Intro:
In der heutigen Zeit, in der Instagram, TikTok und Co. schon zum Alltag einiger Leute dazugehört, das Influencer Dasein für manche der neue Traumberuf ist und wir täglich Influencer Werbung in unserem Feed haben, stellten sich einige Wissenschaftler die Frage, ob man Influencer-Marketing nicht auch zum guten Nutzen kann.
Der Plan dahinter: Neuartige und umweltbewusstere Technologien, mithilfe von Influencer Marketing, in räumlich abgelegene Gebiete zu etablieren, in denen es ansonsten schwerer ist, diese zu vermarkten.
Wie die Wissenschaftler dabei vorgegangen sind und was die Ergebnisse der Studie zeigen, erfährst du in diesem Beitrag.
Theoretischer Hintergrund:
Seit Jahrzehnten werden Pestizide zur Schädlingsbekämpfung von Nutzpflanzen angewandt. Jedoch gibt es gesellschaftliche Bedenken hinsichtlich der Lebensmittelsicherheit, des Umweltschutzes und der Gesundheit der Sprüher.
Jährlich sterben ca. 200.000 Menschen aufgrund von giftigen Pestiziden. Zusätzlich werden 68 Pestizide als potenziell krebserregend eingestuft.
Ein neuartiges, verbessertes Nanopestizid soll nun dabei helfen, das alte Pestizid zu ersetzen. Die Vorteile der neuen Nanotechnologie sind überwältigend. Es ist zum einen umweltfreundlicher und sicherer in der Anwendung, da keine giftigen, organischen Lösungsmittel verwendet werden, zum anderen ist es dabei aber auch effizienter in der Anwendung.
Jedoch erfolgt die Vermarktung der Pestizide, gerade in Schwellen- und Entwicklungsländern, meist über andere Kanäle, als wir sie gewohnt sind.
- In Schwellenländern erfolgt die Informationsübermittlung durch persönliche Kommunikation
- üblicherweise werden Informationen via Mundpropaganda weitergegeben
Kann möglicherweise aber Influencer-Marketing dazu beitragen, diese neuartige Technologie in abgelegene Regionen zu etablieren.
Forschungsfragen:
Hieraus haben sich folgende Forschungsfragen ergeben:
- Wie können kostengünstige Online-Marketinginstrumente eine grünere und gesündere Welt schaffen, indem sie die Verbreitung einer neuen Pestizidtechnologie im ländlichen China fördern?
- Kann durch eine Social-Media-Plattform die Einführung einer neuen Technologie die Unsicherheit der Kunden beseitigen?
Bei der Beantwortung der Forschungsfragen, wurde auf drei Unsicherheiten eines potenziellen Nutzers eingegangen. Bisherige Studien haben sich entweder auf nur eine der noch zu nennenden Unsicherheiten bezogen oder die Unsicherheiten erst gar nicht berücksichtigt. Bei den Unsicherheiten handelt es sich erstens, um die Authenzität des Produktes. Dies sagt aus, wie aussagekräftig ein Produkt in Bezug auf seine Anwendung und Wirkung ist. Die zweite Unsicherheit betrifft den Anbieter, der das Produkt auf den Markt bringt. Hierbei gilt es beim potenziellen Nutzer die Glaubwürdigkeit des Anbieters zu überwinden, sodass der Nutzer dem Anbieter vertraut und die Versprechen gegenüber dem Kunden zuverlässig übermittelt und auch eingehalten werden. Als letzte Unsicherheit wird das Wissen über die richtige Anwendung und der wirkliche Nutzen des Produktes angesehen.
