Website-Icon WebSpotting

Das Kano-Modell im Einzelhandel: Erkenntnisse und Perspektiven

Autoren: Patrick Strecke, Jonas Vogel

Im dynamischen Einzelhandelssektor, der durch intensiven Wettbewerb und ständig wachsende Kundenerwartungen geprägt ist, stellt die Erzielung und Aufrechterhaltung von Kundenzufriedenheit eine fortwährende Herausforderung dar. Vor diesem Hintergrund hat sich das Kano-Modell, eine methodische Vorgehensweise zur Klassifikation von Kundenanforderungen, als wertvolles Werkzeug erwiesen. Ursprünglich von Noriaki Kano in den 1980er Jahren entwickelt, differenziert dieses Modell Kundenbedürfnisse in Basisfaktoren, Leistungsfaktoren und Begeisterungsfaktoren. Diese Einteilung ermöglicht es Einzelhändlern, Produkte und Dienstleistungen zu gestalten, die nicht nur die Erwartungen der Kunden erfüllen, sondern sie auch übertreffen.

Relevanz des Kano-Modells im Einzelhandel

Der Einzelhandel, ein Sektor, der traditionell durch direkte Kundeninteraktionen gekennzeichnet ist, sieht sich zunehmend mit der Notwendigkeit konfrontiert, aus einem tiefen Verständnis der verschiedenen Kundenanforderungen strategischen Nutzen zu ziehen. Die Anwendung des Kano-Modells bietet im Einzelhandel ein prägnantes Framework, um die vielschichtigen Aspekte der Kundenbedürfnisse zu verstehen und darauf basierend das Kundenerlebnis zu optimieren. Eine gezielte Berücksichtigung dieser Faktoren kann zu einer erhöhten Kundenbindung und -loyalität führen, was wiederum die Wettbewerbsfähigkeit von Einzelhandelsunternehmen signifikant steigern kann.

Im Rahmen einer der Seminararbeit an der FH Wedel wurde eine empirische literature review durchgeführt. Dies sollte den aktuellen Forschungsstand zur Anwendung des Kano Frameworks auf stationäre Retailer aufzeigen, um so Handlungsempfehlungen für die Einzelhändler aussprechen zu können.

Vorgehensweise und Methodik

Unsere Seminararbeit folgte einem strukturierten Ansatz. Die Vorgehensweise umfasst mehrere Schritte:

  1. Literaturrecherche – Keywords und Strategie: Es wurde eine umfassende und systematische Literaturrecherche durchgeführt, um relevante Studien zur Anwendung des Kano-Modells im Einzelhandel zu identifizieren. Dabei wurden Datenbanken wie Google Scholar, JSTOR und spezifische Wirtschaftsdatenbanken genutzt.
    Die Recherche basierte auf einer definierten Liste von Keywords wie „Kano Model“, „Retail“, „Customer Satisfaction“, „Product Features“, kombiniert mit Begriffen wie „Case Study“, „Survey“, „Empirical Research“.
    Diese wurde über die Zeit angepasst, optimiert und erweitert. Eine Anzahl von insgesamt ca. 970.000 Treffern wurde identifiziert.


  2. Auswahlkriterien: Über ein mehrstufiges Ausschlussverfahren wurden die Studien zum Screening ausgewählt, die englischsprachig sind, ab 2015 in einem  wissenschaftlichen Journal veröffentlicht wurden und als Volltext verfügbar waren. Relevant waren ausschließlich Arbeiten, die das Kano-Modell im Kontext des Einzelhandels untersuchten.
    Aus dem Screening des Abstracts und Titels wurden schließlich 18 Studien einem Volltext-Screening unterzogen und hinsichtlich Methodik und Stichprobe untersucht. Schlussendlich wurden fünf Studien als Quellen in die Seminararbeit eingeschlossen.

  3. Datenextraktion: Aus den identifizierten Studien wurden relevante Informationen zu den untersuchten Attributen und deren Klassifikation im Kano-Modell extrahiert und systematisch erfasst.

  4. Analyse und Synthese: Die Ergebnisse der Studien wurden analysiert und in einer Tabelle zusammengeführt, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den identifizierten Kundenanforderungen und deren Einfluss auf die Kundenzufriedenheit zu erkennen.

