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Gorillas – In 10 Minuten zum Multi-Channel-Champion?

Gorillas Multi-Channel-Retailing

Vor 2020 hätte man bei dem Wort „Gorillas“ wohl eher an den größten Primaten gedacht als an einen Lebensmittellieferdienst. Doch seit der Gründung im Mai 2020 ist das Q-Commerce Unternehmen nicht mehr aus den Großstädten wegzudenken. 

Einordnung des Unternehmens

WAS – Welchen Mehrwert bietet Gorillas seiner Zielkundengruppe?

Gorillas verkauft Lebensmittel online und zählt damit zum Sektor E-Food. Es ist ein Q-Commerce Unternehmen – liefert also seine Ware innerhalb von 10 Minuten an den Kunden aus. Das Sortiment ist dabei eher breit und flach. Es gibt viele verschiedene Produktkategorien in welchen allerdings selbst weniger Produktvielfalt herrscht. 

WER – Wie sehen die Zielgruppen von Gorillas aus?

Die Zielgruppen von Gorillas sind sehr weit gestreut. Zu ihnen gehören unter anderem:

Studenten – neben Vorlesungen, Lernen und Klausuren bleibt kaum Zeit groß einkaufen zu gehen und wenn spontan Lebensmittel gebraucht werden, sind diese mit einem Klick nach knapp 10 Minuten da.

Workaholics – der Großteil der am Tag verfügbaren Zeit wird zum Arbeiten verwendet. Die Zeit fürs Einkaufen kann besser genutzt werden und außerdem ist der Einkauf mit Mehraufwand und Stress verbunden.

Das sind nur zwei Beispiele, allerdings gehören noch viele weitere dazu wie zum Beispiel Schüler, Singles, DINKS (Double Income No Kids), Silver Surfer oder auch kleinere Firmen – generell alle, die Zeit und Aufwand für den kurzfristigen Einkauf sparen wollen [1]. Dazu ist zu beachten, dass es sich um Personengruppen in Ballungsgebieten handelt, in denen Gorillas logistisch gewährleisten kann, ihr Versprechen von 10 Minuten Lieferzeit einzuhalten. 

Eindeutig zu erkennen ist, dass Zeit und/oder Convenience der entscheidende Faktor der Zielgruppe ist bei der Entscheidung für eine Bestellung bei Gorillas (ähnlich bei den anderen E-Food Q-Commerce Anbietern).

WIE – Was wird in der Wertschöpfungskette benötigt?

Abbildung 1: Wertschöpfungskette Gorillas [2]

WIEVIEL – Wie generiert Gorillas Umsatz bzw. wie verdient Gorillas Geld?

Im Jahr 2021 generierte Gorillas geschätzt 150 Millionen Euro [3]. Gewinn macht die Branche aber langfristig nicht über die Marge allein: Diese ist nämlich sehr niedrig. Daher ist das langfristige Ziel größere Warenkörbe umzusetzen. Dazu verwendet Gorillas zum Beispiel Gutscheine mit einem Mindestbestellwert von 20-25 Euro.


Gorillas‘ Multi-Channel Strategie 

Wenn man sich die verschiedenen Kommunikation- und Absatzkanäle entlang des Customer Buying Cycles anschaut, erkennt man viele Kanäle mit unterschiedlichen Zielen.

Anregung

Plakatwerbung

Wenn Gorillas für etwas bekannt ist, dann sind es die auffälligen und provokanten Plakate. Mit diesen Plakaten positioniert Gorillas sich als Lebensmittellieferdienst und erreicht potenzielle Zielgruppen. Die Inhalte sind dabei teilweise provozierend und polarisierend, wie wenn der Mann mit den Cokes da ist.

Abbildung 2: Plakatwerbung von Gorillas [4]

Social Media

Auch die Social-Media-Kanäle zählen in die Anregungsphase. Die Ziele und Zielgruppen sind dabei identisch mit denen der Plakate. Nur die Inhalte weichen voneinander ab: Natürlich wird auch hier für Entertainment gepostet, aber auch neue Kollaborationen, neue Liefergebiete oder Bewertungen der Kunden werden geteilt. Damit können sie ihren Social Proof erhöhen, sodass die Nutzer der Marke mehr vertrauen und eher kaufen.