Ablauf der Studie:
Um die soeben dargestellten Forschungsfragen zu beantworten, wurde eine randomisierte und kontrollierte Studie (“RCT”, engl.: randomized controlled trial) durchgeführt. Die wichtigsten Merkmale dieses Studientyps liegen darin, dass die jeweiligen Behandlungsgruppen nach dem Zufallsprinzip in die Interventionsgruppen eingeordnet werden. Zusätzlich gibt es zu den Interventionsgruppen eine Kontrollgruppe, die den Effekt des zu untersuchenden Objekts verdeutlichen soll. Des Weiteren wurde bei der Studie eine Pilotstudie durchgeführt, die zur Entwicklung der eigentlichen Studie und der Hauptforschung verhalf. Hierbei wurden drei wichtige Erkenntnisse aus der Pilotstudie gewonnen. Für die eigentliche Studie hat sich das Verständnis über die Produktpraktiken und den möglichen Problemen bei der Anwendung des neuartigen Pestizids erhöht. Zudem ist eine angemessene Schulung der Dienstleister mit systematischen und standardisierten Protokollen von entscheidender Bedeutung. Als dritte und letzte Erkenntnis ergab sich die erhöhte Replizierbarkeit des Versuchsablauf, welches die Wiederholbarkeit der Studie an einem identischen aber geografisch weit entfernten Ortes festigte.
In der Hauptforschung haben 34 Dörfer und insgesamt 643 Landwirte teilgenommen. Je Dorf gab es eine unabhängige Social-Media-Gruppe, in der frei und ohne Einschränkung über alle Themen geschrieben werden konnte. Bei einigen Dörfern wurden Influencer hinzugefügt, die sich jedoch von den uns bekannten Influencern in Europa unterscheiden. Aufgrund der ländlichen Region sind regional anerkannte Persönlichkeiten, die von der Mehrheit eines Dorfes gewählt wurden, als Influencer ausgewählt worden. Die gewählten Influencer haben in den Social-Media-Gruppen die Anwendung des neuen Pestizids beworben, sodass die Landwirte zur Anwendung angeregt wurden und sich über die neuartige Technologie erhofft vermehrt austauschen. Die Kontrollgruppe hingegen hat keine Social-Media-Gruppe gehabt, sodass die bisher gewohnten Kanäle, wie zum Beispiel eine Hotline, als Medium zur Informationsbeschaffung diente. Bei allen Gruppen ist WeChat als Social-Media-Plattform verwendet worden. Für diejenigen, die diese Plattform nicht kennen, ist WeChat mit WhatsApp zu vergleichen.
Alle Gruppen haben unabhängig von der Social-Media-Plattform in den ersten 2 Wochen der Studie keine Informationen seitens des Herstellers vom neuartigen Pestizid erhalten. Hierdurch konnte das eigenständige Ausprobieren und das Teilen der daraus erworbenen Kenntnisse beobachtet werden.
Welche Ergebnisse aus der Studie erzielt wurden, werden im folgenden erläutert.
Ergebnisse:
Nach Beendigung der Studie kamen die Forschenden zu mehreren beeindruckenden Forschungsergebnissen.
Diese lassen sich in insgesamt 4 Themengebiete gliedern. Die Themengebiete mit den statistisch signifikantesten Ergebnisse gab es im:
- Kommunikationsverhalten
- Testrate
- Lernergebnisse
- Adoptionsrate
Kommunikationsverhalten:
Betrachtet man die obige Abbildung, so lässt sich klar erkennen, dass die Pestizide bezogenen Nachrichtenanzahl pro Landwirt, in der Gruppe mit Influencer, über den gesamten Zeitraum ständig höher war.
Insgesamt wurden innerhalb dieser Gruppe auch allgemein mehr Nachrichten verfasst. Dies gilt nicht nur für die totale Nachrichtenanzahl, sondern auch für die personenbezogene Nachrichtenanzahl.
Dabei muss man jedoch festhalten, dass nur ca. 8 % der Nachrichten, von den Influencern kamen. Ein Großteil der Nachrichten wurde also von den lokalen Bauern verfasst.
Lediglich die Themen, die keinen Bezug zu dem Pestizid hatten, wurden in der Gruppe ohne Influencer mehr diskutiert. Dies waren dann zum Beispiel Small Talk Themen, oder auch Witze.
Die Forschenden leiteten daraus ab, dass der Influencer es also geschafft hat, eine Online Diskussionsumgebung zu kreieren, in der sich die Bauern, aktiv über das neuartige Pestizid ausgetauscht haben. Dies ist bemerkenswert, da der Influencer kein spezifisches Produktwissen mitbrachte und trotzdem einen Raum der Diskussion erschuf.