Ergebnisse der Studienanalyse

Unsere Seminararbeit hat fünf wissenschaftliche Studien analysiert, die die Anwendung des Kano-Modells im Einzelhandel untersuchen. Diese Studien bieten wertvolle Einblicke in die verschiedenen Aspekte und Anwendungen des Modells:

1. Paul et al. (2020): Diese Studie versucht einen blueprint für das Kano-Framework für Einzelhändler in Indien zu schaffen. Sie identifiziert, dass Faktoren wie soziale Erwünschtheit, Freundlichkeit des Personals und Einkaufserlebnis in Indien entscheidend für die Kundenzufriedenheit sind. Insbesondere kleine und große Einzelhandelsformate müssen unterschiedliche Anforderungen erfüllen, um ihre Kunden zufrieden zu stellen.

2. Baier & Rese (2020): Die Studie untersucht das Potenzial von technischen Innovationen Servicequalität im Einzelhandel zu steigern. Dabei geht sie sowohl auf physische als auch digitale stores ein. Die Studie zeigt, dass technologische Innovationen, insbesondere solche, die das Einkaufserlebnis verbessern, als attraktive Merkmale wahrgenommen werden. Allerdings ist Vorsicht geboten, da nicht alle Technologien positive Auswirkungen haben. Beispielsweise werden Push-Technologien wie Beacons und Geofencing teilweise negativ bewertet.

3. Kermanshachi et al. (2022): Diese Studie aus Texas und Nord-Zypern betont die Bedeutung von visuell ansprechenden Einrichtungen und fehlerfreien Transaktionen. Ein gut gestaltetes Store-Layout und prompt verfügbarer Service können die Kundenzufriedenheit erheblich steigern.

4. Pereira et al. (2020): Die Untersuchung in einem brasilianischen Schuhgeschäft identifiziert wesentliche Anforderungen wie qualifizierte Mitarbeiter, wettbewerbsfähige Preise und Sauberkeit der Verkaufsstelle als entscheidend für die Kundenzufriedenheit.

5. Rahmawati & Donoriyanto (2021): Diese Studie integriert die Servqual- und Kano-Modelle zur Analyse der Servicequalität in indonesischen Einzelhandelsgeschäften. Sie identifiziert mehrere Servicequalitätsmerkmale, die verbessert werden müssen, um die Kundenzufriedenheit zu steigern.

Synthese der Ergebnisse

Die Synthese der Ergebnisse zeigt, dass bestimmte Attribute in mehreren Studien konsistent als wichtig für die Kundenzufriedenheit identifiziert wurden. Insbesondere Basisanforderungen wie „Verfügbarkeit von Waren, wenn der Kunde sie benötigt“ und „visuell ansprechende physische Einrichtungen“ sind entscheidend, um Unzufriedenheit zu vermeiden. Leistungsanforderungen wie „Shopping Relationship“ und „Competitive pricing“ tragen direkt zur Zufriedenheit bei und sollten optimiert werden. Begeisterungsanforderungen wie „Shopping Ambience“ und „Free Wifi“ können darüber hinaus die Kundenzufriedenheit signifikant steigern, wenn sie über die grundlegenden Erwartungen hinaus erfüllt werden.

Limitationen der Arbeit

Trotz der wertvollen Erkenntnisse weist die Arbeit einige Limitationen auf:

Fazit und Ausblick

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Kano-Modell Einzelhändlern wertvolle Einblicke in die Bedürfnisse und Erwartungen ihrer Kunden bietet. Durch das Identifizieren von Anforderungen und dem gezielten Erfüllen von Basis-, Leistungs- und Begeisterungsanforderungen können Einzelhändler ressourcenschonend ihre Kundenzufriedenheit steigern und somit langfristig ihre Wettbewerbsfähigkeit sichern.

Für zukünftige Forschungsarbeiten ergeben sich mehrere interessante Perspektiven:

Durch kontinuierliche Forschung und Anpassung an neue Entwicklungen können Einzelhändler ihre Strategien weiter optimieren und somit langfristig erfolgreich am Markt agieren. Das Kano-Modell bietet eine solide Basis zur Verbesserung der Kundenzufriedenheit und zur strategischen Planung im Einzelhandel.

Die mobile Version verlassen