Ihr E-Commerce-Unternehmen muss innovationsfähiger werden um am dynamischen Markt bestehen zu können? Oder sie haben vor, mit Hilfe von neuen Technologien und Innovationen, zum Marktführer zu werden? Dann lesen Sie folgenden Beitrag über Technologie- und Innovationsmanagement und worauf Sie hierbei achten sollten.
In den letzten Jahrzehnten hat sich gezeigt, dass das Umfeld der Unternehmen sich mit beschleunigtem Tempo entwickelt und sehr unstetig ist. Unternehmen müssen in kurzer Zeit auf diese Veränderungen im Umfeld reagieren um Wettbewerbsfähig zu sein, dies setzt jedoch eine hohe Flexibilität des Unternehmens voraus. Insbesondere Technologien und Produkte werden in einem nie vorher dagewesenen Tempo weiterentwickelt. Die digitale Branche und der E-Commerce sind im Vergleich zu anderen Branchen außerdem besonders dynamisch, sodass ein Technologie- und Innovationsmanagement immer notwendiger werden. [1]
Durch ein kontinuierliches und fortschreitendes Innovationsmanagement kann ein Unternehmen sowohl neue Wettbewerbsfelder identifizieren aber vor allem auch die bestehende Wettbewerbsposition halten oder gar ausbauen. In der digitalen Branche wird jener Wettbewerb allerdings nicht nur zwischen den bestehenden Unternehmen ausgetragen, sondern dort treten vermehrt auch Start-Ups auf den Markt. [2] Dieser Wettbewerbsdruck wird darüberhinaus auch durch die Open Source Technologien weiter verschärft, die kostenlos im Internet zur Verfügung gestellt werden. Diese beiden zusätzlichen Faktoren machen den E-Commerce zu einer Branche die durch einen besonders hohen Innovationsdruck geprägt ist. Daher ist ein agil strukturiertes Innovations- und Technologiemanagement für jedes Unternehmen im E-Commerce von hoher Bedeutung. Der folgende Blogbeitrag soll eine Starthilfe für Unternehmen sein, die mit einem Innovationsmanagement starten wollen, jedoch noch keine Vorstellung haben wie ein solches gestaltet werden kann. Hierfür möchten wir im folgenden konkreter auf die Gestaltung der Phasen des Innovationsprozesses eingehen.
Der Innovationsprozess teilt sich in die Phasen Ideengenerierung, Ideenbewertung, Produktion und Markteinführung. Die Entwicklungsphase ist als eine parallele Phase zu betrachten, die im späteren Stadium der Ideenbewertung beginnt und mit der Produktionsphase endet. Diese Darstellung gilt in der Digitalen Branche, da die Prüfung der technischen Umsetzbarkeit zumeist mit der Entwicklung eines Prototypen einhergeht und dieser Prototyp dann später häufig die Basis ist für das Produkt in der Produktion.
Ideengenerierung
Die erste Phase des Innovationsprozesses hat zum Ziel Ideen und neue Impulse aus dem Unternehmensumfeld aufzunehmen. Insbesondere im Bereich der Technologien ist es hier wichtig auf Weak Signals (Schwache Signale) zu achten und diese Signale zu verstärken. Weak Signals sind Informationsimpulse die während der Entstehung einer neuen Technologie entstehen. [3] Zu diesem Zeitpunkt ist es noch unklar ob die neue Technologie durch eine erhöhte Leistungsfähigkeit etablierte Technologien ablösen können. Da Technologien aber schnelllebig sind, kann man zumeist nur einen Wettbewerbsvorteil aus neuen Technologien generieren, wenn man die neuen Technologien früh in das Unternehmen integriert. Die frühe Erkennung und Bewertung neuer Technologien ist daher von hoher Bedeutung.
Innerhalb der Ideengenerierung unterscheidet man zwischen den Phasen Suchfeldbestimmung, Ideensammlung und Ideenerfassung. Bei der Suchfeldbestimmung wird der Bereich eingeschränkt in dem das Unternehmen auf Impulse des Umfeldes reagiert und diese Analysiert. Dies ist wichtig, damit die Sammlung und Bewertung effizient verläuft und der Unternehmensstrategie entspricht.
