Automatisierung ist heutzutage in nahezu jedem Wirtschaftsbereich ein Thema. Auch im digitalen Marketing finden sich Anwendungsfelder für die automatisierte Erstellung von Werbecontent, wie in der Studie „Video Content Marketing: The Making of Clips“ von Xuan Liu, Savannah Wei Shi, Thales Teixeira und Michel Wedel aus dem Jahr 2018 aufgezeigt wird.
Die Wissenschaftler beschäftigen sich in der Studie mit der Frage, wie aus Filmtrailern kurze Werbeclips erstellt werden können, die beim Betrachter die größtmögliche Intention erzeugen sollen, sich den beworbenen Film anzuschauen. Gegenwärtig ist es noch gängige Praxis, für solche Clips, wie sie beispielsweise im TV oder auf YouTube als Werbemittel eingesetzt werden, einfach die ersten X Sekunden des Trailers zu verwenden. Je nach gewünschter Cliplänge. Das Ziel der Forscher ist es einerseits eine Vorgehensweise zu erarbeiten, die signifikant besser bewertete Clips liefert, als der herkömmliche Ansatz der Cliperzeugung und diese Vorgehensweise zudem automatisierbar und skalierbar zu gestalten. Auch möchten sie mit ihrer Studie weiterführende Forschung in diesem Bereich anregen.
Vorgehensweise
Für die Durchführung der Studie wurden Testdaten gebraucht, wie auch Kriterien, anhand derer die Bewertung eines Clips vorgenommen werden kann. Die Wissenschaftler haben sich auf Komödien beschränkt.
Auf Basis von vorhandener Forschung zu den Themen Film und Trailer wurden Variablen ermittelt, die einen nachgewiesenen Einfluss auf den Werbeerfolg von Trailern haben. Diese Variablen beschreiben das Video, den zugehörigen Ton und die Happiness – also das Auftreten fröhlicher Emotionen beim Betrachter. Beispiele sind die Anzahl der Szenen, die Länge der längsten Szene, der Trend der Lautstärke und die Lautstärke der Musik an markanten Punkten, sowie die maximal gemessene Happiness und deren Trend.
Um herauszufinden, wie genau die Szenenstruktur und der Aufbau von Trailern mit den emotionalen Reaktionen der Zuschauer verknüpft ist, wurden per Gesichtserkennungssoftware die Emotionen von freiwilligen Probanden erfasst und im Hinblick auf die genannten Variablen ausgewertet. Die Emotionsanalyse findet in Echtzeit statt und nutzt die Bewegung spezifischer Muskelgruppen im Gesicht, um für jeden Moment die Wahrscheinlichkeit verschiedener Emotionen zu ermitteln. Für die hier verwendeten Komödien wurde die Emotion Freude betrachtet. Im Anschluss wurden den Probanden Fragen zur persönlichen Bewertung des Trailers gestellt.
Auf dieser Datenbasis wurde zunächst ein statistisches Modell aufgestellt, das für jede Szene errechnet, welchen Effekt sie auf die Happiness des Betrachters hat und damit auch, wie gut oder schlecht es ist, diese bei einer Verkürzung des Trailers zu einem Clip zu integrieren oder auszuschließen.
Zur Automatisierung der Clipoptimierung wird ein einfacher Algorithmus vorgeschlagen. Dieser besteht aus den folgenden Schritten: Es wird, auf Grundlage des aufgestellten statistischen Modells, jede Szene des Clips bewertet. Die schlechteste Szene, also die, die statistisch gesehen am wenigsten positive Emotionen beim Betrachter hervorrufen wird, wird aus dem Trailer entfernt. Diese Vorgehensweise wird so lange wiederholt, bis der Clip eine gewünschte Länge erreicht hat.
Die Automatisierung erzeugt so zwar nicht das global beste Ergebnis, für dieses müsste das Modell auf alle Kombinationsmöglichkeiten der Szenen angewendet werden, was einen deutlich zu hohen Rechenaufwand bedeuten würde. Es wird jedoch schrittweise der beste Folgezustand gewählt und der Algorithmus nähert so eine optimale Lösung zumindest an. Durch den geringen Rechenaufwand des vorgeschlagenen Algorithmus ist dieser auf alle denkbaren Film- und Trailerlängen anwendbar.
Mit Hilfe des statistischen Modells wurden den definierten Variablen Werte zugeordnet, die die Auswirkung der Variablen auf die Bewertung des Films beschreiben. Als positive Effekte, also Variablen, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass der Film später angesehen wird, konnten beispielsweise eine geringe Gesamtzahl an Szenen, ein hoher maximaler Happiness Wert, eine hohe Gesamtlautstärke am Ende des Clips und ein positiver Trend in der Entwicklung der Happiness festgestellt werden.
Validierung der Ergebnisse
Diese rechnerischen Ergebnisse wurden durch zwei Experimente validiert. Zuerst wurde ein online Experiment durchgeführt, bei dem Probanden zufällige Clips vorgespielt bekommen haben. Zu jedem der Filme, die in dem Experiment verwendet wurden, wurden zwei Clips erstellt: einer nach dem Verfahren, die ersten X Sekunden des Trailers zu verwenden und einer, der nach dem von den Studienautoren vorgeschlagenen Algorithmus erzeugt wurde. Die Probanden sollten nach dem Anschauen der Clips diese und den zugehörigen Film bewerten und angeben, wie gerne sie sich den Film ansehen wollen.
Als zweites wurde ein Experiment in Zusammenarbeit mit Netflix durchgeführt. Hier wurde ein Newsletter in drei Varianten ausgespielt und die Reaktion gemessen. Variante 1. wurde mit einem Bild verschickt, Variante 2. mit einem herkömmlichen Clip und Variante 3. mit einem optimierten Clip.
Für beide Experimente konnten signifikante positive Effekte der optimierten Clips nachgewiesen werden. Im ersten Experiment wurde jeder einzelne optimierte Clip im Durchschnitt besser bewertet, als sein Pendant ohne Optimierung. Im Experiment mit Netflix konnten einige interne Metriken von Netflix verbessert werden. So konnte beispielsweise die Zahl der „Short Viewer“, also Kunden, die den Newsletter erhalten haben und den beworbenen Film weniger als 6 Minuten ansehen, um über 10% gesenkt werden.
Fazit und Ausblick
Allgemein lässt sich sagen, dass in Zeiten geringer Aufmerksamkeitsspannen und neuer Werbemethoden kurze aber effektive Werbeclips an Wichtigkeit gewinnen. Mit der vorgestellten Forschungsarbeit wurde ein erster Beitrag zum Thema Optimierung und Automatisierung der Erstellung solcher Clips erfolgreich geleistet. Auch wenn hier nur ein Genre und eine ausschlaggebende Emotion untersucht wurde, lieferte das Modell Ergebnisse, die nachweislich wirksamer sind, als traditionelle Methoden der Cliperstellung.
Das Studienziel wurde somit erreicht und ein erster Grundstein für die Forschung in diesem Bereich gelegt. Auf Basis dieser Studie und der gewonnenen Erkenntnisse lassen sich ähnliche Versuche für andere Genres, andere Emotionen und weiteres durchführen, um die Effektivität von Video Content Marketing im Bereich Film und Trailer zu erhöhen, ohne großen Arbeitsaufwand zu verursachen, und somit die Einspielergebnisse der Filme zu erhöhen.