Der Online-Kanal E-Mail-Marketing ist wie ein hart umkämpfter Markt. Der Einsatz dieses Instruments wird bei Unternehmen immer beliebter. Als Konsequenz daraus erhalten Endverbraucher stetig neue und mehr Werbe-E-Mails, was dazu führt, dass Öffnungs- und Klickraten sinken. Die Unternehmen, welche dieses Instrument einsetzten, stehen nun vor der Herausforderung sich im E-Mail-Marketing vom Wettbewerber abzuheben. Ein möglicher Ansatz ist die Segmentierung der Kunden, damit diese eine zielgruppengerechte Ansprache per E-Mail erhalten. Der E-Mail Kanal, welcher häufig als Mass-Marketing genutzt wird, wird dadurch nahezu zum One-To-One Marketing. Der Nutzen, welche der Empfänger aus einer E-Mail zieht, ist mit dieser Art des E-Mail Marketings deutlich höher, was zu höheren Response Raten führt. Die Kundensegmentierung ist in der Praxis weit verbreitet um die Kunden in verschieden Gruppen zusammenzufassen und anschließend jedes Segment mit gleichen Marketing- und Vertriebsmaßnahmen behandeln zu können[1]. Mit einer geeigneten Zielgruppenauswahl kann der Kampagnenerfolg, bei dem es darum geht den Kunden zu einer gewollten Aktion zu bewegen, um ein Vielfaches gesteigert werden.
Bei der Wahl einer geeigneten Segmentierungs-Methode müssen vier Bedingungen erfüllt werden: Zum Einen muss die Klassifizierbarkeit des Kunden gegeben sein. D.h., es muss klar sein, aufgrund welcher Variablen, der Kunde in welches Segment fällt. Zum Anderen muss die Übersetzbarkeit in Maßnahmen gegeben sein. Dies bedeutet, dass aus den Segmenten ableitbar sein muss, welche Strategie genutzt wird und mit welchen Marketing-Maßnahmen der Kunde effizient anzusprechen und zu betreuen ist[2]. Darüber hinaus sollte die Segmentierung praxisnah und dynamisch sein. Dies bedeutet, dass die Segmentierung leicht anzuwenden sein sollte und auch in Zukunft automatisch erfolgt. Sollte sich das Verhalten oder andere Merkmale von Kunden ändern, so sollte dieser automatisch in ein anderes Segment übergehen.
Im Rahmen meiner Seminararbeit habe ich verschiedene Möglichkeiten zur Segmentierung der E-Mail-Abonnenten betrachtet und drei Methoden mit den Daten eines Modeunternehmens durchgeführt. In diesem Block-Beitrag möchte ich euch eine Vielzahl an Methoden und das Ergebnis der – wie ich finde – geeignetsten Methode vorstellen.
Status Quo des Modeunternehmens
Das Unternehmen, für welches ich die Segmentierung der Kunden durchgeführt habe, ist in der Modebranche im Discount-Segment tätig und vertreibt seine Ware vornehmlich über Kataloge und im eigenen Online Shop. Dessen Zielgruppe besteht insbesondere aus Frauen, im niedrigen bis mittleren Einkommensniveau aller Altersklassen.
Aktuell (April 2014) verschickt das Unternehmen sowohl sonntags als auch mittwochs einen Newsletter. Die Kunden, welche die E-Mail nicht geöffnet haben, erhalten einen Tag darauf einen Nachfass mit einem ähnlichen Inhalt, welcher als Erinnerung zu verstehen ist. Freitags erfolgt gelegentlich noch der Versand einer Stand-Alone-Kampagne. Als Anreiz soll ein Rabatt den Kunden dazu bewegen auf die Webseite zu gelangen und etwas zu kaufen. Das Ziel ist es die Nachfrage – Umsatz vor Retour – zu steigern. Die klassischen Preisnachlässe sind auf der einen Seite der fixe Rabatt „Keine Versandkosten“, was eine Einsparung für den Kunden von 5,90 € bedeutet und auf der anderen Seite ein prozentualer Rabatte in Höhe von i.d.R. 5%. Durch eine Segmentierung sollen diese Marketing-Hebel angepasst und zielgruppenspezifisch differenziert werden.