Die Ideensammlung beschreibt den Sammlungsprozess von neuen Impulsen aus dem Umfeld des Unternehmens. Hierfür werden aktiv Publikationen, Patente, Wettbewerberinformationen und Lieferanteninformationen durchsucht und nach neuen Ideen überprüft. Innerhalb des Suchfeldes findet aber noch keine Bewertung statt, es wird zunächst alles aufgenommen was vorhanden ist.
Die gesammelten Ideen werden in der Ideenerfassung systematisch und strukturiert gespeichert. Diese Speicherung erfolgt über ein EDV System und bereitet die spätere Analyse und Bewertung der Ideen vor.
Ideenbewertung
Die Ideenbewertung hat zum Ziel aus den aufgenommenen Ideen und Technologien nun die wichtigsten auszuwählen und eine begründete Empfehlung zur Umsetzung der Idee bzw. Integration der Technologie abzuleiten. Diese Bewertung erfolgt in der Regel in mehreren Stufen. Dabei werden die Analysen der Stufen jeweils umfangreicher, die zu analysierenden Ideen werden aber nach jeder Stufe weniger, damit der Prozess effizient bleibt. Wichtige Kriterien nach denen die Ideen bewertet werden sind zum Beispiel:
- Ökonomische Kriterien: Z.B. Cashflow, ROI, Umsatz, Kosten, Gewinn, Conversion Rate, Visitors, Page Views, Cost per Click
- Technologische Kriterien: Zuverlässigkeit, Korrektheit, Performance, Usability, Wartbarkeit, Portierbarkeit, technische Realisierbarkeit, Modularität, Kompatibilität
- Integrationsfähigkeit: Integrationsaufwand, ähnliches Know-How vorhanden, ähnliche Basistechnologien bereits im Einsatz, organisatorische Realisierbarkeit
- Zeitliche Kriterien: Dauer der Integration, Länge des Technologiezyklus, Amortisationszeit
- Image Kriterien: Einfluss auf das Image des Unternehmens, Einfluss auf die Motivation der Mitarbeiter
- Nachhaltigkeits-Kriterien: Ökologischen Einfluss, Gesellschaftlichen Einfluss
- Rechtliche Kriterien: Übereinstimmung mit gesetzlichen Rahmenbedingungen, Sicherung von Schutzrechten
Im E-Commerce sollten die Kriterien Kompatibilität und Modularität einen erhöhten Stellenwert einnehmen. Diese Kriterien haben sich in der Vergangenheit für den langfristigen Erfolg als sehr entscheidend gezeigt. [4]
Während der Ideenbewertung arbeitet man mit qualitativen und quantitativen Verfahren. Die qualitativen Verfahren wie zum Beispiel die Checkliste, das semantische Differential oder die Nutzwertanalyse werden häufig in den frühen Phasen der Bewertung eingesetzt.
Die quantitativen Verfahren die zumeist darauf abzielen konkret zu kalkulieren wie viel Umsatz, Ergebnis oder Kapitalwert eine Innovation oder Technologie erreichen wird, werden, aufgrund ihres Aufwands, erst in den letzten Stufen der Technologiebewertung vorgenommen.
Entwicklungsphase
Nach einer finalen Bewertung der Ideen werden diese in die Entwicklung übergegeben. Hier besteht die wesentliche Herausforderungen, den Entwicklungsprozess möglichst nahe an den Kundenbedürfnissen und -erwartungen zu halten, um einen letztendlichen Zusatznutzen für den Kunden und einen potenziellen Mehrwert für das Unternehmen zu generieren. Daher ist diese Phase von einer gewissen Unsicherheit geprägt. Dieser Unsicherheit kann man aber durch eine möglichst frühzeitige Einbindung des Kunden in den Entwicklungsprozess entgegenwirken.
