Einsatzmöglichkeiten von Autocomplete- bzw. Autosuggest-Funktionen in Suchmaschinen für Online-Shops

Der folgende Beitrag dient der Zusammenfassung der Erkenntnisse, die wir in Zusammenarbeit mit und für die shopping24 GmbH im Rahmen einer Seminararbeit an der FH Wedel im Sommersemester 2015 erarbeitet haben.

Fred Ammon, seines Zeichens Aphoristiker, sprach einmal den schönen Satz: „Im Internet findet man mehr, als man sucht.“ In den Anfangsjahren des E-Commerce, geprägt von der Euphorie gegenüber einer funktionierenden, vor allem den Handel revolutionierenden Technologie mag diese zweifelsfrei richtige Tatsache positiv aufgefasst worden sein. Doch heutzutage ist der suchende Internetkäufer angesichts der schieren Masse an Angeboten im Netz durch das „Mehr“ nicht begeistert, sondern eingeschüchtert, verunsichert, erschlagen. In einem eindrucksvollen TED-Talk von Barry Schwartz, trotz des Entstehungsdatums 2005 in seiner Kernaussage noch hochaktuell, wird gar die Behauptung aufgestellt, dass der Mensch aufgrund der zwangsläufigen Wahl zwischen den zur Verfügung gestellten Alternativen mit seiner Kaufentscheidung nie richtig glücklich werden kann: Das „Paradox of Choice“ (engl. für Paradoxon der Wahlmöglichkeiten). Das, vor allem von Google als meistgenutzte Suchmaschine hierzulande mit einem Marktanteil von ugf. 95% propagierte, Heilmittel hierzu heißt Relevanz. Wie bei der Nutzung der omnipräsenten Suchmaschine schön zu sehen, wird versucht dem Nutzer schon während der Formulierung seiner Suchanfrage Vorschläge zu präsentieren, die das undurchsichtige, unerwünschte „Mehr“ in einen relevanten und für den Suchenden vorteilhaften Rahmen eingrenzen. Ein mächtiges Werkzeug für Werbetreibende im Internet um einen solchen Rahmen bereitzustellen wird durch die interne Suche der Webseite, dem Onsite-Search, präsentiert. In der Literatur lassen sich vier elementare Funktionalitäten identifizieren, die eine State-of-the-Art Onsite Suche ausmachen:

  1. Treffsichere Fehlertoleranz
  2. Dynamische Filternavigation
  3. Aussagekräftiges Reporting
  4. Fehlertoleranter Autosuggest

(siehe folgende Abbildung des Vorschlagsets bei dem unvollständigen Suchstring „compu“ auf Otto.de als Beispiel)

Otto
Vorschlagsets bei dem unvollständigen Suchstring „compu“ auf Otto.de

Der Autouggest (auch Autocomplete genannt, auf eine definitorische Abgrenzung wirdhier verzichtet) ist ein während der Eingabe durch den Benutzer von einer Suchmaschine automatisch generiertes Vorschlagset, das dem Suchenden auf Basis der begonnenen Suchanfrage in unmittelbarer Nähe des Suchfeldes angezeigt wird. Es wird im Allgemeinen davon ausgegangen, dass sich Besucher einer Webseite durch die angezeigten Vorschläge „leiten“ lassen, validierte Untersuchungen hierzu existieren allerdings (noch) nicht. Mit einer solchen Funktionalität werden drei Hauptziele verfolgt, die alle darauf abzielen, den Kunden in seinem Suchprozess auf der Seite zu unterstützen:

  • Erleichterte Formulierung von Suchanfragen
  • Vermeidung von No-Hit SERPs (Search Engine Result Pages)
  • Vermeidung von schlechten/ungenauen SERPs

Die interne Suche unseres Praxispartners Shopping24, einem Shopping-Portal mit über 700 angeschlossenen Händlern und etwa 7 Millionen angezeigten, und damit auffindbaren, SKUs (Stand Juni 2015), unterstützt momentan keine Autosuggest Funktion. Die von uns erstellte Arbeit stützt sich demnach auf die Hypothese, dass sich eine Erweiterung der dortigen internen Suche um diese Funktionalität positiv auf den Suchprozess der shopping24-Kunden auswirken würde. Daher haben wir als Hauptziel der Seminararbeit definiert, shopping24 eine Entscheidungsunterstützung zur Implementierung eines relevanten Autosuggests in der vorhandenen Suchmaschine bereitzustellen. Um dieses Ziel zu erreichen, sind wir zunächst der Beantwortung dreier zentraler Fragestellungen nachgegangen:

