Seit dem 12.November 2019 haben sich Car2Go (Daimler) und Drive Now (BMW), die zwei stärksten Konkurrenten in dem Carsharing Markt, zusammengeschlossen und damit das beeindruckende Joint Venture ‚Share Now‘ gegründet.
Share Now ist der größte Carsharing Anbieter in Deutschland, mit 3 Millionen Kunden und 7.400 Fahrzeugen. Das Unternehmen basiert auf dem sogenannten Free Floating Modell, das bedeutet, dass man die Autos überall und jederzeit anmieten und abstellen kann. Dieses Modell ist nur mit modernen Kommunikationstechnologien möglich und existiert daher erst seit einigen Jahren. Die Fahrzeuge kann man mit Hilfe einer Mobile-App anmieten bzw. abstellen und die Konnektivität der Autos muss hierfür immer gegeben sein.
Share Now setzt, eigenen Angaben nach, auf nachhaltige Lösungen und möchte gerade in großen Innenstädten den Verkehr deutlich entlasten. Ihrem Blog nach ersetze ein Carsharing Auto bis zu acht Privatfahrzeuge und werde sechsmal häufiger genutzt. Damit leiste das Unternehmen einen wichtigen Beitrag zur Klimawende. [1]
Wie gut jedoch ist das Unternehmen im Gegensatz zum Wettbewerb aufgestellt? Wie vernetzt ist Share Now in den unterschiedlichen Kanälen? Und braucht man wirklich nur die App, wie Share Now das verspricht? Die Antworten auf diese Fragestellungen und Verbesserungsvorschläge werden in der folgenden Multi Channel Analyse aufgezeigt.
Wettbewerber
Share Now dominiert zurzeit den Markt, wie viele Statistiken zeigen.[2] Dennoch gibt es auch andere Carsharing Anbieter auf dem Markt, wie zum Beispiel Cambio, Miles, SIXT Share und Stadtmobil, die man nicht vernachlässigen darf.
Der Markt ist zwar insgesamt noch relativ jung aber der Wettbewerb ist mittlerweile schon recht hoch, insbesondere auch, weil große Unternehmen aus anderen Branchen neue Marken in dem Bereich platziert haben und viel Geld in diese Unternehmen investieren. Allen voran natürlich Daimler und BMW selbst, die als Konzerne hohe Summen für die Verbreitung von Share Now bereitgestellt haben. Aber auch Sixt hat für den Markteintritt hohe Summen investiert um Fuß fassen zu können in einem Markt der hohes Zukunftspotential hat.
Differenzierungsfaktoren
Um Share Now besser von den Wettbewerbern zu differenzieren, wurden acht Faktoren für die Betrachtung hinzugezogen. Anhand der Differenzierungsfaktoren lässt sich darstellen, wie sich das Unternehmen vom Wettbewerb abhebt.
Preise: Bei Share Now gibt es unterschiedliche Tarife z.B. Minutentarife, Stundentarife und Tagestarife. Der Carsharing Anbieter kann sich mit den Minuten- und Stundentarif von den Wettbewerbern abheben. Beim Stundentarif kommen noch 0,19€ pro Kilometer hinzu. Damit liegt er preislich oftmals höher, als wenn man sich ein Mietwagen ausleihen würde für einen ähnlichen Zeitraum. Die Preise können können je nach Umstand variieren, zum Beispiel zahlt man einen Aufschlag wenn man ein Auto am Flughafen anmietet oder abstellt, aber die Preistransparenz ist in der App zumindest vollständig gegeben.
Sortimentsbreite und -tiefe: Durch den Zusammenschluss von Car2Go und Drive Now wurde die Fahrzeugflotte sehr stark erweitert. Von dem klassischen Smart bis hin zu einer hochwertigen BMW Klasse bietet Share Now nun eine hohe Bandbreite an Fahrzeugen an. Für die meisten Bedürfnisse oder auch die meisten Situationen ist Share Now mit ihrer Flotte gut aufgestellt. Auch die Anzahl der verfügbaren Fahrzeuge hat sich durch den Zusammenschluss deutlich erhöht. Die beiden Autohersteller haben nun die Möglichkeit viel mehr Fahrzeuge zur Verfügung zu stellen und das Carsharing Netz auf weitere Flächen auszubreiten.