Bei den Social-Media-Kanälen ist LinkedIn der Ausreißer. Hier geht es mehr darum Gorillas als Unternehmen und Start-Up zu positionieren und so potenzielle Investoren und Mitarbeiter zu erreichen. Dazu werden Mitarbeiter und Kollaborationen vorgestellt sowie neue Liefergebiete angekündigt.

Push-Nachrichten

Nun zur App selbst: Sollte man diese installiert und die Push-Benachrichtigungen aktiviert haben, dann erhält man häufiger Push-Nachrichten mit Rabattaktionen – meist über mehrere Käufe hinweg. So kann Gorillas als Zielgruppe Erstkunden wie auch Stammkunden ansprechen.

Auch innerhalb der App gibt es verschiedene Push-Nachrichten. Die Zielgruppen und Inhalte sind in beiden Fällen dieselben und das verfolgte Ziel ist das Setzen von Kaufanreizen.

Evaluation

Kategorien

Zeit für die zweite Phase: Die Evaluation. Innerhalb der App kann man Produkte über Kategorien oder die Suche finden. Im besten Fall kann Gorillas so den Kunden von seinem Angebot überzeugen und zum Kauf anreizen. Am wichtigsten ist jedoch die Orientierung für den Nutzer, sodass er sich ein Bild über das gesamte Sortiment machen kann.

Die Suche über Kategorien richtet sich an Kunden mit einem inspirativen Motiv. Sie wissen noch nicht genau, was sie alles kaufen möchten und wollen sich daher inspirieren lassen. Dieses Verhalten wird auch Lean-Back-Modus genannt. Als Kategorien gibt es zum Beispiel ausgewählte Inhalte, Saisonales, Lokalitäten oder auch Rezepte.  

Suche

Bei der Suche hingegen handelt es sich um Kunden, die aktiv nach einer Kategorie oder einem Produkt suchen. Das ist der Lean-Forward-Modus. Im besten Fall sollte die ausgeführte Suche ein Ergebnis haben, damit die Kunden auch kaufen. Zum einen haben wir dort das direkte Suchfeld, aber auch Suchvorschläge. Das sorgt für ein gewisses Maß an Inspiration.

Kauf

Bestellungen sind aktuell bei Gorillas per App möglich. Bevor man bestellt, muss man sich in dieser anmelden und seinen Standort freigeben. Dann werden einem die Kategorien mit den jeweiligen Produkten angezeigt ebenso wie die aktuelle geschätzte Zeit bis zur Lieferung. 

Im Gegensatz zur Konkurrenz wie zum Beispiel Flink bietet Gorillas keinen weiteren Absatzkanal, wodurch der Kunde gezwungen ist über die App zu bestellen. 

Wieso nutzt Gorillas nur einen Absatzkanal? 

Warum genau Gorillas nur die App als Absatzkanal nutzt, ist nicht klar, aber es könnte mehrere Gründe haben wie zum Beispiel:

NEW – Gorillas ist noch eine neue Marke und muss erst genug Ressourcen aufbauen, um diese in den weiteren Ausbau der Absatzkanäle zu investieren. Besonders angesichts der geringen Marge und aktuell wachsenden Konkurrenten scheint dies schwer.

RISIKO – Der Ausbau eines weiteren Kanals birgt dazu ein sehr großes Risiko, da sich bis zur Etablierung dieses Kanals nicht abschätzen lässt, ob sich die Investition gelohnt hat oder nicht.

CONVIENIENCE – Ein Grund für Kunden zu kaufen ist, neben des zeitlichen Aspekts, auch die Convenience. Warum also nicht auf die einfachste Möglichkeit zu bestellen setzen?

KONTROLLE – Wer nur einen Absatzkanal hat, muss auch nur einen Kanal analysieren, optimieren und kontrollieren. Durch das Marketing hat Gorillas zu seinen potenziellen Kunden viele verschiedene Touchpoints auf unterschiedlichen Kanälen entlang der Customer Journey. Da allerdings alle Conversions in einem Kanal gebündelt werden, kann die Customer Journey besser gesteuert werden. 

