Abbildung 1, Trade Republic [16]
Der 2015 gegründete Neobroker Trade Republic ist laut dem Handelsblatt das wertvollste Start-up in Deutschland mit einer stolzen Bewertung von 5 Milliarden US-Dollar und ca. 1. Millionen Nutzer [1,2]. Doch wie schaffte das Unternehmen ein solch komplexes Produkt in kürzester Zeit so erfolgreich zu machen? Es folgt eine Multi Channel Analyse, die dem nachgehen wird.
Das Geschäftsmodell
Bevor es tiefer in die Analyse geht, folgt einleitend die Darstellung des Geschäftsmodells. Orientiert wurde sich am Modell „Magisches Dreieck“ nach Oliver Gassmann, Karolin Frankenberger und Michaela Csik (Abb. 2)
Was – Das Nutzerversprechen.
Trade Republic zeichnet sich durch drei zentrale Nutzerversprechen aus.
1. Die Einfachheit: Was vor wenigen Jahren noch unvorstellbar war, ist heute die Realität. Die intuitive App ermöglicht es mit nur drei Taps am Kapital zu handeln.
2. Die Schnelligkeit: Die Depot Eröffnung ist in 10 Minuten abgeschlossen und das per Mobilgerät.
3. Der Preis: Die Depotführung ist kostenlos und es lassen sich 4.000 Sparpläne gebührenfrei besparen [4]. Lediglich die manuelle Abwicklung eines Handelsgeschäfts, also der Verkauf oder Kauf eines Wertpapiers kostet jeweils 1 Euro [4].
Wieviel – Wie wird Geld verdient?
Unter dem wie „Wieviel“ steckt die Frage, wie Geld verdient wird [3]. Dies ist bei Trade Republic nicht so leicht ersichtlich, angesichts der geringen Kosten. Der Cashflow lässt sich auf drei zentrale Quellen aufteilen. Die erste sind die Einnahmen durch die Abwicklungsgebühren von den oben genannten 1 Euro. Die zweite sind die Einnahmen mit Exklusivverträgen durch sogenannte Emittenten. Trade Republic nimmt nämlich die Rolle eines exklusiven Marktplatzes ein. Resultierend daraus stehen den Nutzern aktuell nur die ETF Produkte von drei verschiedenen Unternehmen (iShares, Lyxor und Amundiu) zur Verfügung [5]. Die dritte Einnahmequelle und auch die stärkste sind die Einnahmen durch die sogenannten Spreads. Ein Spread ist die Differenz zwischen dem Kaufpreis des Wertpapiers und dem tatsächlichen Preis (analog für den Verkaufspreis). Diese Differenz ist dynamisch und wird von der Börse „Lang und Schwarz“ mit der Trade Republic exklusiv zusammen arbeitet, vorgegeben. Der Spread ist unter anderem von der Handelszeit oder der Liquidität des Wertpapiers abhängig und wird in der Detailansicht des Wertpapiers transparent dargestellt (Geld und Briefkurs). Mit dieser Preisdifferenz verdient im ersten Schritt nur Lang und Schwarz ihr Geld, die dann wiederum Trade Republic rückvergüten. Die Höhe des Anteils ist nicht bekannt, es wird lediglich angegeben, dass im Regelfall die Vergütung maximal 3 Euro beträgt [15] .
Wer – Wie sieht die Zielgruppe aus?
Die Zielgruppe sind junge Einsteiger mit dem Ziel, sich langfristig finanziell abzusichern. Das Durchschnittsalter der Nutzer soll bei 30 Jahren liegen, das ist 10 Jahre jünger als das deutsche Durchschnittsalter von Aktiensparern [7,8]. Die Einsteigerquote liegt bei einem drittel liegen und das 80 % der Nutzer haben einen Sparplan, verfolgend somit ein langfristiges Ziel [7,9].
Die rasante Zunahme der Nutzer konvergiert auch mit der Zunahme von Aktiensparer im Alter von 14-29 Jahren. Im Jahr 2019 – 2020 ist diese Altersgruppe der Aktiensparer in Deutschland um +67 % gestiegen, während es bei den 30-39-Jährigen nur einen Anstieg von 34 % gab [10]. Das Investieren in Wertpapieren scheint vor allem bei der jüngeren Zielgruppe einen Gesellschaftlichen Wandel durchzumachen.
Wie – Die Wertschöpfungskette
An erster Stelle steht der Emittent. Wie schon im Abschnitt „Wieviel“ beschrieben, wird in dieser Stufe ein Teil der Finanzprodukte zur Verfügung gestellt, wie beispielsweise die ETFs [11]. In der zweiten Stufe befindet sich die Börse. Auch diese wurde im Abschnitt „Wieviel“ schon kurz beleuchtet. Bei Trade Republic übernimmt nur „Lang und Schwarz“ die Rolle der Börse und ist verantwortlich für die Abwicklung von Orders und zuständig für die Kursqualität [13].