Segmentierungs-Methoden
Es gibt viele Segmentierungsmöglichkeiten am Markt, dessen Einsatzmöglichkeiten und Nutzen von dem jeweiligen Unternehmen und Ziel abhängig sind. Während einige der Methoden besonders sinnvoll sind um die optimale Investition in den Kunden zu steuern, sind andere Methoden hilfreich um passende Marketingmaßnahmen abzuleiten[3]. Einige Methode werden im Folgenden vorgestellt:
ABC Analyse
Die ABC Analyse ist in der Praxis weit verbreitet, da sie einfach und schnell durchzuführen ist. Es ist ein quantitativer Ansatz, bei welchem die Kunden anhand ihres Umsatzes in eines von drei Segmenten unterteilt werden. Die typische Einteilung lautet: A = hoher Umsatz, B = mittlerer Umsatz und C = geringer Umsatz[3]. Dabei hat sich wiederholt bestätigt, dass 20% aller Kunden für 80% des Gesamtumsatzes verantwortlich sind. Nicht berücksichtigt wird hierbei der Deckungsbeitrag, also die Profitabilität eines Kunden. In kostenintensiven Kanälen, sollte dieser Ansatz daher vor allem als einer gesehen werden, welcher durch andere unterstützt wird[1]. Da die Grenzkosten im E-Mail-Marketing sehr gering sind, ist dieser Aspekt hierfür zu vernachlässigen.
Clusteranalytische Ansatz
Das Ziel einer Clusteranalyse ist es möglichst homogene Teilmengen von Objekten zu erkennen. Zwischen den resultierenden Gruppen sollte möglichst keine oder eine eher geringe Ähnlichkeit bestehen. Die Cluster können inhaltlich beschrieben werden und unterschiedliche Objekttypen können daraus abgeleitet werden. Bei der Wahl der zu nutzenden Variablen müssen einige Dinge beachtet werden. Insbesondere ist es wichtig, dass die die Variablen unkorreliert sind. Außerdem sollten die Variablen eine ausreichende Varianz aufweisen. Abhängig von der Zielsetzung der Clusteranalyse kann zwischen verschiedenen Verfahren gewählt werden, welche unterschiedliche Eigenschaften besitzen. Während das „Single Linkage“ Verfahren zur Kettenbildung und das „Complete Linkage“ Verfahren zu kleinen Gruppen neigt, so bilden der Ward Algorithmus in etwa gleich große Gruppen[4].Die Clusteranalyse segmentiert die Kunden mit einer hohen statistischen Güte.
Customer Lifetime-Value
Der Customer-Lifetime-Value Ansatz kombiniert die Betrachtung des Kundenwertes über die gesamte Periode der Geschäftsbeziehung mit den einzelnen Phasen des Kundenlebenszyklus. Das Ziel dieser Methode ist eine Marketing-Optimierung anhand dynamischer Investitionsrechnungen. Dieser Ansatz hat sich in der Praxis bisher kaum etabliert, da er erheblichen Schätzungenauigkeiten, für die zukünftigen Geschäftsbeziehungen, unterliegt[1].
Scoring Verfahren
Diese Methode nutzt qualitative Merkmale eines Kunden um diesem einen Kundenwert zuzuteilen. Anhand eines Kriterienkatalogs und einer Bewertungsskala (z.B. von 1-5) wird eine Matrix entwickelt, welche zu einem Gesamt-Score des Kunden führt. Dabei werden die verschiedenen Kriterien gewichtet berücksichtigt. Ein Vorteil zu den vorangestellten Methoden ist der mehrdimensionale Ansatz. Diverse Kriterien, statt nur einem, werden berücksichtigt. Die Komplexität der Geschäftsbeziehung ist hiermit leichter und genauer abzubilden[1].
Segmentierung nach soziodemographischen Merkmalen
Für eine grobe Markteinteilung bietet sich eine Segmentierung nach soziodemographischen Merkmalen an. Darunter fallen geographische Kriterien wie Stadt, Land, PLZ Gebiet, etc., demographische Kriterien wie Geschlecht, Alter, Haushaltsgröße, etc. und sozio-ökonomische Kriterien wie Bildungsstand, Beruf, einkommen, etc.[5]. Kombiniert man das Alter mit anderen soziodemographischen Merkmalen, wie z.B. Haushaltsgröße, Lebensform und Anzahl Kinder, so ist es möglich ein Familienlebenszykluskonzept zu entwickeln, welches von Marketingstrategen häufig genutzt wird. Dabei lassen markante Wendepunkte der Lebensgestaltung auf ein verändertes Kaufverhalten schließen. Darüber hinaus gibt dieses Konzept einen Hinweis auf die Sortimentsauswahl des Kunden[5]. Voraussetzung für diese Art der Klassifizierung ist eine hinreichende Anzahl an Daten. Genügend Merkmal müssen dem Unternehmen bekannt sein. Für eine grobe Strukturierung sind diese soziodemographischen Daten gut geeignet. Allerdings sollten sie nur eine Leitvorstellung bieten und dienen weniger gut der Gruppierung der Kunden[5].