Die Qualitätssicherung kann durch FEMA-Methode (Failure Mode and Effect Analysis) als methodischen Ansatz erfolgen. Dabei werden in einem mehrstufigen Prozess zunächst das System analysiert, potenzielle Risiken erkannt und bewertet. Besonders schwerwiegende Risiken können anschließend minimiert werden. Eine abschließende Erfolgskontrolle und Dokumentation dient der kontinuierlichen Weiterentwicklung des Unternehmens. Auch spielen Kosten eine sehr große Rolle in der Entwicklungsphase. Durch das Target Costing Verfahren können Einsparpotenziale in der F&E, im Design oder im Vertrieb identifiziert werden. [5]
Produktionsphase
Nachdem in der Entwicklungsphase ein Produkt entwickelt wurde, werden in der Produktionsphase (Realisationsphase) die Endprodukte produziert, bzw. das entwickelte Produkt mit passenden Services marktfähig gemacht. [6]
Durch die Schnelllebigkeit am Markt kann ein sequentieller Ablauf der Produktionsphase nicht mehr zielführend sein. Daher wird hier häufig das Konzept des Simultaneous Engineerings angewendet. Durch Parallelisierung, Standardisierung und Integration der verschiedenen Produktionsstufen können die Produktionsdauer und die Kosten der Entwicklung drastisch gesenkt und ein effizienter Ressourceneinsatz gewährleistet werden. Die Standardisierung soll dabei den neuen Produkten Sicherheit, Planbarkeit und Stabilität geben. Durch die verstärkte Zusammenarbeit durch die Integration von verschiedenen Komponenten und Abteilungen kann die Produktionsphase weiter optimiert werden.
Allerdings steigt der Koordinationsaufwand durch das Simultaneous Engineering erheblich. Diesem steigenden Koordinationsaufwand kann mit einem systematischen Projektmanagement und einen verstärkten Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien begegnet werden. [7]
Auf die Produktionsphase folgt die finale Markteinführung und Reflexion des bisher absolvierten Prozesses.
Reflexion und Markteinführung
Im Rahmen der Reflexion wird das Projekt als Produkt oder Dienstleistung an das Unternehmen übergeben. Hierfür fertigt der Projektleiter einen Abschlussbericht an, der dann in der Abschlusspräsentation vorgestellt wird. Auch nicht abgeschlossene oder fehlgeschlagene Projekte werden so offiziell abgeschlossen. In einer anschließenden Diskussion können gemachte Fehler oder Verbesserungsvorschläge angesprochen werden damit diese in der Zukunft vermieden werden können. Eine sehr hohe Priorität hat dabei, dass alle gemachten Erfahrungen und in der Diskussion aufkommende Verbesserungsvorschläge dokumentiert und für zukünftige Projekte zugänglich gemacht werden.
Für die Markteinführung ist eine Markteintrittsstrategie sehr wichtig. Diese umfasst in der Regel die Wahl der Eintrittsmärkte, die Markteintrittsform und den Markteintrittszeitpunkt. Bei der Wahl der Markteintrittsmärkte kann zwischen Wasserfallstrategie und der Sprinklerstrategie unterschieden werden. Die Wasserfallstrategie stellt hierbei eine eher vorsichtige Variante dar, bei der verschiedene Märkte nach und nach betreten werden. Bei der Sprinklerstrategie werden alle Märkte gleichzeitig bedient um deren Erschließung voranzutreiben und die Konkurrenten vor der Nachahmung zu hindern. Häufig findet man in der Praxis eine Kombination beider Strategien vor.
Die Wahl der Markteintrittsform ist im Wesentlichen von den finanziellen Mitteln des Unternehmens abhängig. Dabei stellt die Gründung eines neuen Unternehmens bzw. Start-Ups die finanziell aufwendigste Variante dar. Stehen solche finanzielle Mittel nicht zur Verfügung kann im ersten Schritt auch auf eine Kooperation durch Export und Import zurückgegriffen werden.