Standort/Kanäle: Gerade in der Innenstadtlage in den Großstädten wie Hamburg, Berlin, München, Köln, Wien und Mailand sind die Fahrzeuge von Share Now sehr präsent und sehr gut verteilt. Sie haben eine hohe Standortdichte, meistens braucht man nicht länger als 10 Minuten zu einem Carsharing Fahrzeug. Jedoch sieht es in der Stadtrandlage oder in kleineren Städten und Dörfern anders aus. Dort kann man das Carsharing Angebot selten nutzen und das Netz ist meistens bis dahin gar nicht ausgeweitet. Die Hoffnung vieler Nutzer ist es, dass sich das durch die Fusion ändert und Share Now ihr Geschäftsgebiet ausweiten kann.
Einkaufserlebnis: Das Einkaufserlebnis bei Share Now ist anders als zum Beispiel bei einem Modelabel mit Online Shop. Der Benutzer kauft kein Produkt oder nimmt keine Dienstleistung in Anspruch, sondern mietet ein Auto und fährt es selbst. Das Einkaufserlebnis hier ist es, dass ein reibungsloser Ablauf, von der Auswahl des Autos, über die Anmietung, bis zum Abstellen eines Fahrzeuges, gewährleistet wird. Auch die Sauberkeit der Fahrzeuge, die Fahrtüchtigkeit und der Kundenservice tragen zum „Einkaufserlebnis“ bei. Dabei sind diese Kundenprozess bereits so gut optimiert, dass für gewöhnlich ein reibungsloser Ablauf gewährleistet ist.
Hilfestellungen/AGB/Mitarbeiter: Auf der Website von Share Now stehen alle wichtigen Informationen zur Nutzung des Dienstes zur Verfügung. Auch ein FAQ gibt es, mit dem man die häufig gestellten Fragen und dazugehörige Antworten findet. [3] Der Kundenservice steht telefonisch rund um die Uhr zur Verfügung, zum Beispiel wenn kein Autoschlüssel im Auto vorhanden ist, das Auto nicht anspringt, oder man Wertsachen im Auto vergessen hat.
Zielgruppe
Ein Fahrzeug anmieten, darf jeder der über 20 Jahre alt ist und mindestens ein Jahr einen Führerschein besitzt.
Share Now möchte verschiedene Personengruppen ansprechen. Ein besonderer Fokus liegt auf jungen Erwachsenen, die sich bewusst gegen ein Auto entschieden haben, da ihnen die Fixkosten für ein eigenes Fahrzeug zu hoch sind, sie flexibel sein möchten oder aus Klimaschutzgründen kein Auto besitzen.
Auch für Geschäftsleute ist das Angebot sehr attraktiv, da sie in anderen Städten flexibel zu Geschäftsmeetings fahren können oder vom Flughafen zu dem Ort des Geschäftstermins. Für diese Zielgruppe bietet Share Now auch ‚Share Now For Business‘ an. [4] Dort können die Unternehmen für die Mitarbeiter einen Account anlegen oder direkt die Unternehmenskreditkarte hinterlegen, sodass die Unternehmen direkt die Zahlung übernehmen.
Kontaktkanäle und Kanalvernetzung
Bei der Multi-Channel Analyse von Share Now wurden auch die Kanäle genauer betrachtet. Hierbei wurde vor allem auf deren Vernetzung und die kanalübergreifende Integration geachtet, da nicht nur eine Variation an Kanälen ausschlaggebend für einen guten Multi-Channel-Händler ist. Aufgefallen ist, dass das Unternehmen immer wieder mit dem Motto „Alles was du brauchst ist unsere App“ wirbt. [5] Bei genauerer Betrachtung ist aufgefallen, dass die App tatsächlich als Lead-Channel im Mittelpunkt zwischen allen anderen Kanälen steht und von diesen beworben wird mit Beiträgen und Videos. Zu den Kommunikations- und Werbekanälen gehören Social Media, die Website, der Showroom in Berlin, Empfehlungsmarketing, die Fahrzeuge selbst mit dem Logo, der Newsletter und der Car2Go eigene Blog mit Beiträgen rund ums Car-Sharing. [6], [7]
Kanalvernetzung anhand einer Customer Journey
Für die weitere Analyse der Kanäle und vor allem zur Anschaulichkeit der Vernetzung zwischen den Kanälen wurde eine mögliche Customer Journey einer Nutzung der Car Sharing Autos herangezogen.
