Hintergrund
Social Media hat die Art der Unternehmenskommunikation verändert. Da negatives Feedback gegenüber Unternehmen sich meist über Social Media äußert und sich dort schnell verbreiten kann, befassen sich die Autoren Ying Yu, Li Huang, Ping Qing und Tong Chen in dem Paper “How Humor Reduces the Impact of Negative Feedback on Social Media” mit der richtigen Art der Reaktion auf negatives Feedback in sozialen Medien. Insbesondere wird sich mit dem Einsatz von Humor in den Reaktionen befasst. Die Autoren stellen die erste Hypothese auf: “Bei negativen Ereignissen führt eine humorvolle Reaktion auf Social Media zu einer positiveren Verbraucherreaktion als eine nicht humorvolle Reaktion“. Mit einer weiteren Hypothese schränken sie die Aussage der ersten Hypothese etwas ein: “Verbraucher reagieren eher positiv (negativ) auf die humorvolle Reaktion eines Unternehmens, wenn das Ereignis (nicht) vertretbar ist.“ Unter einem vertretbaren Ereignis ist dabei negatives Feedback auf Social Media gegenüber einem Unternehmen, welches für die Ursache nicht verantwortlich ist, zu verstehen. Die zweite Hypothese begründet sich auf dem Anspruch an Humor: Humor sollte normverletzend, aber akzeptabel sein (McGraw & Warren, 2010).
Studie 1 – Einfluss von humorvollen Antworten auf das Nutzerengagement
In der ersten Studie wurde die Hypothese aufgestellt, dass humorvolle Antworten auf negative Ereignisse mehr positive Reaktionen von Nutzern hervorrufen als nicht humorvolle Antworten im gleichen Kontext. Der Fokus der Untersuchung lag auf einem Server-Ausfall bei Baidu, dem Marktführer bei Suchmaschinen in China mit einem Marktanteil von 74%. Der Server-Ausfall wurde als defensives Ereignis betrachtet, da Baidu wenig Kontrolle über den Ausfall hatte und mögliche Ursachen, Probleme beim externen Hoster oder zu viele Zugriffe auf einmal waren.
Es wurden zwei verschiedene Arten von Antworten analysiert: sachliche (nicht humorvolle) und humorvolle. Ein Beispiel für eine humorvolle Antwort lautete: „The server is playing a trick. It will come back to work soon“, während eine sachliche Antwort den Nutzern mitteilte: „We noticed that users can’t access our website properly. It will resume working soon“. Die Kommentare unter diesen Beiträgen wurden analysiert, und das Nutzerengagement wurde durch das Zählen von Likes und Kommentaren gemessen.
Die Ergebnisse zeigten, dass humorvolle Antworten im Vergleich zu sachlichen Antworten höheres Nutzerengagement erzielten, sowohl in Bezug auf Likes (637 vs. 48) als auch Kommentare (400 vs. 107). Die Sentiment-Analyse, die mithilfe von SnowNLP durchgeführt wurde, ergab, dass humorvolle Antworten eine höhere Wahrscheinlichkeit für positive Bewertungen hatten im Vergleich zu sachlichen Antworten (Mhumorous = 0.46, SD = 0.32; Mnonhumorous = 0.35, SD = 0.33).
Die ANOVA-Analyse, die auf den Wahrscheinlichkeiten aus der SnowNLP-Sentiment-Analyse basiert, enthüllte signifikante Unterschiede zwischen humorvollen und sachlichen Antworten in Bezug auf die Nutzerreaktionen. Die Ergebnisse wurden durch den F-Wert (F(1, 506) = 9.53) und den zugehörigen p-Wert (p < 0.01) bestimmt. In diesem Fall deutet der F-Wert von 9.53 darauf hin, dass die Varianz in den Nutzerreaktionen zwischen den beiden Antworttypen signifikant ist und nicht einfach auf zufällige Schwankungen zurückzuführen ist. Der p-Wert, der unter der konventionellen Signifikanzschwelle von 0.01 liegt (p < 0.01), deutet darauf hin, dass die beobachteten Unterschiede zwischen den humorvollen und sachlichen Antworten nicht durch Zufall entstanden sind. Dies stärkt die Schlussfolgerung, dass es tatsächlich einen statistisch signifikanten Unterschied im Nutzerengagement zwischen den beiden Antworttypen gibt.