Die Wahl des Eintrittszeitpunktes kann in den meisten Fällen nur bedingt vom Unternehmen selbst beeinflusst werden und ist oftmals von unbekannten Rahmenbedingungen abhängig. [8]
Darüberhinaus sind unbedingt Überlegungen zur Sicherung der Schutzrechte anzustellen da der gesamte Innovationsprozess in der Regel sehr viel Geld kostet. Daher sollen Konkurrenten von der Imitation der eigenen Innovation gehindert werden. [9]
Fazit
Nachdem der Innovationsprozess in seinen Einzelheiten beschrieben worden ist soll hier noch erwähnt werden, dass ein Unternehmen nicht nur bei dessen Produkten und Dienstleistungen sondern auch bei den im Unternehmen vorhandenen Prozessen innovativ sein müssen. Dafür müssen die Kompetenzen im Innovations- und Technologiemanagement stetig ausgebaut werden. Auch die Etablierung einer Innovationskultur ist ein wesentlicher Baustein für nachhaltigen Erfolg. [10] Eben für jene Innovationskultur sind auch die Mitarbeiter fest in den Prozess zu integrieren. Die Verantwortung für Innovationen hat die damalige Vizepräsidentin von Google, Larissa Mayer, zum Großteil bei den Mitarbeitern gesehen.
Beinahe jede Technologie wird nach einem gewissen Zeitraum durch eine Substitutionstechnologie ersetzt, die durch eine höhere Leistungsfähigkeit gekennzeichnet ist. Im Technologiemanagement ist daher das richtige Timing der Einführung einer neuen Technologie essentiell wichtig. Um dieses erreichen zu können muss innerhalb der Ideengenerierung kontinuierlich geprüft werden ob Substitutionstechnologien am Markt entstehen und welches Potential diese haben etablierte Technologien zu ersetzen.
Autoren: Julian Aierstock, Matthias Borchert
Quellen
[1] Vgl. Albers, Gassmann Handbuch Technologie- und Innovationsmanagement 2005, S.121
[2] vgl. Heinemann, Gerrit: Web-Exzellenz, 2010, S. 1
[3] Vgl. Vahs/Brem Innovationsmanagement 2013, S.126
[4] Vgl. shoptechblog.de, Shop Hersteller als Innovationstreiber, abgerufen am 17.06.15
http://shoptechblog.de/2014/04/15/koennen-shopsystem-hersteller-innovationstreiber-sein/
[5] Vgl. Strebel, Heinz; Gelbmann, Ulrike: Innovations- und Technologiemanagement, 2007, S.325ff.
[6] Vgl. Disselkamp, Marcus: Innovationsmanagement. Instrumente und Methoden, 2005, S. 203 f.
[7] Vgl. Vahs, Diemtar / Brem, Alexander: Innovationsmanagement Idee und Vermarktung, 2012, S. 375 ff.
[8] Vgl. Vahs, Diemtar / Brem, Alexander: Innovationsmanagement Idee und Vermarktung, 2012, S. 415 ff.
[9] Vgl. Disselkamp, Marcus: Innovationsmanagement. Instrumente und Methoden, 2005, S. 220 f.
[10] Vgl. Heinemann, Gerrit: Web-Exzellenz, S. 46ff.
Wichtige Literatur zum Thema
Albers, Sönke / Gassmann, Oliver (2005): Handbuch Technologie- und Innovationsmanagement, Wiesbaden, Gabler Verlag 2005
Burmester, Ralf / Vahs, Dietmar (2002): Innovationsmanagement – Von der Produktidee zur erfolgreichen Vermarktung, Stuttgart, Schäffer Pöschel Verlag 2013
Vahs, Dietmar / Brem, Alexander (2013): Innovationsmanagement, Stuttgart, Schäffer Pöschel Verlag 2013
Heinemann, Gerrit / Haug, Andreas (2010): Web-Exzellenz im E-Commerce, Wiesbaden, Gabler Verlag 2010
Autoren: Julian Aierstock, Matthias Borchert