Testrate des neuen Pestizids:
Durch die geschaffene Diskussionsumgebung wurden innerhalb der Influencer-Gruppe auch die Zweifel bezüglich der Authentizität des Produktes und der Glaubwürdigkeit der Anbieter verringert. Dies führte dazu, dass auch die Testraten, des neuen Pestizids, innerhalb der Gruppe, deutlich höher waren, als bei der Gruppe ohne Influencer.
In der Gruppe ohne Influencer gab es keinen signifikanten Unterschied zur Kontrollgruppe, was darauf hindeutet, dass die Informationen nicht ausreichend genug waren, um die Unsicherheiten zu überwinden.
Die mit Abstand beste Testrate wies jedoch die traditionelle 1-zu-1 Beratung auf.
Lernergebnisse:
Wie bereits erwähnt, ist es essenziell wichtig für die endgültige Annahme eines neuen Produkts, dass auch Kenntnisse über die richtige Nutzung und Anwendung vorliegen.
Lernt man das Produkt nicht richtig nutzen, so werden potenzielle Ernteschäden nicht auf die Fehlanwendung projiziert, sondern auf das Produkt.
Die Forschenden haben daher auch die Lernergebnisse ausgewertet. Zu Erkennen ist hierbei, dass die Gruppe mit dem Influencer und die traditionelle 1-zu-1 Beratung die besten Lernergebnisse zeigt. Lediglich in dem Thema: „Schädigung der Kulturpflanzen“ konnte die Gruppe der Influencer nicht mithalten. Die Forschenden führen dies darauf zurück, dass dieses Thema zu lernintensiv war.
Adoptionsrate mit und ohne Influencer-Marketing:
Betrachtet man nun die endgültige Adoptionsrate, lassen sich folgende Erkenntnisse gewinnen:
- Bei Social Media + Influencer
- signifikant höchste Adoptionsrate (fast doppelt so groß wie die Interventionsgruppe ohne Influencer)
- Bei Social Media
- keinen statistisch signifikanten Unterschied zur Kontrollgruppe -> kein Peer-Effekt
- 1-zu-1 Service
- Zeigt ähnliche Adoptionsraten wie Social-Media mit Influencer
Dies bestätigt also die zuvor aufgestellten Thesen. Interessant wird es jedoch nun, wenn man die Ergebnisse mit den verursachten Kosten, anhand des ROI in Relation setzt (siehe Abb. ROI der Marketingmaßnahmen). Es lässt sich hieraus stark erkennen, dass die Influencer-Marketing Maßnahme, die mit Abstand beste Performance innerhalb der Studie erbrachte.
Wir müssen hierbei jedoch berücksichtigen, dass die Kampagne nur mit Influencer lief, die nicht entlohnt wurden.
In unserer westlichen Welt, in der Influencer für gewisse Kampagnen Gagen bekommen, wären diese Werte nicht realistisch.
Ausblick auf Influencer-Marketing:
Schauen wir uns zuletzt an, wie die Ergebnisse der Influencer-Marketing Studie für Praktiker und Forschende genutzt werden können.
Für Praktiker:
- Soziale Medien sind wirksame und kostengünstige Mittel, um neue Technologien, in ansonsten schwer zugänglichen zu bringen
- Betrachtung des gesamten Funnels ist essenzielle -> Vertrauen aufbauen und Glaubwürdigkeit des Produkts in der Anfangsphase (Marketingmaßnahmen sorgsam wählen)
- Social Media alleine erzielt nicht die gewünschten Peer-Effekte -> erfordert aktives Management und einen Influencer, der eine Diskussion anstößt
- Experimente als wertvolles Instrument für Praktiker
Für Forschende:
- Influencer brauchen kein Fachwissen, um Einfluss auf die Förderung der Adoption zu haben
- Empirische Beweise, wie das Lernen über die gegebenen Attribute die Unsicherheiten beseitigt und zu einer Annahme neuer Produkte führt (Lernbarriere überwinden)
- Feldexperimente ermöglichen es, Erkenntnisse über Mechanismen zu gewinnen, die nur schwer über Beobachtungsdaten zu erzielen sind