Zusammenfassend weisen die Ergebnisse der ANOVA-Analyse darauf hin, dass humorvolle Antworten im Vergleich zu sachlichen Antworten zu einem signifikant höheren Nutzerengagement führen, sowohl in Bezug auf Likes als auch Kommentare. Dies unterstützt die ursprüngliche Hypothese, dass humorvolle Reaktionen auf negative Ereignisse eine effektive Strategie sind, um positive Nutzerreaktionen zu fördern.
Trotz dieser Erkenntnisse gibt es einige Limitationen der Studie. Nur ein Beitrag einer Firma wurde untersucht, und die Wahrnehmung der Nutzer gegenüber humorvollen Antworten könnte weiter differenziert werden. Zudem wurden nur zwei Kennzahlen betrachtet: die Sentiment-Analyse und das Nutzerengagement. Es besteht auch die Einschränkung, dass nur defensible Ereignisse betrachtet wurden, ohne Rücksicht auf indefensible Ereignisse.
Studie 2- Einfluss von humorvollen Antworten auf das Verkaufsvolumen
In der zweiten Studie wurde die Hypothese aufgestellt, dass humorvolle Antworten in einem vertretbaren negativen Ereignis positivere Auswirkungen auf die Verkaufsraten haben als sachliche Antworten. Die Untersuchung erfolgte in Form einer Feldstudie, die sich auf die Kategorie Schuhe auf Taobao erstreckte und Kommentare mit dem Keyword „shoes“ zwischen Juli 2018 und Dezember 2019 umfasste. Die Studie analysierte Käuferfeedback, Verkäuferantworten, kumulative Verkaufsvolumina im Monat nach der Antwort des Verkäufers sowie weitere Produktinformationen wie Marken, Geschäfts- und Schuhnamen.
Die Stichprobe umfasste 37 Schuhmarken, darunter 36,2 % internationale Marken wie Adidas, Converse und Vans sowie 63,8 % inländische Marken wie Anta und Erke. Insgesamt wurden 572 relevante Ergebnisse für die Studie ausgewertet, wobei Kundenbewertungen von zwei unabhängigen wissenschaftlichen Mitarbeitern in die Kategorien „vertretbar“ und „nicht vertretbar“ eingeordnet wurden. Die Verkäuferantworten wurden anschließend in „humorvoll“ und „sachlich“ unterteilt.
Die Ergebnisse zeigten, dass von den als vertretbar eingestuften negativen Ereignissen 23,8 % der Verkäuferantworten als humorvoll betrachtet wurden. Die abhängige Variable für die Regressionsanalyse war das kumulierte Verkaufsvolumen des Schuhs im Laufe des Monats nach der Antwort des Verkäufers auf die negative Bewertung eines Käufers. Da das Verkaufsvolumen nicht normalverteilt war, wurde der Logarithmus des Volumens verwendet.
Bei nicht zu rechtfertigenden negativen Ereignissen führte die Verwendung einer humorvollen Antwort zu einem signifikant geringeren Verkaufsvolumen im Vergleich zu nicht humorvollen Antworten (Mhumorous = 2,54 vs. Mnonhumorous = 2,73, F(1, 566) = 4,23, p < 0,05, η2p = .005). Dies deutet darauf hin, dass der Einsatz von Humor das Verkaufsvolumen im Vergleich zum Verzicht auf Humor verringerte.
Wenn das negative Ereignis jedoch vertretbar war, war das Verkaufsvolumen im humorvollen Zustand nur geringfügig höher als im nicht-humorvollen Zustand, wobei dieser Unterschied statistisch nicht signifikant war (Mhumorous=2,66 vs. Mnonhumorous = 2,58, F(1, 566) = 1,13, p > 0,28, η2p = 0,002). Ein Robustheitstest stützte teilweise die Hypothese. Die Autoren vermuten, dass diese Inkonsistenz auf die Kluft zwischen Einstellung und Verhaltensergebnis zurückzuführen ist.