An nächster Stelle steht die Depotbank. Diese Rolle übernimmt die Solaris Bank, die für die Verwahrung der Kundengelder zuständig ist. Trade Republic besitzt zwar eine eigene Banklizenz und wäre prinzipiell befugt, die Gelder selbst zu verwahren, dennoch holen sie durch eine Intermediation Unterstützung [13]. Die letzte Stufe der Wertschöpfungskette ist der Wertpapierabwickler. Dieser ist ein Servicedienstleister der sich beispielsweise um Dividendenauszahlungen und Hauptversammlungseinladungen kümmert . Die HSBC ist das Unternehmen, die dafür die Verantwortlichkeit haben [13].
Bewertung des Geschäftsmodells
Es lässt sich feststellen, dass das Geschäftsmodell im Kern darauf basiert, die Schnittstelle zwischen Börse und Kunden herzustellen, wobei durch Intermediationen weitere bürokratische und technische Hürden outgesourct werden, wie beispielsweise der Dividendenauszahlung. Trade Republic selbst hat operativ nichts mit der Abwicklung von Orders zu tun. Durch die Rückvergütung an den Spreads ist es zudem möglich, an jeder Transaktion mit Geld zu generieren, ohne das der Nutzer es wahrnimmt. Dieser Effekt sorgt zusätzlich für eine stärke Kundenbindung. Zudem wurde ein gesellschaftlicher Trend erkannt und genutzt, nämlich der Anstieg der jungen Aktiensparer und basierend auf deren Bedürfnisse wurde ein Produkt entwickelt, welches einfach, schnell und günstig ist.
Unternehmensumfeld
Bevor das Unternehmensfeld-Analyse von Trade Republic beleuchtet wird, ist eine Differenzierung von Onlinebrokern und Neobrokern notwendig. Eine einheitliche Definition zur Klassifizierung gibt es nicht, jedoch werden folgende Ausprägungen als Merkmale von Neobrokern betrachtet: Benutzerfreundlichkeit, niedrige Gebühren, geringe Auswahl an Finanzprodukten und eine Spezialisierung auf den reinen Wertpapierhandel [14].
Neobroker vs. Onlinebroker
Auf der ersten Ebene der Unternehmensumfeld Analyse folgt eine Unterscheidung zwischen Onlinebroker und Neobroker hinsichtlich des Interesses. Angenähert wurde diese Kennzahl mithilfe von Google Trends. Hierfür wurde das Suchvolumen des Keywords: {Unternehmen}+ „Depot eröffnen“ im Zeitraum vom 13.11.2021 – 13.11.2022 ins Verhältnis gesetzt. Der Vorteil dieser Kennzahl ist, dass diese aus einer objektiven Quelle stammt und die tatsächliche Nachfrage an dem Produkt „Wertpapierhandel“ misst. Die Unterscheidung zwischen Onlinebroker und Neobroker folgt binär, dass heißt es wird nur unterschieden ob es Neobroker oder ein Onlinebroker ist. Die in der Matrix enthaltenen Neobroker und Onlinebroker sind die jeweiligen Top 3 bzw. 4 Unternehmen, hinsichtlich des Suchvolumens des obigen Keywords.
Zwei zentrale Erkenntnisse lassen sich aus dieser Abbildung ableiten. Zum einen sieht man, dass die Onlinebroker den Neobrokern deutlich überlegen sind. Die Spannweite zwischen dem führenden Onlinebroker ING und dem führendem Neobroker Trade Republic beträgt 32 Punkte. Zudem erkennt man, dass die Nachfrage nach einem Trade Republic Depot am höchsten unter den Neobrokern ist, mit einer fast doppelt so hohe Suchhäufigkeit (18 TR vs. 10 SB).
Neobroker Positionierungen
Nun begehen wir uns eine Ebene tiefer und betrachten nur die Neobroker. Methodisch wurden Unterschiede mithilfe der „Differenzierungsfaktoren im Handel“ kenntlich gemacht, in Anlehnung an Finne & Sivonen (2009). Die Differenzierungsfaktoren wurden teilweise an das Neobroker Geschäftsmodell angepasst, folglich sind die Faktoren „Handelsplatz Unabhängigkeit“ und „Bedienbarkeit“ hinzugekommen sind.