Als erster Schritt entsteht das Bedürfnis von A nach B zu gelangen. Hierbei werden alle möglichen Fortbewegungsmittel im Kopf abgespielt. Durch diverse Kontaktkanäle ermöglicht Share Now über mehrere Touchpoints hinweg auf das Unternehmen aufmerksam zu werden. Die Entscheidung für ein Carsharing Auto kann durch verschiedene Gründe beeinflusst werden, wie zum Beispiel den weiten Weg bis zur Bahn. Es kann entschieden werden, ob die Registrierungs- und Führerschein-Validierung per App, Website oder persönlich im Car2Go Showroom erfolgen soll. Somit bietet das Unternehmen für jeden individuellen Kunden eine Möglichkeit an. Zum Fahrtantritt wird das Auto, welches dem Kunden am nächsten ist, per App ausgewählt und die Miete beim Erreichen des Autos gestartet. Der Download der App ist also unumgänglich, da es die einzige Möglichkeit ist, die Autos zu nutzen. Während der Fahrt kann es zu Fragen zum Carsharing Auto kommen, die durch einen Anruf mit der in der App hinterlegten Nummer vom Kundenservice beantwortet werden kann. Nach Beendigung der Fahrt kann eine Bewertung in der App abgegeben werden. Die Zahlung erfolgt per Lastschrift oder Kreditkarte. Loyalität entsteht durch positive Erfahrung. Ansonsten geht das Unternehmen wenig darauf ein, Kunden zu behalten. Rabattaktionen oder Treuepunkte gibt es nicht.
Qualitative Bewertung der kanalübergreifenden Nutzung
Um die Customer Journey nun qualitativ zu bewerten und auf Probleme und Chancen aufmerksam zu machen, wurde die Kanalvernetzung im Selbsttest genauer analysiert. Hierbei wurde der Fokus auf die App-Nutzung gelegt, da diese mit allen anderen Kanälen vernetzt ist. Die kanalübergreifende Nutzung hat einwandfrei funktioniert. Ein positives Beispiel der Vernetzung war, dass der Kundenservice zu jederzeit über den Standort der Autos informiert war. Ein verlorener Gegenstand im Auto konnte so problemlos wiedergefunden werden. Hierfür wurde das gefahrene Auto ermittelt und für andere Kunden gesperrt.
Trotzdem gibt es Verbesserungsvorschläge bei der Vernetzung, auf die Share Now genauer eingehen sollte. Zuerst wäre ein Hinweis beim Verlassen der Parkzone sinnvoll, da das Auto nur im Geschäftsgebiet abgestellt werden darf, um das Handy nicht während der Fahrt nutzen zu müssen. Somit würde die Vernetzung zwischen App und Realität verbessert werden. Zudem könnte eine Live-Chat Funktion in der App integriert werden, um Fragen schneller zu beantworten und dem Kunden mehr Sicherheit beim Fahren zu geben.
Darüber hinaus sollte Share Now auch über den “Tellerrand” schauen und eine Nutzung der Autos über andere Apps und Kanäle ermöglichen. Hierbei wäre eine Kooperation mit Google Maps sinnvoll, sodass bei der Navigationssuche direkt ermöglicht wird, ein Auto zu buchen und sich diese in der App anzeigen zu lassen. Außerdem könnte eine Kooperation mit öffentlichen Verkehrsmitteln sinnvoll sein. Es gibt zwar schon spezielle Carsharing Parkplätze vor Bahnhöfen und Flughäfen, trotzdem könnten Rabattaktionen bei Nutzung beider Anbieter zu mehr Kunden führen.
Fazit
Trotz des hohen Wettbewerbs im Carsharing Markt, dürfte Share Now als Marktführer aktuell sehr gut aufgestellt sein. Durch den Zusammenschluss wurde eine kritische Größe erreicht, um auf Dauer mit dem Modell erfolgreich sein zu können. Der Zusammenschluss hat insbesondere die Sortimentstiefe deutlich erhöht und ermöglicht es Share Now nun eine noch breitere Zielgruppe anzusprechen.
Share Now versucht mit regelmäßigen Änderungen am Puls der Zeit zu bleiben. Früher konnte das Auto nur mit einer Karte geöffnet werden und nicht per App. Zudem sollen bald Funktionen wie das Fahren ohne Schlüssel und das Aufschließen per Bluetooth möglich sein. Auch elektrische Fahrzeuge sollen immer mehr zu der Flotte hinzugefügt werden.
Das Ziel des Unternehmens ist es alle Funktionen über die App zu steuern. Andere Kanäle dienen eher zum Zweck der Kommunikation. Dies ist in die Bewertung mit eingeflossen. Alle existierenden Kanalübergänge funktionieren reibungslos.
Trotzdem sollte in Zukunft mehr Wert auf Kooperationen gelegt werden, um auch von anderen Apps aus erreichbar zu sein und das Kundennetz zu erweitern. Die Fusion von Car2Go und Drive Now ermöglicht hier vielleicht neue Weiterentwicklungsmöglichkeiten.