Studie 3- Einfluss der Vertretbarkeit der Ursachen
In der dritten Studie werden Personen über eine Marktforschungsplattform befragt, in welchen Fällen sie die humorvolle Reaktion eines Unternehmens auf negatives Feedback in sozialen Medien gegenüber einer nicht humorvollen Reaktion bevorzugen. Der Humoreinsatz wird dabei als unabhängige Variable definiert. In dieser Studie wurde als Szenario ein Handydefekt gewählt, der entweder durch ein fehlerhaftes Originalnetzteil (nicht vertretbar) oder die Nutzung eines nicht originalen Netzteils (vertretbare Ursache) ausgelöst wird (Moderator = Vertretbarkeit der Ursache). Hier sind die durch die befragten Personen zu bewertenden Reaktionsmöglichkeiten abgebildet.
Als Bewertung wählen die befragten Personen ob die ihnen zufällig vorgeschlagene Unternehmensreaktion gut / sympathisch / effektiv / intelligent / bewundernswert war (abhängige Variable). Außerdem gaben sie an, ob die Reaktion des Unternehmens sie amüsiert hat (Mediator). Eine Varianzanalyse zeigte den erwarteten signifikanten Interaktionseffekt (F(1, 119)=26,768, p<.000, np2 =.18). Im nicht vertretbaren Zustand war die Einstellung des Verbrauchers gegenüber der Antwort des Unternehmens signifikant geringer, wenn die Antwort humorvoll war, als wenn sie nicht humorvoll war (Mhumorvoll=3,38, SD=1,50 vs. Mnichthumorvoll=4,53, SD=1,23; F(1, 119) =12,44, p<.01, np2 = .10). Unter der vertretbaren Bedingung war die Einstellung der Verbraucher gegenüber der Reaktion des Unternehmens deutlich höher, wenn die Reaktion humorvoll war, als wenn sie nicht humorvoll war (Mhumorvoll=5,23, SD=1,16; Mnichthumorvoll=3,86, SD 1,38; F(1, 119) = 14,34, p<.000, np2 = .11). Die Ergebnisse einer Mediationsanalyse zeigen, dass der moderierte Mediationseffekt signifikant ist ((β=.77, SE=.32, 95% CI: [.15, 1,41])). Die dritte Studie bestätigt somit die Hypothese 2.
Erkenntnisse der Studien
Die Studien zum Einfluss von Humor bei der Bewältigung negativer Ereignisse beleuchten vielfältige Auswirkungen in verschiedenen Kontexten. In der ersten Untersuchung stand das Consumer Engagement im Mittelpunkt, wobei humorvolle Reaktionen auf negative Ereignisse eine signifikante Steigerung von Likes und Kommentaren auslösen. Dies deutet darauf hin, dass Humor eine effektive Strategie ist, um eine aktive Nutzerbeteiligung und positive Rückmeldungen zu fördern. Darüber hinaus trugen humorvolle Antworten zur Verbesserung der allgemeinen Stimmung bei Online-Bewertungen bei, indem sie eine positivere Atmosphäre in den Interaktionen schufen.
In der zweiten Studie wurde der Einfluss von Humor auf den Kaufprozess genauer betrachtet. Hier zeigten die Ergebnisse, dass humorvolle Antworten auf negative Bewertungen einen bedeutenden Einfluss auf das Verkaufsvolumen hatten. Insbesondere in Fällen, in denen das negative Ereignis nicht zu rechtfertigen war, führte der Einsatz von Humor zu einem geringeren Verkaufsvolumen im Vergleich zu sachlichen Antworten. Dies unterstreicht, dass Humor nicht nur die Kundenbindung beeinflussen kann, sondern auch direkte Auswirkungen auf die Kaufentscheidungen haben kann.
Die dritte Studie richtete den Fokus auf die Verbrauchereinstellung als zentralen Einflussbereich. Die Ergebnisse legten nahe, dass humorvolle Reaktionen auf negative Ereignisse in bestimmten Kontexten die Einstellung der Verbraucher beeinflussen können. Es wurde jedoch betont, dass die positive Wirkung von Humor auf die Verbrauchereinstellung nicht zwangsläufig mit einer direkten Steigerung des Verkaufsvolumens einhergehen muss. Diese Ergebnisse unterstreichen die nuancierte Natur der Beziehung zwischen Humor, Verbrauchereinstellung und letztendlichem Verhalten.
Quelle
Yu, Y., Huang, L., Qing, P., & Chen, T. (2022). How Humor Reduces the Impact of Negative Feedback on Social Media. Journal of Interactive Marketing, 57(4), 601-613. https://doi.org/10.1177/10949968221123771