Ein neuer Tag im Büro, ich begrüße meine lieben Kollegen und greife zu meiner Lieblingszeitung, um meinen tagesaktuellen Wissensstand zu erweitern. Und dann so eine Nachricht, die mein Shopping-Herz höher schlagen lässt:
Ebay will Shopping bald an jedem erdenklichen Ort ermöglichen und bringt seinen Kunden damit ein hohes Maß an Flexibilität entgegen. Sie wollen ihren Handel und ihre Logistik immer mehr an die Bedürfnisse der Bevölkerung anpassen – Hauptsache schnell und unkompliziert. Bereits im letzten Jahr startete die Handelsplattform in den USA den Dienst „Ebay Now“ mit dem die Kunden ihre via iOS-App bestellten Waren bestenfalls in einer Stunde für fünf Dollar geliefert bekommen.
Nun visiert Ebay auch die Potenziale des Alltags an. Man sitzt in der Bahn oder im Restaurant und benötigt noch schnell Kleidung für einen bestimmten Anlass oder sitzt für mehrere Stunden im Flugzeug fest – genau diese Lebenslagen will Ebay für sich nutzen. Eben noch im Flugzeug bestellt, schon an den Zielflughafen oder ins Hotel geliefert.
Möglichkeiten, die sich Ebay in der Zukunft noch vorstellen kann, sind beispielsweise Sensoren und Fotos, mit denen Körpermaße und -proportionen ermittelt werden können. Dadurch soll nicht nur die optimale Größe festgestellt, sondern durch bisherige Käufe auch Informationen über den Geschmack des Kunden ermittelt werden. Somit will Ebay dem Kunden weitere Artikel anbieten, die seinen geschmacklichen Vorstellungen entsprechen und damit einen weiteren Kaufanreiz schaffen.
Eine dritte Idee ist, dem stationären Handel eine technische Plattform anzubieten. Über diese können die Kunden zum Beispiel im Laden ein Produkt scannen oder fotografieren und erhalten dann ein Angebot von einem anderen Stationärhändler. Damit will Ebay dem stationären Handel helfen, sich gegen den stark expandierenden Onlinemarkt durchzusetzen.
Ebay und Manager Steve Yankovich wollen alle möglichen Dispositionswege abdecken, über die Kunden etwas erwerben können. Da Deutschland, nach den USA und Großbritannien, der drittgrößte Markt für den Konzern ist, sollen die Ebay-Dienste auch zu uns kommen.
Das hört sich alles erst einmal revolutionär und vielversprechend an – aber was bringt uns dieses Modell nun wirklich?
„Shoppen in allen Lebenslagen und sofortige Lieferung“
Shoppen in allen Lebenslagen und immer kürzere Lieferzeiten sind das, was die Kunden wollen. Da liegt das Angebot einer sofortigen Lieferung natürlich auf der Hand. Doch neu ist dieser Ansatz ganz und gar nicht. Viele große Online-Händler, wie beispielsweise Amazon, haben dieses Ziel schon im Blick. Diese haben Ebay gegenüber aber auch einige Vorteile, wie zum Beispiel ein sehr dichtes Netz an Logistik-Zentren im Fall von Amazon. Somit hätte Amazon wohl das größte Potenzial in dieser Hinsicht, aber noch ist dieses Unterfangen sehr schwierig, da hierfür eine lückenlose Infrastruktur von Nöten wäre.
Für kleinere Gebiete wäre dieser Ansatz machbar, aber im großen Umfang bis hin zum kleinsten Dorf oder gar zu den Inseln, ist dieses Modell derzeit noch nicht umsetzbar. Ebay ist in dem Bereich Logistik noch nicht mit ausreichendem Know-How ausgestattet, da sie keine eigenen Waren anbieten und auch keinen eigenen Logistikdienstleister im Konzern haben. Das bedeutet, Ebay kann nur in Kooperation mit dem stationären Handel arbeiten, was sich durchaus als schwierig erweisen könnte. Denn es ist fraglich, ob Ebay ausreichend Kooperationspartner akquirieren kann. Es wird sicher nicht einfach für Ebay, die kleinen Händler für ihren Ansatz zu gewinnen und von ihrem Modell zu überzeugen. Die „Großen“ haben ihre eigenen Vertriebswege und sind auf Ebay nicht angewiesen. Des Weiteren werden diese auch nicht besonders daran interessiert sein, ihren Umsatz durch die Distribution via Ebay mit diesem Konzern zu teilen. Dennoch wird das Einkaufen immer und überall zum Trend, der von vielen Unternehmen bereits wahrgenommen und angegangen wird.