Scoring Modell – RFM
Ein ebenfalls mehrdimensionales Verfahren, allerdings mit quantitativen Größen, ist der RFM Ansatz. Wobei die Abkürzungen für „Recency of last purchase“, „Frequency of purchase“ und „Monetary Value“ stehen. Das RFM Model nutzt Kaufdaten, um die Kunden anhand ihres Bestellverhaltens zu segmentieren. Das Ergebnis sind Gruppen, welche nach ihrem Kundenwert sortiert sind[6]. Für jedes der drei Merkmale wird der Kunde in A = sehr gut, B= mittel, C= weniger gut oder D = schlecht eingeteilt. (Bsp. Frequency- Anzahl Käufe der letzten 12 Monate: A = Anzahl > 2, B = Anzahl Käufe = 2, C = Anzahl Käufe = 1, D = Anzahl Käufe = 0)
Die Ergebnisse werden mit einander kombiniert, sodass 28 Gruppen (3^3 +1) von AAA über ABC bis DDD entstehen. Diese Methode ist insbesondere in Direktmarketing-Branchen und im Versandhandel etabliert. Diverse Analysen haben gezeigt, dass sich ein positiver Zusammenhang zwischen den drei Ausprägungen und dem zukünftigen Kaufverhalten des Kunden ergibt[1].
Recency – Zeitliche Nähe zum letzten Kauf
Bei jemandem, der erst vor kurzem etwas gekauft hat, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass er bald wieder etwas kauft, als bei einem Anderem[7].
Frequency – Kaufhäufigkeit
Kunden, die häufig etwas bestellen, kaufen eher wieder als Kunden, welche selten bestellen[6].
Monetary value – Durchschnittlicher Umsatz
Bei Kunden, welche viel Geld bei einem Kauf ausgeben, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie regelmäßig etwas kaufen, als bei anderen[6].
Betrachtet man die Segmentierungsmethoden nach den vier Bedingungen Klassifizierbarkeit, Übersetzbarkeit in Maßnahmen, Praxisnähe, Dynamik so erscheint die RFM-Methode die geeignetste zu sein.
Tabelle 1: Bewertung der Segmentierungsmethoden bezogen auf das Modeunternehmen
Quelle: Eigene Erstellung
Diese Methode bietet zwei Vorteile. Zum Einen ist es dem Unternehmen so möglich, schnell und einfach zu erkennen auf welche Kundengruppen es sich zunächst konzentrieren sollte, da diese dem Unternehmen den meisten Wert und die größte Chance bieten. Zum Anderen hilft die Segmentierung geeignete und unterschiedliche Marketing-Maßnahmen für die Kunden zu entwickeln. Die Ziele höhere Response Raten zu schaffen und den durchschnittlichen Kundenwert zu optimieren, werden somit erreicht.
Ergebnis der RFM Methode
Die Durchführung der RFM Methode mit den Daten des Modeunternehmens führte zu einer Gruppierung, welche in der folgenden Abbildung dargestellt wird. Einzig das Segment DDD (Der Kunde hat innerhalb der letzten 12 Monate keinen Kauf getätigt) wurde, aufgrund der Größe, in dem Diagramm nicht berücksichtigt. Die Segmentierung erfolgte mittels SQL. Der Code ist nun in der Datenbank des Unternehmens hinterlegt, und die Segmente berechnen sich mit aktuellen Daten dynamisch. Sobald ein Kunde kauft, kann es daher durchaus vorkommen, dass er mit dem Kauf in ein anderes Segment rutscht.
Abbildung 1: Übersicht der Segmente des Modeunternehmens
Quelle: Eigene Erstellung
Einsatz der Marketing Hebel
Nun ist die Frage, was man mit den Gruppen anfängt. Das ursprüngliche Ziel war es, Segmente zu bilden, welche man unterschiedlich per E-Mail ansprechen kann. Da es nicht möglich ist den Kundenwert jedes Einzelnen zu erhöhen, sollte eine Priorisierung vorgenommen werden, nach der die Marketing Maßnahmen entwickelt und umgesetzt werden.