  • Wie sehen die Autosuggests von ausgewählten Suchmaschinen im E-Commerce Kontext aus?
  • Was sind die Herausforderungen der Implementierung einer Autosuggest-Funktion?
  • Wie kann die Autosuggest-Funktion (neben den genannten Benefits zur Steigerung der Usability für den Kunden) alternativ monetarisiert bzw. genutzt werden?

Um Antworten auf die erste Frage zu bekommen, wurden zunächst zehn Vergleichskriterien – gegliedert in logisch (Nach welcher Logik werden die Suchvorschläge behandelt) und formal (Wie geschieht die grafische Ausspielung dieser Logik auf der Webseite) – erarbeitet und die Autosuggests von zehn Best Practice E-Commerce Plattformen bzw. relevanten Konkurrenten von shopping24 nach diesen Kriterien verglichen. Im nächsten Schritt wurden die Kriterien mithilfe von Experteninterviews bewertet und darauf aufbauend ein Scoring entwickelt, um die sehr heterogenen untersuchten Autosuggest Funktionalitäten untereinander vergleichbar zu machen. Das Ergebnis des Scorings ist in der folgenden Abbildung dargestellt und zeigt auf, dass der Autosuggest von notebooksbilliger.de mit 17 von 25 erreichbaren Punkten am besten abschneidet. Bei isolierter Betrachtung der logischen Kriterien führt ebay.de das Feld an, den größten Nutzen im Hinblick auf die formale Ausgestaltung bietet der Autosuggest von idealo.de.

Scoring Model
Scoring Model von Autosuggests ausgewählter E-Commerce Plattformen

Um der zweiten Fragestellung – der Identifizierung von Herausforderungen bei der Implementierung bzw. beim Betrieb eines Autosuggests – nachzugehen, haben wir neben der einschlägigen Literatur ein weiteres Mal Branchenexperten zu Rate gezogen. Dabei wurden neben der heterogenen Datenqualität und der Fluktuation der Artikeldaten vor allem die zunehmende Verbreitung von mobilen Geräten im E-Commerce Kontext und die sich damit verändernden Nutzungsmuster der Onsite Suche identifiziert. Darüber hinaus gestaltet sich das Tracking von Autosuggest Funktionen aufgrund der dynamischen Ausspielung der Vorschlagssets (und damit verbunden der sehr eingeschränkten Möglichkeit von A/B-Tests) als sehr schwierig, aber auch die Aktualität von Suchbegriffen, besonders durch neue und saisonale Begriffe, stellt eine Herausforderung dar. Als eine geeignete Alternative für das Tracking hat sich – nicht zuletzt durch die Diskussion im Rahmen der Abschlusspräsentation – das Analysieren von Testnutzerdaten mithilfe eines UX-Labs herauskristallisiert. Bei der Bearbeitung der dritten Fragestellung – der Frage nach einer alternativen Nutzung bzw. Monetarisierung einer Autosuggest-Funktion – haben sich neben der Einbindung von beratenden Inhalten vor allem Vermarktungsmöglichkeiten in verschiedenen Formen ergeben. Konkret auf shopping24 angewendet bedeutet dies, die Autosuggest-Logik bei Bedarf so zu gestalten, dass dem Kunden für shopping24 besonders profitable Produkte bereits bei der Sucheingabe im Vorschlagsset gezeigt werden, natürlich stets ohne dabei die Prämisse „Relevanz für den Kunden“ aus den Augen zu verlieren. Auch denkbar sind Produktvorschauplatzierungen, die an shopping24 angeschlossene Shops verkauft werden könnten, sogenannte Thumbnail-Slots. Da die ganze Thematik Autosuggest in der Literatur bisher recht jungfräulich behandelt wurde und die meisten der getätigten Vorschläge die alternative Nutzung betreffend von uns selbst stammen, haben wir die Abschlusspräsentation der Seminararbeit genutzt, um mit anderen Studenten weitere Nutzungsmöglichkeiten zu diskutieren, was spannende Erkenntnisse lieferte. Wie schon oben angesprochen, sind die momentan am Markt realisierten Lösungen (zumindest die von uns untersuchten) in ihrer Ausgestaltung sehr heterogen; wir führen das auf die ebenfalls bereits angesprochene Problematik des nur eingeschränkt möglichen Trackings zurück. Von der marktüblichen Lösung Benchmarking (bzw. „Schau mal wie Amazon/Zalando/[hier wahlweise größten Konkurrenten der eigenen Branche eintragen] das macht, so machen wir das dann auch.“) kann daher nur bedingt Gebrauch gemacht werden, da die bei der Konkurrenz implementieren Lösungen höchstwahrscheinlich nicht auf validierten Vergleichstest basieren. Daher waren sich einige der befragten Studenten sicher, eine fundierte State-of-the-Art Lösung in diesem Bereich z.Bsp. als Software-as-a-Service verkaufen zu können. Ebenfalls spannende genannte alternative Nutzungsansätze kamen aus dem Bereich Recommendation/Personalisierung/Cross-Selling, sprich jeder (bekannte) Kunde sucht auf der Seite mithilfe einer personalisierten Suche, die anhand der seinem Kundenprofil zugeordneten Präferenzen, Transaktionsdaten, demographischen Daten usw. relevante Ergebnisse ausspielt. Die von uns generierten Erkenntnisse flossen im nächsten Schritt in die Entwicklung eines Prototyps einer Autosuggest Funktion bei shopping24 ein, wobei wir uns wir uns an das gegebene Farbumfeld der Seite gehalten haben:

Prototyp
Prototyp einer Autosuggest Funktion für shopping24

(1) Fehlerkorrektur Eine fehlertolerante Rechtschreibkorrektur ist die wichtigste Funktionalität der Onsite Suche allgemein und musste daher auch in unserem Vorschlag zwingend umgesetzt werden. Konkret: Das von shopping24 generierte Vorschlagset muss beim unvollständigen Suchstring „lepto“ die Eingabe als „Laptop“ behandeln.

(2) Unterteilung des Vorschlagsets / Entitätenunterteilung

Das Vorschlagset für shopping24 ist unterteilt in „Suchvorschläge“, „Marken“ und „Beste Ergebnisse“.

a) „Suchvorschläge“

Die „Suchvorschläge“ bestehen aus fünf Slots, wobei an erster Position der korrigierte Autosuggest der (un-)vollständigen Benutzereingabe aufgeführt wird. Slot zwei, drei und vier greifen diesen Suchbegriff auf und ordnen ihn einer Kategorie zu (siehe (6) Anzeige der Kategorie eines jeweiligen Artikels). Position fünf wird im Vorschlag der Autoren von einem semantischen Autosuggest, also der Erweiterung des Suchbegriffs um ein weiteres Wort, belegt.

b) „Marken“

Unter den „Suchvorschlägen“ wurden in unserem Vorschlag „Marken“ platziert, die Platzierung passiert im Beispiel anhand der Anzahl der vorhandenen Produkte des eingegebenen Suchbegriffs. Denkbar im Sinne von shopping24 wäre hier mit Sicherheit auch eine Belegung nach anderen Kriterien; die Sortierung nach Verfügbarkeit in Shops, da es sich um ein Shopping-Portal mit angeschlossenen Händlern handelt, wäre hier ebenso denkbar.

c) „Beste Ergebnisse“

Unter „Beste Ergebnisse“ werden in unserem Beispiel Produktvorschläge platziert, die sich aus der Sorting-Rule der Suchergebnisseite bei tatsächlichem Absenden des (korrigierten und vervollständigten) Suchbegriffs ergeben, d.h. die abgebildeten Produkte zeigen die Ergebnisse 1-5 der Suchergebnisseite am Tag der Erstellung des Prototypen in transponierter Form.

(3) Thumbnail-Slots

Wie beschrieben wird dieser Teil des Vorschlagsets mit Produkten belegt, die sich aus der Sorting-Logik der Suchergebnisseite ergeben, da davon auszugehen ist, dass sich die dort vorhandenen Informationen relativ problemlos in eine vertikale Ausrichtung in einen Autosuggest integrieren lassen. Denkbar sind hier natürlich auch andere Belegungslogiken, zum Beispiel die angesprochenen alternativen Möglichkeiten zur Monetarisierung & Nutzung der Funktionalität.