Erkennbar ist eine klare Positionierung der drei Unternehmen. Während Trade Republic stark im Preis und bei der Bedienbarkeit ist, machen sie starke Abstriche im Service und – Sortimentsangebot. Diese beiden Schwächen werden von den jeweiligen Konkurrenten ausgenutzt. So setzt Scalable Capital auf ein starken Service. Sie sind das einzige Unternehmen, die einen Live Chat anbieten, zusätzlich haben sie einen sogenannten Robo Adviser, der auf Basis der Bedürfnisse der Nutzer, Finanzprodukte selektiert und bespart. Smartbroker hingegen positioniert sich durch ein breites und tiefes Sortiment, welches durch die Anzahl der verfügbaren Börsen gewährleistet wird. Die Sortimentsbreite wurde an der Anzahl der Analagenklasse gemessen, also ob ETFS, Fonds, Aktien, Kryptowährungen oder Zertifikate zur Verfügung stehen. Deren Ausprägungsstärke stellt dann wiederum die Sortimentstiefe dar.
Kanäle und Aktivitäten
Im folgenden Abschnitt werden die von Trade Republic genutzten Kanäle aufgeführt und anschließend einer bestimmten Station in der Customer Journey zugeordnet. Aufgeteilt sind die Kanäle auf den Ebenen Service und Marketing. Auf der Serviceebene stellt Trade Republic ihr Produkt primär per App zur Verfügung. Als sekundärer Kanal kann die Webversion genutzt werden, die seit 2021 zur Verfügung steht. Dieser ist jedoch nur nutzbar, wenn vorher eine Registration per App stattgefunden hat.
Auf der Marketingebene wird unterschieden zwischen Online und Offline Marketing. Zentrale Online Marketing Instrumente die bedient werden, sind Pressebeiträge, Affiliate Marketing, Suchmaschinen (SEO,SEA bei Google oder im AppStore), Sozial Media und YouTube -Werbung. Im Offline-Bereich wird auf TV und Plakat Werbung gesetzt. Nun werden die aufgeführten Instrumente einer Phase des AIDA Modells zugeordnet, um typische Customer Journey‘s zu konstruiert.
Attention: In dieser Phase lernen Personen das Unternehmen Trade Republic kennen. Ziel ist es, im Gedächtnis der Menschen abgespeichert zu sein, um in den nächsten Phasen zum Kaufinteresse zu führen. Instrumente, die dieses Ziel erfüllen, sind beispielsweise YouTube Werbung, Plakate oder TV Werbung.
Interest: Das Ziel dieser Phase ist primär, das Interesse am Geld investieren zu fördern und weniger das Unternehmen in den Vordergrund zu stellen. Das hierfür verwendete Instrument sind Pressebeiträge in Kombination mit SEO. Es wird zum Beispiel versucht, die Nutzer abzufangen, die ein Interesse am Investieren äußern und beispielsweise googeln „Wie Geld sicher anlegen?“. Mit Pressebeiträgen wie bei der Frankfurter Allgemeine „Aktienkaufen zum Nulltarif“, werden Leser dazu incentiviert, das Bedürfnis zu verspüren ihr Geld anlegen zu müssen.
Desire: Die potenziellen Nutzer sind in dieser Phase gewillt Geld anzulegen und informieren sich, welcher Broker am besten zu ihren Bedürfnissen passt. Dafür werden beispielsweise die Preise verglichen und sich mit Hilfe von Online Ratgebern informiert. Um auf diesen Webseiten stattzufinden, hat Trade Republic ein Affilate Marketing Programm gestartet. Somit wird die Wahrscheinlichkeit erhöht, auf diversen Internetseiten mit aufgeführt und bewertet zu werden.
Action: Hat sich nun der potenzielle Nutzer für Trade Republic entschieden, folgt der Download der App mit einer anschließenden Online-Verifizierung. Nachdem Geld auf das Konto überwiesen wurde, kann investiert werden.
Bewertung des Multi Channel Potenzials
Bei der Betrachtung der genutzten Kanälen fällt auf, dass überwiegend auf Onlinekontaktpunkte gesetzt wird, wodurch sich die Frage stellt, ob es weitere Potenziale im Offlinebereich gibt. Mögliche Kanäle, die noch sinnvoll zu bedienen wären, sind Zeitungsartikel, Printwerbung, Radio und Informationsstände. Die Vorteile dieser Kanäle ist, dass eine neue und große Zielgruppe angesprochen wird. Ebenso spricht dafür, die Menge an Informationen die über diese Kanäle vermittelt werden kann, was vor allem bei einem solchen Produkt und einer noch „kalten“ Zielgruppe wichtig ist. Analog zu der Customer Journey, müssen erst potenzielle Nutzer vom Investieren überzeugt werden (Interest) und anschließend von dem Trade Republic Konzept (Desire). Gegen das Potenzial der Offline Kanäle spricht, dass die Zielgruppe, die sowieso kaum online unterwegs ist, auch nicht bereit wäre, ihr erspartes Geld über eine App zu investieren, weil das Vertrauen und die Online Affinität fehlt.
Im Online Bereich wird beinahe jedes Online Marketing Instrument ausgeschöpft und durch den Erfolg in ihrer Branche beweisen sie, dass sie in Sachen Kommunikation State Oft The Art in Deutschland sind.