Den Kunden, welche sich in dem besten Segment, nämlich AAA befinden, sollte die größte Aufmerksamkeit gelten. Sie sind diejenigen, welche loyal gegenüber dem Unternehmen sind und viel Umsatz generieren. Hohe Wiederkaufsraten, ein hoher Durchschnittsumsatz und eine kurze zeitliche Nähe zu ihrem letzten Kauf zeichnet sie aus. Insbesondere in der Kaufhäufigkeit unterscheiden sie sich von den anderen Kunden. Diese Kunden, bieten dem Modeunternehmen einen so hohen Wert, dass es sie unbedingt halten wollen sollte. Über Retention Marketing Maßnahmen, mit der Übermittlung von Anerkennung und Respekt, sollten diese Kunden das Gefühl bekommen, wertgeschätzt zu werden. Denn nicht nur sind dies Kunden, welche viel Umsatz erzielen, es sind auch gerade die, welche ihren Bekannten von dem Unternehmen erzählen und es weiterempfehlen. Sie sind dessen besten Freunde und gehören auch so behandelt.
Nachdem das Modeunterhnemen die besten Kunden erkannt und geeignete Marketing Maßnahmen entwickelt hat, gilt es nun dieses Segment zu vergrößern. Die zweite Priorität sollte demnach den Kunden gelten, welche in einer oder in zwei Ausprägungen sehr gut sind – also ein A haben. Es sind die Kunden, welche dem Unternehmen schon viel bieten, bei denen aber auch noch Potenzial besteht ihren Kundenwert zu steigern. Für jedes Segment gilt es die Marketing Maßnahmen nun geschickt miteinander zu kombinieren und per E-Mail an die jeweiligen Kunden auszusteuern.
Tabelle 2: Segmente und Marketing Maßnahmen
Quelle: Eigene Erstellung
In dem Segment DDD liegt, aufgrund der Größe, das größte Potenzial und aufgrund der zeitlichen Entfernung des letzten Kaufs, die größte Schwierigkeit. Als nächster Schritt sei zu empfehlen dieses Segment noch weiter zu zerlegen. Insbesondere das Klickverhalten kann hier von Interesse sein. Mit Hilfe einer erneuten Segmentierung mit den Merkmalen „Recency“ – Nähe des letzen Kicks – und „Frequency“ -Klickhäufigkeit – ist es möglich etwas über das Interesse des Kunden zu erfahren. Kickt er regelmäßig die E-Mails, so besteht grundsätzlich ein Interesse an dem Unternehmen und dessen Produkten, welches es zu erörtern gälte.
Fazit
Abschließend lässt sich sagen, dass durch eine Kunden-Segmentierung noch viel Potenzial ausgeschöpft werden kann. Die dafür geeignetste Methode scheint für das Modeunternehmen die RFM Methode zu sein. Da der Segmentierungs-Algorithmus nun vorhanden ist, sollte sich der Versandhändler nun konkrete Marketing Maßnahmen überlegen und testen.
Quellen:
[1] vgl. Kraft, M., & Albers, S. (2000). Ansätze zur Segmentierung von Kunden – Wie geeignet sind herkömmliche Konzepte? Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, S. 515-526.
[2] vgl. Bauer, F., Markart, V., & Bössow, O. (August 2005). Dynamische Kundensegmentierung – Grundüberlegungen und Fallbeispiel. Planung und Analyse.
[3] vgl. Karpetta, C. (6. Juni 2013). Kundensegmentierung. Abgerufen am 3. Juni 2014 von factory42 Blog: http://blog.factory42.com/blog/bid/295277/Kundensegmentierung-Unsere-4-Modellfavoriten-plus-Checkliste
[4] vgl. Wiedenbeck, M., & Züll, C. (2001). Klassifikation mit Clusteranalyse. Zuma.
[5] vgl. HandelsWissen. (o.J.). Zielgruppen. Abgerufen am 29. Juni 2014 von HandelsWissen: http://www.handelswissen.de/data/themen/Marktpositionierung/Zielgruppe/Zielgruppenfaktoren/soziodemographische
[6] vgl. Mutyala, S. (3. Januar 2011). RFM. Abgerufen am 5. Juni 2014 von Eight Leaves: http://www.eightleaves.com/2011/01/using-rfm-to-identify-your-best-customers
[7] vgl. Baggot, C. (2007). EMail Marketing by the Numbers. Hoboken: John Wiley & Sons, Inc.
Wow, ziemlich tief gehender Artikel! Vielen Dank dafür.
Besonders interessant finde ich den RFM-Ansatz selbst: Den kannte ich bisher selbst noch nicht und werde versuchen, diesen auch mal umzusetzen 🙂