Meiner Meinung nach ist das natürlich eine perfekte Entwicklung für die Konsumenten, aber es ist in der Umsetzung noch unrealistisch ohne ausreichendes Know-How innerhalb des Unternehmens und ohne ein ausgebautes Vertriebsnetz.
„Mode-Einkauf durch clevere Datenauswertung optimieren und Produktempfehlungen nutzen“
Sensoren sollen die Körpergröße und Proportionen des Konsumenten messen und verwerten. Das ist durchaus ein Aspekt, der die Kaufentscheidung positiv beeinflussen kann, ebenso wie das Empfehlen weiterer Artikel aufgrund vorheriger Einkäufe des Kunden. Zudem verringert die genaue Berechnung der Maße die Kaufunsicherheit, was gleichzeitig weniger Retouren und Kostenersparnisse für den Online-Händler bedeutet.
Mit diesem Optimierungspotenzial beschäftigen sich derzeit viele Online-Modehändler, dabei muss aber auch folgende Problematik berücksichtigt werden: Die Erfassung der Daten funktioniert noch nicht optimal. Es gibt bereits Ansätze bei der Vermessung per Webcam, diese sind aber noch nicht marktreif. Gleiches gilt für den aktuellen Stand bei den Sensoren und der Fotovermessung. Es ist eben alles erst in der Entwicklungsphase und noch keinesfalls so ausgereift, dass der Markt davon profitieren kann. Da besteht doch der berechtigte Zweifel, dass Ebay der sofortige Durchbruch gelingen wird.
„Ebay will sich mit stationärem Handel verbünden“
Nicht nur eine große Herausforderung, sondern auch eine große Chance, stellt meiner Meinung nach, die Kooperation mit dem stationären Handel dar. An dieser Stelle unterscheidet sich Ebay nämlich von den anderen Online-Händlern, die generell mit dem stationären Handel konkurrieren.
Es gibt bereits Apps, mit denen man Preisvergleiche vornehmen kann. Bei Ebays Konzept wird der Kunde an dieser Stelle nicht, wie üblich, zu Onlinehändlern verwiesen, sondern zu einem anderen stationären Händler, der das Produkt günstiger anbietet. Ebays Ansatz, dem stationären Handel neue Vertriebswege über innovative Onlinedienste zu verschaffen, ist deshalb sehr interessant. Pluspunkt von Ebay im Vergleich zu anderen Online-Händlern wie Amazon oder Otto ist, dass Ebay keine direkte Konkurrenz darstellt, da es keine eigenen Produkte anbietet. Möglicherweise muss sich Ebay mehr in diese Richtung orientieren und sich selbst als möglicher neuer, innovativer Online-Vertriebsweg für den stationären Handel ausrichten.
Fazit
Abschließend muss man sagen, dass es einige kundenorientierte Ideen von Ebay sind, wirklich neu sind sie jedoch nicht. Zudem muss man feststellen, dass Ebay kein wirklich klares Profil entwickelt. Sie konzentrieren sich wenig auf ihr Kerngeschäft, sondern streben viele verschiedene Ziele an, sodass ihre übergeordnete Strategie nur schwer erkennbar ist. Würde Ebay das Potenzial der „Verbündung mit dem stationären Handel“ für sich nutzen und auch erfolgreich kleine und größere Händler von ihrem neuem Geschäftsmodell überzeugen und diese als Geschäftspartner gewinnen, könnte sich dies als durchaus vielversprechend herausstellen. Diese klare Strategie müssen sie aber erst einmal durchsetzen und nicht weiterhin zu viele Ziele gleichzeitig verfolgen. Mit dem Modell könnte sich Ebay von den konkurrierenden Online-Händlern abheben und damit recht erfolgreich werden.
Quelle: DIE WELT KOMPAKT, 28.02.2013