(4) Anzeige der Artikel- bzw. Ergebnisanzahl

Die Anzeige der Artikel- bzw. Ergebnisanzahl stellt für den Kunden ein Usability-Vorteil dar, der vor allem bei einer sehr geringen Anzahl vorhandener Suchergebnisse den Kunden davon abhalten könnte, eine Suchergebnisseite anzusteuern, die keine geeignete Auswahl bereithält.

(5) Auswahl eines Vorschlags zur weiteren Eingabe

Die Auswahl eines Vorschlags zur weiteren Eingabe ist ein Feature, das dem Benutzer erlaubt, via Maus auf Klick des Pfeils (oder via Pfeiltasten der Tastatur) den vorgeschlagenen Suchbegriff in den Suchschlitz zu übernehmen, ohne die Suchanfrage tatsächlich auszuführen. Untersuchungen ergaben, dass Kunden im Verlauf des Suchprozesses ihr Informationsbedürfnis oftmals nicht vollständig formulieren können oder wollen; die Möglichkeit, eine vorgeschlagene Auswahl zu selektieren und weiter zu spezifizieren kann daher als weitere Verbesserung der Usability gewertet werden und fand demzufolge Einzug in unseren Vorschlag.

(6) Anzeige der Kategorie eines jeweiligen Artikels

Die Anzeige/Hervorhebung der Kategorie eines jeweiligen Artikels stellt eine große Hilfe zur Navigation auf einer Seite dar, vor allem bei sehr breit gefassten Suchbegriffen.

(7) Hervorhebung des Suchbegriffs

In den Experteninterviews kam zum Vorschein, dass die Funktion, den eingegebenen Suchstring visuell im Vorschlagset hervorzuheben (oder „negativ“ hervorzuheben, siehe Google) eine mittlerweile so verbreitete Praxis geworden ist (abermals ein Beispiel dafür, wie Google den Internetnutzer „erzieht“), dass die Benutzer von Suchmaschinen sich daran gewöhnt haben. Diese Funktion ist daher als Hygienefaktor anzusehen, laut gängiger Praxis also als unverzichtbar gilt.

Wir sind davon überzeugt, dass eine sich an unserem Vorschlag orientierte Lösung eines Autosuggests einen positiven Effekt auf die Usability von shopping24-Nutzern haben würde. Als kritische Würdigung wollen wir nicht verschweigen, dass die gesamte Thematik „Mobile“ in Verbindung mit der Autosuggest Funktion im Rahmen unserer Seminararbeit außen vor gelassen wurde; dieses Feld bietet aufgrund der immens gestiegenen und mit Sicherheit noch weiter steigenden Wichtigkeit im E-Commerce viele Ansätze zu weiteren Untersuchungen. Wer sich berufen fühlt, die Thematik Internet(spezial)suchmaschinen tiefer zu ergründen, sei an dieser Stelle zum Abschluss dazu angehalten, sich mit der Arbeit von Herrn Prof. Dr. Dirk Lewandowski auseinanderzusetzen.

 


 

Über die Autoren

_MG_6524a2Niklas Reher befindet sich im dritten Semester des Masterstudiums E-Commerce an der FH Wedel und arbeitet neben Studium bei Otto.

 

 

 

 

FalkFalk-Hendrik Steimmig studiert im dritten Semester E-Commerce an der Fachhochschule Wedel und ist zudem als Growth Specialist EMEA bei Granify tätig.

 

 

 

One Reply to “Einsatzmöglichkeiten von Autocomplete- bzw. Autosuggest-Funktionen in Suchmaschinen für Online-Shops”

  1. Danke für den hochinteressanten Artikel!

    Die Onsite-Suche ist für große Online-Shops enorm wichtig, Aber auch ich als Anfänger frage mich, wie man eine Datenbasis aufbauen kann, welche Informationen an die Autosuggest-Funktion liefert und sich im besten Fall noch selbständig weiterentwickelt kann.

    Den Prototyp von shopping24 finde ich übrigens ziemlich gut, da man rechts sofort Produktergebnisse mit Bild und Preis sieht.
    Gruß,
    Klaus

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