete Website sind heutzutage wichtige Kanäle, um die Bekanntheit der Stadt zu steigern und Besucher anzulocken​​.  

Erreichbarkeit

Eine gute Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr, sichere Radwege und ausreichend Parkmöglichkeiten sind notwendig, damit Menschen bequem in die Innenstadt gelangen können. Darüber hinaus sollten Fußgängerleitsysteme und barrierefreie Zugänge dafür sorgen, dass sich alle Besucher gut orientieren und wohlfühlen​​.  

Steigerung der Aufenthaltsqualität  

Saubere und sichere öffentliche Plätze, ausreichend Sitzgelegenheiten, eine ansprechende Begrünung sowie attraktive Beleuchtungskonzepte ist wichtig, damit sich Menschen gerne in der Innenstadt aufhalten. Dazu gehören kostenfreies WLAN und interessante Kunstinstallationen, die zusätzlich dazu führen, dass Besucher länger verweilen und die Zeit in der Innenstadt genießen​​.  

Fallbeispiele

Pop-Up 

Ein herausragendes Beispiel ist das Pop-Up-Projekt „Probierstadt Verden“ in Niedersachsen. Dieses Projekt ermöglichte es durch reduzierte Mieten, zahlreiche innovative Geschäftsideen zu testen und langfristige Mietverträge abzuschließen. Die Vielfalt an neuen Geschäftskonzepten, die von Modeboutiquen über Kunsthandwerksläden bis hin zu Spezialitätenläden reichte, erwies sich als voller Erfolg. Diese Initiative zeigt, dass Pop-Up-Stores nicht nur temporäre Lösungen darstellen, sondern langfristig zur Attraktivitätssteigerung und wirtschaftlichen Stabilität von Innenstädten beitragen können. Ein weiteres bemerkenswertes Beispiel ist das „pop up quartier“ in Osnabrück, das 2022 ins Leben gerufen wurde. Hier wurden sowohl einzelne Flächen innerhalb des Stadtrings als auch ein ehemaliges Sportarena-Gebäude am Neumarkt genutzt, um neue Geschäftsmodelle zu fördern. Mit wechselnden Nutzungen alle acht Wochen wurde ein dynamisches Umfeld geschaffen, das eine breite Zielgruppe ansprach. Das Projekt wurde vom Citymanagement organisiert und durch ein umfangreiches Kommunikationskonzept unterstützt. 

Pop-Up-Projekt „HUUS Elmshorn“ in Norddeutschland: In einem ehemaligen Blumengeschäft wurde die Miete stark reduziert, um neuen Geschäftsideen eine Chance zu geben. Die Nutzung durch wechselnde Anbieter, darunter ein Fashion-Label, ein Kunsthandwerker und ein Craft-Beer-Anbieter, führte zur langfristigen Vermietung der Fläche und zur Schaffung eines neuen beliebten Treffpunkts in der Stadt. Die Organisation des Vermietungsmanagements durch das Stadtmarketing Elmshorn war entscheidend für den Erfolg des Projekts und verdeutlichte, wie wichtig eine gezielte und unterstützende Stadtmarketingstrategie ist. 

Mixed-Use 

Mixed-Use-Zentren kombinieren verschiedene Nutzungen wie Wohnen, Arbeiten, Einkaufen und Freizeit und schaffen so ein lebendiges und vielseitiges Umfeld. In vielen Städten haben Mixed-Use-Center dazu beigetragen, die Besucherzahlen zu erhöhen und die Aufenthaltsdauer zu verlängern. Durch die Integration unterschiedlicher Funktionen entsteht eine attraktive Mischung, die die Bedürfnisse der Bewohner und Besucher gleichermaßen erfüllt und die Innenstadt als multifunktionalen Raum stärkt. Ein Beispiel für den erfolgreichen Einsatz von Mixed-Use-Centern ist das Projekt in München, bei dem ein ehemaliges Kaufhaus in ein Zentrum umgewandelt wurde, das Einzelhandel, Büros, Wohnungen und Freizeiteinrichtungen kombiniert. Diese vielseitige Nutzung hat nicht nur die wirtschaftliche Stabilität des Gebäudes gesichert, sondern auch neue Besucherströme in die Innenstadt gebracht und die Attraktivität des Stadtteils insgesamt erhöht.

Events

Große Events wie Stadtfeste, Märkte und Festivals ziehen zahlreiche Besucher an und fördern die lokale Wirtschaft. Beispielsweise hat das jährliche Stadtfest in Bremen die Besucherzahlen stark erhöht und den Umsatz der lokalen Einzelhändler gesteigert. Auch kleinere Events wie Wochenmärkte oder kulturelle Veranstaltungen bieten regelmäßige Anreize für Besuche. 

Fazit

Die fortschreitende Verödung der Innenstädte ist ein komplexes Problem, das innovative und vielfältige Lösungen erfordert. Die Kombination der erwähnten Maßnahmen – Pop-Up-Stores, Mixed-Use-Center und regelmäßige Events – zeigt, dass eine vielfältige und kreative Herangehensweise notwendig ist, um die komplexen Herausforderungen der innerstädtischen Verödung zu meistern. Erfolgreiche Fallbeispiele verdeutlichen, dass durch gezielte und koordinierte Anstrengungen von Stadtverwaltung, Wirtschaftsförderung und privaten Initiativen nachhaltige positive Effekte erzielt werden können.

Abbildungen

Abbildung 1: https://pixabay.com/de/photos/einkaufsstra%C3%9Fe-fu%C3%9Fg%C3%A4ngerzone-7924559/ 

Abbildung 2 : Alipour, J.-V., Falck, O., Krause, S., Krolage, C., & Wichert, S. (2016.). Die Innenstadt als Konsumzentrum: Ein Opfer von Corona und Homeoffice?*.

Abbildung 3: Hilpert, M., & Völkening, N. (2020a). Shoppen, Surfen, Socializen – Aktuelle Konsumtrends hybrider Konsumenten in der Innenstadt. Zeitschrift Für Wirtschaftsgeographie, 64(1), 28–42. https://doi.org/10.1515/zfw-2017-0030

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert