Weihnachtszeit ist Geschenkezeit. Und was tut man da wie mindestens 20 Millionen andere Deutsche in diesem Dezember? Richtig, bei Amazon nach Geschenken für Familie und Freunde suchen. So wie auch ich gestern. Geschenk und Beschenkter werden natürlich nicht verraten, da das Ganze ja weiterhin eine Überraschung bleiben soll. 🙂 Aber um diese Überraschung soll es hier auch nicht gehen, sondern um eine andere, die sich beim Durchstöbern des Amazon-Sortiments auftat…
Was war passiert? An einem der Produkte entdeckte ich in der Übersichtsseite der Suchergebnisse neben dem Preis ein kleines Symbol. Nein, nicht das schon seit geraumer Zeit bekannte
Dass dies für den Kunden zwar eine nette Sache ist, für den Händler aber schnell zu einem Verlustgeschäft werden kann, ist vermutlich jedem halbwegs E-Commerce affinen Leser klar. Bestellt der Kunde nur einen geringpreisigen Artikel im Wert von unter fünf Euro, fressen die anfallenden Porto- und Verpackungskosten den möglichen Gewinn auf und übersteigen diesen vermutlich noch deutlich. Für den Händler bedeutet dies also: Kosten statt Gewinn.
Amazon schien dies bisher nichts auszumachen. Vermutlich konnten die 29 EUR Jahresgebühr und der Umstand, dass ein Amazon Prime Mitglied auch mehr höherpreisige Bestellungen auslöst, diese Kosten bislang decken und den Kundenwert wieder in’s Positive ziehen. Bis vor kurzem wie es scheint.
Denn was ich entdeckte, war ein
Eines muss man Amazon ja lassen: Der beauftragte Texter hat es tatsächlich geschafft, dieser Einschränkung des eigenen Serviceangebots einen positiven Anstrich zu verleihen. Aber natürlich wird einem schnell klar, dass Amazon den Artikel nicht „dank des neuen Plus Programmes“ überhaupt im Sortiment hat, sondern ihn mit ziemlicher Sicherheit sowieso anbieten würde und ihn nur „dank des neuen Plus Programmes“ nicht mehr für Amazon Prime zum kostenlosen Versand anbieten kann.
Aber der Reihe nach… Was das Plus Programm beinhaltet schreibt Amazon auf einer eigens dafür eingerichteten Seite in der Hilfe. Der Kern des Ganzen ist schnell erklärt: Alle als „Plus Produkte“ gekennzeichneten Artikel unterliegen einem Mindestbestellwert von 20 EUR. Das bedeutet, dass ein solches Produkt erst dann bestellt werden kann, wenn der Warenkorb mehrere Artikel im Gesamtwert von mindestens 20 EUR umfasst. Marktplatzartikel sind ausgenommen, sofern sie nicht über „Versand durch Amazon“ angeboten werden. Diese Einschränkung ist nicht zu verwechseln mit der Versandkostenfreiheit ab 20 EUR! Denn normale Produkte können ja auch bereits bei einem geringen Wert einzeln bestellt werden, nur kommen dann zum eigentlichen Preis noch die Versandkosten hinzu. Diese Möglichkeit gibt es bei Plus Produkten nicht.
Ein Plus Produkt zu erkennen ist nicht schwer. Amazon verweist bereits auf der Produktübersicht mit dem oben zu sehenden Symbol darauf und bringt zudem in der Produktdetailansicht einen deutlich sichtbaren Hinweis oberhalb des Warenkorb-Buttons an.
Wann ein Produkt als Plus Produkt eingestuft wird, verschweigt Amazon aber bislang. Verkäufer, die ihre Waren über den Marketplace anbieten, beklagen sich aber bereits über das neue System und liefern einige interessante Informationen. So berichtet eine Anbieterin, dass eines ihrer Produkte von Amazon automatisch zum Plus Produkt gemacht wird, sobald ein Preis unter 5 EUR eingestellt wird. Die Grenze scheint also bei 5 EUR zu liegen. Besonders ärgerlich war neben diesem Umstand und den damit zu erwartenden Umsatzeinbußen für die Anbieterin aber vor allem, dass ein Konkurrent den Artikel weiterhin ohne das Plus Programm zu einem Preis von 3,95 EUR anbieten konnte. Und das obwohl – so ihre Aussage – beide Fulfillment by Amazon (FBA) nutzen und Produktmaße und Gewicht identisch waren. Das verzerrt natürlich den Wettbewerb und bestätigt den Eindruck, dass das Plus Programm bisher nur für einen sehr kleinen Teil des Sortiments ausgerollt wurde. Zudem scheint es das Programm vorerst nur in Deutschland zu geben, auf Amazon.com konnte ich etwas Derartiges nicht finden.
Besonderer Ärger macht sich aber nicht nur bei den Verkäufern breit, auch die Kunden sind naturgemäß wenig begeistert von dieser Maßnahme. Für den gewöhnlichen Amazon Kunden ändert sich zunächst nicht viel, da die meisten vermutlich ohnehin erst ab einem Warenkorbwert von 20 EUR bestellt haben, um die Versandkosten zu sparen. Da ist die Einschränkung, dass es darunter auch gar nicht möglich ist, durchaus zu verschmerzen. Vor den Kopf gestoßen fühlen sich allerdings alle Amazon Prime Mitglieder, die diesen Einzelversand zuvor umsonst erhalten haben und ihn nun nicht mal mehr durch Zahlung einer Versandgebühr bekommen können. Und dies wird neben dem schnelleren Versand für viele der Hauptgrund der 29 EUR teuren Jahresmitgliedschaft gewesen sein. Darüber hinaus sind für den Kunden die Kriterien für ein Plus Produkt bislang nicht nachvollziehbar und deren Auswahl erscheint willkürlich. So stellt man fest, dass ein mit einem Plus Produkt vergleichbares Produkt vom selben Hersteller mit nahezu dem gleichen Preis nicht unter das Plus Programm fällt – obwohl sein Nachbar in der Trefferliste der Suche es eben tut.
Das Plus Programm wurde von Amazon bislang, was ja nach näherer Betrachtung der Konsequenzen auch wenig überraschend ist, nicht sehr offensiv vermarktet. Man scheint es eher still und leise einführen zu wollen, um größere Proteste zu vermeiden. Dies ist auch bisher gut gelungen, denn obwohl es scheinbar bereits seit Ende Oktober live ist, ist das Medienecho bis heute vollständig ausgeblieben.
„Der Einzelversand von Produkten unter 5 EUR ist nicht wirtschaftlich.“
Die Gründe für das Plus Programm kommuniziert Amazon hingegen sehr direkt: Auf den Produktseiten der Plus Produkte ist zu lesen „ein Einzelversand wäre sonst nicht wirtschaftlich“. Wie oben beschrieben, ist dieser Grund durchaus nachvollziehbar, wenig verwunderlich und aus Sicht von Amazon ist ein solcher Schritt natürlich auch durchaus legitim. Positiv anzumerken ist zudem, dass ein gebündelter Versand die Anzahl der verschickten Pakete deutlich reduzieren wird, was die Logistikdienstleister wie DHL oder Hermes, die gerade kräftig am Aufschwung des Onlinehandels mitverdienen, zwar weniger in Euphorie versetzen dürfte, der Umwelt aber durchaus zu Gute kommen sollte. Möglicherweise verbessert sich dann auch wieder die Qualität der Verpackungen von Amazon, die – so mein subjektives Empfinden – in der letzten Zeit gerade bei solchen Einzelbestellungen deutlich abgenommen hat. Denn nicht nur einmal bekam ich ein lediglich in einer Pappe eingewickeltes Päckchen, deren Inhalt auf Grund zu geringer Polsterung beim Transport Schaden genommen hatte.
Etwas nachdenklich lässt einen dieses Plus bzw. Minus Programm aber dennoch zurück. Ist Amazon wirklich nicht in der Lage, Artikel mit einem Preis von um die 5 EUR bei einem kostenlosen Versand kostendeckend anzubieten? Bisher war es doch neben dem ausgeklügelten Empfehlungssystem gerade auch die exzellente Logistik, für die Experten Amazon fortlaufend loben. Sollten da nicht die Prozesse so effizient sein, dass auch einzelne Artikel weiterhin zu den bewährten Konditionen und ohne einen zwingend vorgeschriebenen Mindestbestellwert bestellt werden können? Und viel erschreckender die Frage: Wenn Amazon es als Branchenführer mit einer Vielzahl von eigenen Logistikzentren nicht kann, wer soll es dann jemals in mittelfristiger Zukunft können? Müssen wir Kunden (nicht nur bei Amazon) uns also auf längere Sicht erstmal vom Gedanken des kostenfreien Versands für geringwertige Artikel verabschieden? Die genaue Analyse überlasse ich gerne Experten wie Jochen Krisch oder Alexander Graf. Gerne diskutiere ich aber mit Ihnen und Euch über die Zukunft der Versandkostenmodelle.