Einleitung:
Die Kundenzufriedenheit und Kundentreue sind zu einem elementaren Bestandteil moderner Managementmodelle geworden. Immer mehr Unternehmen richten ihre Strategie daher nahezu ausschließlich auf die Verbraucher aus. Hierbei examinieren sie das Verhalten der Verbraucher und deren Zufriedenheit fortlaufend. Ein wichtiger Bestandteil dessen ist die Erhebung der Kundenzufriedenheit. Dies ist damit zu begründen, dass eine hohe Kundenzufriedenheit im Allgemeinen eine wichtige Referenz für Unternehmen darstellt. So greifen zufriedene Kunden in der Regel wiederholt auf die Produkte oder Dienstleistungen des entsprechenden Unternehmens zurück und erweisen sich damit als loyal. Obwohl die Messung der Kundenzufriedenheit Gegenstand zahlreicher Studien ist, gibt es bis heute keinen Konsens über ein adäquates Messinstrument. Eines der in der Praxis bedeutendsten Instrumente zur Messung der Kundenzufriedenheit ist der Net Promoter Score (NPS). Der Net Promoter Score wurde im Jahr 2013 von Frederik Reichheld im Harvard Business Review vorgestellt. In seinem Artikel erhebt Reichheld den Anspruch, mit dem NPS die einzige Zahl einzuführen, die es brauche, um Unternehmenswachstum zu generieren. Gleichzeitig stelle der NPS die einzige Kennzahl dar, die von Nöten wäre, um Kundenbindung zu steuern. Während der NPS ursprünglich als eine mit dem Unternehmenswachstum korrelierende Messgröße entwickelt wurde, wird dieser mittlerweile vorrangig als Methode zur Messung der Kundenzufriedenheit eingesetzt. Der Anspruch auf ein eigenständiges Diagnoseinstrument bleibt ihm aus Sicht zahlreicher Wissenschaftler allerdings verwehrt. In diesem Zusammenhang wird insbesondere die theoretische Grundlage des Messinstruments angezweifelt, mit dem Ergebnis, dass es sich nicht um eine adäquate Operationalisierung des Loyalitätskonzepts handle.
Ziel der Arbeit:
In Anbetracht der Bedeutung der Kundenzufriedenheit und der damit einhergehenden Relevanz der Messung dieser sowie der geteilten Meinung zum NPS in der Literatur, hat sich diese Arbeit der Untersuchung des NPS anhand der 30 umsatzstärksten Online-Shops in Deutschland gewidmet. Ziel der Arbeit war es dabei, zu ermitteln, inwiefern der NPS im E-Commerce als Instrument zur Messung von Kundenzufriedenheit eingesetzt wird. Im Zuge dessen findet sich innerhalb der vorliegenden Arbeit eine umfassende Analyse des Umgangs mit dem NPS im Shop selbst sowie während und nach dem Bestellprozess jedes einzelnen Online-Shops. Folgende Fragen wurden dabei insbesondere bewertet: Wo wird der NPS abgefragt? Worauf bezogen wird die Abfrage durchgeführt? In welcher Form wird der NPS abgefragt? Und wird der NPS graphisch unterstützt?
Methodik:
Für die Datenerfassung wurden die 30 größten B2C-Online-Shops in Deutschland untersucht. Dabei wurde insbesondere bewertet, wo und wie der NPS abgefragt wird, worauf er sich bezieht, wie die Abfrage formuliert ist und ob sie graphisch unterstützt wird. Die Datenerhebung erfolgte systematisch durch Besuch der entsprechenden Online-Shops, Testbestellungen sowie Kontaktaufnahme mit den Unternehmen per E-Mail, Telefon oder über LinkedIn.
Gewonnene Erkenntnisse:
Die Untersuchung der 30 größten Online-Shops in Deutschland hat gezeigt, dass der NPS lediglich von 36 % der analysierten Unternehmen genutzt wird. Darüber hinaus musste der Datensatz um acht Online-Shops bereinigt werden, da diese keinerlei Auskunft zur Nutzung des NPS gegeben haben und auf Grund von Versandkosten von einer Testbestellung abgesehen werden musste. Bei den verbleibenden 14 Unternehmen konnte weder im Online-Shop selbst noch im nachfolgenden Bestellprozess die Verwendung des NPS identifiziert werden. Bei zwei dieser Unternehmen konnte allerdings ein Alternative zur Erhebung der Kundenzufriedenheit in Form einer Nachkaufmail festgestellt werden.