After-Sales

Gorillas bietet nach dem Kauf die Live-Verfolgung der aktuellen Lieferung via App.

Die zuletzt und häufig gekauften Artikel werden dem Kunden in der App angezeigt, wodurch die Inhalte der App individualisiert werden und die Entscheidung erleichtert wird.


Fazit

Definition Multi-Channel-Retailing: Kombination von Absatzkanälen unter derselben Marke (…) Im Gegensatz zu traditionellen Mehrkanälen muss dabei mindestens ein Kanal den stationären Handel und ein zweiter den Internethandel repräsentieren [5, p. 15].

Schaut man sich diese Definition des Multi-Channel-Retailings an, erkennt man direkt zwei Widersprüche in Bezug auf das Unternehmen Gorillas. 

  1. Absatzkanäle
    Da Gorillas aktuell lediglich die App als Absatzkanal nutzt, kann hier nicht von einer Mehrzahl an Kanälen gesprochen werden, womit das erste Kriterium nicht erfüllt ist. 
  2. mindestens ein Kanal den stationären Handel
    Beim Absatzkanal, den Gorillas nutzt handelt es sich um einen digitalen, womit auch das zweite Kriterium des Multi-Channel Retailings nicht erfüllt ist.

Zusammenfassend kann man sagen, dass Gorillas der Definition nach kein Multi-Channel-Retailing betreibt. Allerdings bietet das E-Food Unternehmen entlang des Customer Buying Cycle eine vielfältige Kombination an Touchpoints auf verschiedenen Kanälen für seine (potenziellen) Kunden – ein wahrer Multi-Channel-(Marketing)-Champion. 

Mit der stark wachsenden Konkurrenz wie zum Beispiel Flink, die zum einen die Website als weiteren Absatzkanal bieten und Kooperationen mit Influencern, hat es Gorillas nicht leicht. Besonders, da sich die Anbieter im Leistungsangebot nur marginal voneinander unterscheiden. Um als stärkstes Q-Commerce Unternehmen zu bestehen, muss sich Gorillas auf einer Ebene besonders von der Konkurrenz abgrenzen. Sei es durch ein spezielles Sortiment oder besondere zusätzliche Dienstleistungen.  



Quellen
[1] „E-Food: Käufertypen: Wer kauft Lebensmittel im Internet?“, etailment.de. [Online]. Verfügbar unter: https://etailment.de/news/stories/kundentypen-Lebensmittel-online-22085. [Zugegriffen: 28. Januar 2022] [2] „10-Minuten-Lieferdienste: So verdienen Gorillas und Co. ihr Geld“, BASIC thinking, 5. Juli 2021. [Online]. Verfügbar unter: https://www.basicthinking.de/blog/2021/07/05/10-minuten-lieferdienste-geschaeftsmodell/. [Zugegriffen: 28. Januar 2022] [3] „‚Gorillas 2.0‘ – der Geheimplan des Liefer-Start-ups“, Capital.de, 6. Juli 2021. [Online]. Verfügbar unter: https://www.capital.de/wirtschaft-politik/gorillas-2-0-der-geheimplan-des-liefer-start-ups. [Zugegriffen: 28. Januar 2022] [4] „Food-Lieferservice: Heimat lüftet das Geheimnis der bundesweiten Plakatkampagne von Gorillas“, https://www.horizont.net. [Online]. Verfügbar unter: https://www.horizont.net/agenturen/nachrichten/food-lieferservice-heimat-lueftet-das-geheimnis-der-bundesweiten-plakatkampagne-von-gorillas-191735. [Zugegriffen: 28. Januar 2022] [5] G. Heinemann, Ed., “Multi-Channel-Handel – Was ist das eigentlich genau?,” in Multi-Channel-Handel: Erfolgsfaktoren und Best Practices, Wiesbaden: Gabler, 2008, pp. 14–51. doi: 10.1007/978-3-8349-9619-0_2.

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