Damit lässt sich insgesamt ein Anteil von 36 % ausmachen, der den NPS nutzt, sofern lediglich der bereinigte Datensatz betrachtet wird. Bei den restlichen 64 % konnte keine Verwendung des NPS festgestellt werden. Mit Blick auf die vier umsatzstärksten Online-Shops in Deutschland konnte bei keinem die Nutzung des NPS nachgewiesen werden. Dies legt die Hypothese nahe, dass der NPS im E-Commerce keine weit verbreitete Praxis ist.
Darüber hinaus wurde festgestellt, dass einige Online-Shops den NPS mit zusätzlichen Fragen zur Kundenzufriedenheit sowie zu soziodemographischen Hintergründen kombinieren. Dies deutet darauf hin, dass diese Unternehmen die begrenzte Aussagekraft des NPS als eigenständiges Diagnoseinstrument erkennen und versuchen, ein umfassenderes Bild der Kundenzufriedenheit zu erhalten. Indem sie den NPS mit weiteren Fragen ergänzen, können sie spezifische Aspekte der Kundenerfahrung genauer erfassen und möglicherweise tiefergehende Einblicke gewinnen. Dadurch wurde der Eindruck gewonnen, dass aus Sicht der Praxis, der NPS allein nicht ausreicht, um die Kundenzufriedenheit adäquat zu messen.
Des Weiteren hat sich die vorliegende Arbeit den Fragen gewidmet, wo der NPS abgefragt wird und wie diese Abfrage formuliert ist. Hinsichtlich des Abfrageortes konnte auf Grundlage des Datensatzes kein Konsens festgestellt werden: Ein Online-Shop fragt den NPS bereits auf der Produktdetailseite und somit noch vor dem Kauf eines Produktes ab. Drei weitere Online-Shops erheben den NPS ebenfalls über ihrer Website. Allerdings erst nach dem Kaufabschluss. Über eine Nachkaufmail wird der NPS bei zwei weiteren Online-Shops konstatiert. Ein weiterer Online-Shop versendet eine separate E-Mail, welche einen Link zu einer Kundenzufriedenheitsabfrage beinhaltet, die den NPS inkludiert. Dahingegen ließ sich mit Blick auf die genutzte Metrik, die Formulierung der Fragestellung sowie die Darstellung der Abfrage ein kohärentes Bild nachweisen.
Fazit:
Zusammenfassend konnte hinsichtlich der Art und Weise der Nutzung des NPS festgestellt werden, dass es in der Praxis keinen Konsens zur Verwendung dessen sowie zum adäquaten Abfrageort gibt. Durch die geringe Nutzung des NPS muss diesem eine übergeordnete Relevanz abgesprochen werden. Gleichzeitig ließen sich bei lediglich 9 % der Online-Shops Kundenzufriedenheitsbefragungen ohne Ausspielung des NPS nachweisen. Damit lässt sich die Bedeutung der Kundenzufriedenheitsbefragung als solche in der Praxis des B2C E-Commerce in Frage stellen.
Limitation erfahren die gewonnenen Erkenntnisse unter anderem durch die geschmälerte Aussagekraft auf Grund dessen, dass der bereinigte Datensatz lediglich 22 Online-Shops umfasst. Diese haben allerdings in Summe im Jahr 2021 einen Umsatz von 38.550 Mio. € in Deutschland umgesetzt haben. Dies macht einen Anteil von 44 % am Gesamtumsatz des B2C E-Commerce im Jahr 2021 in Deutschland aus. Nichtsdestotrotz würde eine Ausweitung des Datensatzes auf die umsatzstärksten 50 oder aber 100 Online-Shops die Validität der Ergebnisse erhöhen. Eine Möglichkeit die Forschung auszuweiten, bestünde darin, interne Informationen der entsprechenden Online-Shops zur Auswertung der durch die Abfrage des NPS gewonnen Erkenntnisse einfließen zu lassen. Interne Informationen würden zudem Aufschluss darüber geben, wie die Ausspielung des NPS von Kunden oder Shop-Besuchern angenommen wird. Damit könnte die Frage nach der Relevanz des NPS nicht nur unter Einbeziehung der Nutzung dessen durch Unternehmen, sondern auch unter dem Gesichtspunkt der Nutzung durch Kunden oder Shop-Besucher beantwortet werden. Interessant wäre darüber hinaus auch die Einbindung von Bewertungsportalen wie Trustpilot oder Trusted Shops im Vergleich zu der Nutzung eines NPS zur Erhebung der Kundenzufriedenheit.